buchreport

Debatte um rechte Literatur in White-Label-Shops

Die Zutaten sind simpel, die Suppe aber auch etwas dünn: Das Magazin „Buzzfeed“ hatte bereits Ende März einen Text über fragwürdige Literatur in White-Label-Shops der großen Barsortimente, beispielsweise bei Libri, aufgetan. Als Exklusivrecherche überschrieben, heißt es darin eher undifferenziert, der Buchhandel habe ein „ein Problem mit rechter Literatur“. Mehr noch: Die Recherche zeige, „wie menschenfeindliche Literatur in Deutschland über das Internet salonfähig gemacht wird und wie tausenden Buchhändler:innen in Deutschland dabei die Hände gebunden sind“.  

Auslöser der Aufregung ist die Tatsache, dass in den Barsortiments-Katalogen auch die Werke rechts orientierter Verlage gelistet sind und damit in den White-Label-Shopsystemen angeboten werden. Das sorgt im Buchhandel vereinzelt für Ärger, vor allem in solchen Buchhandlungen, die sich auch politisch und gesellschaftlich positionieren. 

Im „Buzzfeed“-Text werden stellvertretend für diese Kritik u.a. Danny und Sarah Lutzemann genannt, die in Halle die Buchhandlung Kohsie betreiben. Der Laden versteht sich nach eigener Aussage als aktivistisch: „Wir geben Werken und Autor*innen Sichtbarkeit, die feministische und intersektionale Perspektiven in Geschichten einbetten; die Diskriminierung und Privilegien reflektiert behandeln und so unser Lesen und unser Leben bereichern“, heißt es dort. Folgerichtig habe diskriminierende Literatur dort keinen Platz – eben ein Laden mit klarem Profil und Haltung, wie es sie in vielen Städten gibt. 

Großer Aufwand

Aus Sicht von Kohsie ist die Listung von bekannt rechtsnationalen oder rechtsextremen Verlagen wie Antaios mit Blick auf das Buchhandlungs-Profil mehr als nur ein Ärgernis. Regelmäßig ist das Team damit beschäftigt, die einzelnen Verlagstitel manuell im Libri-Shopsystem zu sperren. Die Kohsie-Forderung lautet daher: Libri solle die Arbeit vereinfachen und Buchhändlern ein technisches Feature zur Verfügung stellen, mit dem ganze Verlage auf einen Schlag gesperrt werden könnten.

„Bisher liegt die Arbeitslast beim Sortiment“, kritisiert Danny Lutzemann gegenüber buchreport. Man akzeptiere die „kaufmännische Entscheidung“ von Libri, auch rechte Verlage zu listen. Damit müsse Libri (wie auch jedes andere Barsortiment oder Unternehmen) selbst klarkommen. „Aber die Entscheidung, welche Titel wir zeigen wollen, die wollen wir selbst treffen.“ Aus Sicht von Lutzemann gelte: Rassismus sei keine Meinung. Und der Buchhandel sei einfach zu „gedankenlos“, wenn es darum gehe, solchen kritischen Inhalten die Bühne zu entziehen. „Das muss sich ändern.“ 

Was Autorin Jana Stäbener in ihrem Text beschreibt, ist allerdings kein Skandal. Vielleicht hat der „Buzzfeed“-Text bislang in den vergangenen Wochen auch deshalb keine größeren Kreise gezogen. Mittlerweile hat die Autorin ihn in verschiedenen anderen Medien platziert, darunter dem Münchner „Merkur“ oder auch der „Frankfurter Rundschau“.

Die Debatte gehört zudem in einen größeren Kontext: Schon rund um die Frankfurter Buchmesse war in der Branche in der Vergangenheit diskutiert worden, wie mit rechten Verlagen umzugehen sei, die sich auf der Messe präsentieren. In Frankfurt hatte man sich immer auf die Position des (Messe-)Marktführers zurückgezogen, dem es nicht zustehe, Verlage nach eigenem Gusto abzulehnen. Man sähe sich sonst Klagen ausgesetzt, hieß es zuletzt 2021. 

Jutta Ditfurth fordert Ausschluss von rechten Verlagen

Offener Brief

Im Rahmen der Leipziger Buchmesse erneuerten die Kritiker ihre Position jetzt über einen Offenen Brief, der an Libri adressiert ist. Zu den Unterzeichnern gehören fast 50 Buchhandlungen aus Deutschland:

„Es entspricht ganz und gar nicht den Werten unserer Buchhandlungen, der menschenfeindlichen Literatur der Verlage, die u.a. von der Bundeszentrale für politische Bildung dem rechten Spektrum zugeordnet werden, Sichtbarkeit in unseren Verkaufsräumen zu geben. Dort lehnen wir den Handel mit dieser Art von Literatur konsequent ab. Das gleiche Prinzip wollen wir auch in unseren Webshops widerspiegeln und durchgängig anwenden. Diesem Anspruch steht die derzeitige Praxis der von Libri und eBuch (mit „genialokal“) in Dienstleistung angebotenen White-Label Webshoplösung entgegen, welche derzeit von rund 1.300 Buchhandlungen zur Teilnahme am Onlineverkauf in Anspruch genommen wird.“

Dass in den Onlineshop-Systemen der Barsortimente allerhand Bücher gelistet sind, die Randbereiche eines gesellschaftlichen Konsens‘ erreichen oder teilweise überschreiten, ist unschön, aber nicht ungewöhnlich. Dieses Phänomen ist auch nicht auf den Buchhandel beschränkt, Amazon schlägt sich in erheblich größerem Maßstab mit unerwünschten Produkten von Drittanbietern herum. 

Aus Sicht der Verfasser sei aber ärgerlich, dass man mit der Kritik bisher nicht auf offene Ohren gestoßen sei. Im Offenen Brief heißt es weiter:

„Der ewige Verweis auf Meinungsfreiheit, den sich auch Libri und eBuch immer wieder zu eigen macht, ist billig. Und in der inflationären Nutzung in unserer Branche, um sich mit Kritik einfach nicht auseinandersetzen zu müssen, unverschämt und sogar schädlich für die Meinungsfreiheit, weil dann z.B. echte Angriffe darauf nicht mehr erkannt werden.

Verweis auf Rechtslage

Bei Libri verweist man dagegen auf die Rechtslage. „Bei der Aufnahme der Titel in unseren Katalog richten wir uns nach der geltenden Gesetzgebung. Titel, die nicht gegen Gesetze verstoßen oder die Rechte Dritter verletzen, können gelistet werden. Ein Ausschluss vom Vertrieb von Verlagsprogrammen oder von Teilen ihrer Verlagserzeugnisse obliegt in einem Rechtsstaat den Gerichten und nicht einzelnen Wirtschaftsakteur*innen.“ Und weiter: „Eine gesonderte Titelselektion hieße, eigene Bewertungskriterien über erlaubte Inhalte zu definieren. Diese weitreichende Entscheidung lässt sich auch nicht auf Grund rein formaler Kriterien wie der Zuordnung von Content zu einem Verlagshaus treffen. Eine solche Form der Kontrolle von Meinungsäußerung kann und darf nicht die Aufgabe des Buchgroßhandels sein.“

Libri, aber auch andere Barsortimente, haben längst die Möglichkeit geschaffen, einzelne Titel zu entfernen. „Eine aktuelle Auswertung unter den Nutzenden der White Label Shop-Lösung ergab, dass bisher 1,1 % der Buchhandlungen im Schnitt 350 Titel vom Verkauf in ihrem Onlineshop ausschließen“, teilt Libri mit. Das ist allerdings immer noch ein ganz schöner Arbeitsaufwand, der sich durch eine andere Form der Sperrung nach Verlagen deutlich vereinfachen ließe. „Wir prüfen und diskutieren darüber hinaus intern auch die Möglichkeit einer Verlagssperrung“, heißt es dazu bei Libri. Doch die Nachfrage der Buchhandlungen nach diesem Feature sei bisher „nur sehr gering“. 

Ob es daran liegt, dass auch die Nachfrage nach solchen rechten Verlagen und Büchern beim Publikum nur gering ist und daher gar kein „Leidensdruck“ existiert? Das lässt sich nur schwer sagen. Ob allein diese Tatsache genügt, um zu der Wertung zu gelangen, die Buchbranche als Ganzes habe ein „strukturelles Rassismusproblem“ (wie es Lutzemann formuliert)?  

Ständige Kontrolle

Libri verweist auf eigene Bemühungen: Man gehe konkreten Hinweisen auf Texte mit rechtswidrigen, z.B. Holocaust-leugnenden oder volksverhetzenden Inhalten nach und prüfe den entsprechenden Content auf seine Vereinbarkeit mit den gesetzlichen Vorschriften (z.B. dem Jugendschutz). „Wir verfolgen die Publikationen der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz und überprüfen unser Angebot kontinuierlich im Hinblick auf als eindeutig jugendgefährdend eingestufte Medien, deren Produktbeschreibungen wir zur Kontrolle heranziehen. Sind solche Titel im Besorgungsangebot geführt, erfolgt eine Auslistung.“

Andererseits nehme Libri seine „Verantwortung für Meinungsfreiheit und Vielfalt im Buchmarkt somit ebenso ernst wie den Ausschluss von rechtswidrigen Inhalten“.  Und weiter: „Bei der Aufnahme der Titel in unseren Katalog richten wir uns nach der geltenden Gesetzgebung. Ausschließlich Titel, die nicht gegen Gesetze verstoßen oder die Rechte Dritter verletzen, können gelistet werden.“

Für den Moment prallen hier zwei Haltungen aufeinander: Der Wunsch nach einem „sauberen“ Online-Angebot und der Verweis auf die rechtliche Situation. Die schnellste Lösung wäre die Bereitstellung der „One-Click-Verlags-Sperrung“, die eigentlich technisch problemlos zu integrieren sein müsste und jede Buchhandlung in die Lage versetzen würde, ihr eigenes Profil auch im Online-Shop zu bewahren. Libri betont allerdings, dass ein solche Änderung am Shopline-System „mit einem hohen Entwicklungsaufwand verbunden“ wäre. „Diese Herausforderung haben wir auch in persönlichen Gesprächen versucht, deutlich zu machen“, teilt Libri mit. „Wir arbeiten bereits unabhängig von der aktuellen Diskussion an der Weiterentwicklung unserer Buchhandelssysteme. Ziel ist, die Verzahnung des stationären Sortiments und des Online-Sortiments weiter voranzutreiben. Die Entwicklung wird aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Als Partner des Buchhandels verstehen wir den Wunsch, das eigene Online-Sortiment individuell anpassen zu können, sehr gut. Wir stehen daher auch stets für einen offenen Dialog zur Verfügung und werden auch den persönlichen Austausch weiterhin suchen, um gemeinschaftlich unsere Buchhandelslösungen weiterzuentwickeln.“

Für den Moment sieht es so aus, als sei das Problem nicht schnell aus der Welt zu schaffen. 

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