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Der Buchhandel hat seiner Skurrilität abgeschworen

Eine Polemik von Stefan Möller gegen den Buchhandel schlägt hohe Wellen. Nachdem der Werbetexter den Sortimentern die Verflachung ihrer Auswahl („150 Exemplare von „Fifty Shades of Grey“, aber nicht einen Titel von Matthes & Seitz) vorwarf, reagiert Ebuch-Chef Lorenz Borsche. Seine These: Die Sortimenter mussten auf Amazon und die Filialisten reagieren.
Möller hatte in einem Gastbeitrag für den Blog SteglitzMind geschrieben, dass es der stationäre Buchhandel selbst schuld sei, dass es ihm nicht gut gehe und die Kunden abwandern:

„Liebe Buchhandlung Storm in Bremen, liebe Connewitzer Verlagsbuchhandlung in Leipzig, liebe Litera in Hannover – ihr seid immer noch schön, habt nichts an Attraktivität eingebüßt, euch gelten diese Zeilen nicht. Wärt ihr bei mir in der Nähe, ich würde diese Zeilen nicht schreiben. Ihr aber, die ihr 150 Exemplare von „Fifty shades of grey“, aber nicht einen Titel von Matthes & Seitz vorrätig habt; ihr, die ihr es eine tolle Idee fandet, immer weniger verschiedene Titel auf Lager zu haben, weil der ganze Plunder, den ihr Non-Book nennt und dessen Produktionsbedingungen euch weit weniger interessieren als die Arbeitsbedingungen bei Amazon, Platz braucht, ihr, die ihr mir jetzt mit Sicherheit sagen werdet, dass ihr euch nach dem Bedarf richten müsst und deshalb auf leicht Verkäufliches setzt, weil sich Gedichte schließlich nicht verkaufen (auch wenn diese Entwicklung, nach allem, was man so hört, ja auch nur so mittel funktioniert) – denkt einfach mal drüber nach. Denn ein so außergewöhnlicher Kunde bin ich nicht, es gibt viele von meiner Sorte. Menschen, die unter Literatur nicht Dan Brown verstehen, die Coelho nicht philosophisch finden; Menschen, die in einer Buchhandlung keine Schokolade kaufen wollen. Derweilen bestelle ich im Internet, bei den Verlagen selbst, weil mir kein vernünftiger Grund einfällt, zweimal in einen Laden zu gehen, um ein Buch zu kaufen. Mit dem Paketauslieferer bin ich übrigens schon seit Langem per du.“ 

Borsche, neben Michael Pohl Vorstand der Buchhändler-Genossenschaftt Ebuch, erklärt in einer Erwiderung (hier komplett zu lesen), dass der Druck auf den Buchhandel so groß sei, „dass sich literarisch höchstwertige Buchhandlungen einfach nicht mehr rechnen. Ohne einen großen Anteil von Mainstream können die Buchhändler auch keine Schätzchen mehr pflegen – und die zu pflegen ist wirklich teuer geworden.“
Auf der Suche nach Ursachen für die Lage im Buchhandel blickt Borsche einerseits auf den Wettbewerb durch Amazon:
„Amazon hat alles richtig gemacht. Sensationelle Kundenbedienung, Super-Datenbank (ähm, aus dem Buchhandel gekauft, leider), von den Großhändlern den long-tail bedienen lassen, von den Marketplacern die Antiquaria, die Gebrauchten und auch die in Buchhandlungen ,Mitgenommenen‘ (naja, die gibt’s eher öfter mal bei Ebay), bei den E-Books einen für den Kunden supersimplen ,closed shop‘, also kapitalistisch gesehen alles richtig.“
Andererseits verweist Borsche auf die (inzwischen gestoppte) Expansion der Filialisten: „Dann kam noch der Konzern, der dachte, man könne mit Büchern eine genau so tolle Rendite erwirtschaften wie mit überteuerten Parfüms (was natürlich absoluter Schwachsinn ist) und deshalb erstmal die Republik mit viel zu großen Buchwarenhäusern überzogen hat, dann noch die  katholische Kirche im Verein mit dem ersten Buchkaufhausbauer der Republik, also der gemeine Buchhändler, den Sie so lieben, hat es – so etwa ab 2000 – mit richtigen Haifischen zu tun bekommen.“
Als Reaktion auf die wachsende Konkurrenz hätten Buchhändler begonnen, sich dem Mainstream zu öffnen: Der „gemeine Buchhändler“, schreibt Borsche, „wäre auf der Strecke geblieben, wäre wie das Tante-Emma-Lebensmittelgeschäft zwischen Aldi und Lidl zerrieben worden, wenn er nicht seiner unökonomischen, aber liebenswerten Skurrilität abgeschworen und begonnen hätte, kaufmännisch sauber zu kalkulieren und also möglichst viel leicht Verkäufliches zu verkaufen. Denn die Preise der Bücher sind, anders als die meisten glauben, gesunken, wenn man so fair ist die Inflation, die ja bei allen Kosten zuschlägt, zu berücksichtigen. (…)  Also: der Kettenbuchhandel hat mittlerweile einen Anteil von 30%, Amazon einen von 20% – wo ist das alles hergekommen? Klar, es ist den kleinen Buchhandlungen flöten gegangen. Respektive: die sind flöten gegangen. Oder haben sich umgestellt. Weniger Lyrik, mehr Hera Lind.“
Borsches Fazit: „Wenn Sie trotzdem ein buntes Bücher-Schaufenster in Ihrer Straße besser finden als noch eine Döner-Bude oder gar unschönen Leerstand, dann informieren Sie sich halt in Gottes Namen auf den Verlagswebsites Ihrer Wahl – und bestellen und kaufen Sie beim Buchhändler in Ihrer Nähe.“

Kommentare

1 Kommentar zu "Der Buchhandel hat seiner Skurrilität abgeschworen"

  1. Branchenbeobachter | 31. Juli 2013 um 14:04 | Antworten

    Der Tante-Emma-Laden-Vergleich von Herrn Borsche hinkt. Die
    Tante-Emma-Läden sind untergegangen, weil sie dasselbe angeboten haben
    wie Aldi und Lidl, nur eben teurer! Bücher haben aber bekanntlich
    überall den selben Preis! Wenn der unabhängige Buchhandel in seinem
    Sortiment ausschließlich Stapelware anbietet wie die Filialisten, kann
    er am Ende nur den Kürzeren ziehen – sowohl gegenüber den Großflächen,
    als auch gegenüber dem Internet. Nicht umsonst macht das Internet den
    Filialisten am meisten zu schaffen. Warum soll ich einen Titel, zu dem
    ich nicht beraten werden muss (und dort auch nicht werde) in einer
    Buchhandlung kaufen, da ist das Internet doch bequemer. Keine Frage:
    Mischkalkulation muss sein! Aber ohne Exklusiviät in der Titelauswahl +
    Beratung und ohne Entdeckerfreunde hat der unabhängige Buchhandel keine
    Chance! Das hat nichts mit Skurrilität oder unökonomischem Denken zu tun.

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