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Clash der Preiskulturen

Im Jahr acht, nachdem Amazon mit dem Kindle-Programm das digitale Lesen neu erfand, herrscht auf der Weltkarte der digitalen Buchmärkte die größtmögliche Uneinheitlichkeit. Da gibt es digitale Weltmächte wie die USA und Großbritannien, in denen Ebooks den Markt vorantreiben. Daneben ähnlich strukturierte Buchmärkte wie in Deutschland, in denen digitale Bücher bislang aber nur bestenfalls einzelne Genres befeuern. Und digitale Schwellenländer wie Frankreich, wo Kindle und Co. unterentwickelt bleiben, ohne Perspektive auf neues Wachstum. „Die frühen Wachstumsprognosen fußten eher auf der Fantasie von Marketingleuten als einer Realität von Märkten und Verbrauchern“, schlussfolgert Rüdiger Wischenbart in seinem jüngsten Update der Studie „Global eBook“.

Deutsche Bestseller doppelt so teuer wie britische

Besonders in Kontinentaleuropa sei der Zuwachs des digitalen Geschäfts auf dem Niveau eines niedrigen einstelligen Marktanteils beinahe zum Stillstand gekommen, so der Buchmarkt-Analyst, Berater und Journalist in seiner 250-seitigen Analyse. Was sind die Ursachen für das frühe Abflachen der Wachstumskurven? Neben dem Festhalten an hartem Kopierschutz und dem Florieren der Piraterie erkennt Wischenbart besonders für Frankreich und Deutschland einen Clash der Preis-Kulturen als Ursache: Auf diesen Märkten der fixen Preise und der Praxis der meisten Verlage, ihre Ebooks nach Maßgabe der Printausgaben zu bepreisen, führe dies zu einer „Diskrepanz oder gar Konfrontation“ der Preise, zwischen der alten Welt der Verlage und der neuen Welt der digitalen Leser, was sich mit den Erkenntnissen von Hugh Howey für den US-Markt deckt:

  • In Großbritannien lag der Durchschnittspreis von digitalen Belletristik-Bestsellern laut Wischenbart im Februar 2015 bei 8,45 Euro, nahe bei den Preisen in Spanien (9,87 Euro) und Italien (7,99 Euro).
  • In Frankreich (13,88 Euro) sowie insbesondere in Deutschland (16,59 Euro) herrscht dagegen weiterhin die Politik der hohen Preise.
  • In Schweden und den Niederlanden hat unter den Verlagen ein Umdenken stattgefunden, was sich in sinkenden Preisen niederschlägt.

Für andere Länder identifiziert die Studie primär strukturelle Faktoren, die den digitalen Markt ausbremsen:

  • In Skandinavien seien es anfangs nur die Bibliotheken und nicht der Ecommerce gewesen, die das digitale Lesen vorangetrieben hätten, perspektivisch könnten dort Streaming-Anbieter den Markt aufrollen.
  • In kleineren Ländern Zentral- und Osteuropas gebe es hohe Markteintrittsbarrieren; die erforderlichen Investitionen überforderten oft die nationalen Marktakteure, die ihren Aufwand nur schwer refinanziert bekämen. Die Leser griffen daher immer häufiger zu fremdsprachigen Büchern.

Abomodelle mit disruptivem Potenzial

Neben detaillierten Kapiteln zu einzelnen Märkten widmet sich die Studie auch den großen übergreifenden Themen. Dazu zählt neben Amazons Marktmacht, Piraterie und Kopierschutz auch das Aufkommen alternativer Abo-Geschäftsmodelle. Sollten diese sich durchsetzen, könnten Anbieter wie Scribd, Oyster und Skoobe perspektivisch den gesamten Markt neu gestalten, ähnlich wie es Amazon mit dem Kindle-Programm zumindest teilweise gelungen ist.

Kommentare

1 Kommentar zu "Clash der Preiskulturen"

  1. Für die USA ist inzwischen allerdings aufgefallen, dass die Erhebungen zunehmend unzuverlässig werden, weil sie nur Bücher mit ISBN erfassen, deren Anteil am Buchmarkt aber im Zuge des Wachstums der Anteile von Selbstverlegern rapide sinkt. Dieser Effekt ist so stark, dass die Erhebungen inzwischen als statistisch wertlos gelten können. Wie steht es diesbezüglich in Deutschland um die angewandte Datengrundlage?

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