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750 Abos und viel Skype

Stefan Tobler (Foto) hat viel zu tun. Gerade hat der Engländer Charlotte Links Roman „Der Beobachter“ ins Englische übersetzt, das zweite Buch der deutschen Erfolgsautorin, das bei der Hachette-Tochter Orion Books erscheinen wird. Und wenn er nicht übersetzt – der Sohn eines Schweizers und einer brasilianischen Mutter spricht nicht nur fließend Deutsch, sondern auch Portugiesisch –, hält ihn sein 2011 gegründeter Verlag And Other Stories (www.andotherstories.org) auf Trab, der in Großbritannien wegen seines ebenso ungewöhnlichen wie erfolgreichen Konzepts auch außerhalb der Buchbranche auf große Aufmerksamkeit gestoßen ist.

Sechs Neuerscheinungen veröffentlicht And Other Stories im Jahr, eine Mischung aus englischsprachigen Originalausgaben und Übersetzungen literarischer Titel aus aller Welt; zu den ersten Büchern gehörte Clemens Meyers 2008 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichneter Roman „Die Nacht, die Lichter“ („All the Lights“).

So international wie das Programm ist And Other Stories auch personell aufgestellt: Cheflektorin Sophie Lewis zum Beispiel lebt und arbeitet in Rio de Janeiro. Der Kontakt wird über regelmäßige Skype-Konferenzen gehalten. Und die „Scouts“, die Tobler und Lewis auf interessante internationale Titel aufmerksam machen, stammen aus Deutschland, Griechenland, Frankreich, Polen, Russland und vielen anderen Ländern. Es handelt sich um internationale Reading Groups, Lesekreise, die Tobler und der Verlag seit 2011 aufgebaut haben.

Dieses Netzwerk liefert die Basis für das Verlagsprogramm. Die Mitglieder lesen und diskutieren Bücher, deren englische Übersetzungsrechte noch nicht verkauft wurden, in der Landessprache und empfehlen Bücher, die besonders gut ankommen, nach England weiter. Über Reading Groups in Lateinamerika wurde Tobler zum Beispiel auf „Down the Rabbit Hole“ des Mexikaners Juan Pablo Villalobos aufmerksam, der es prompt auf die Auswahlliste des „Guardian First Book Award“ geschafft hat.

Deutsche Reading Groups mischen mit
Derzeit gibt es zwei deutsche Reading Groups, eine in London und eine in Berlin, die von der Übersetzerin Katy Derbyshire initiiert worden ist. Beide lesen in diesem Winter die gleichen drei Bücher:
  • „Sturz der Tage in die Nacht“ von Antje Rávic Strubel (S. Fischer)
  • „Die Alarmbereiten“ von Kathrin Röggla (S. Fischer)
  • „Die Stunde zwischen Hund und Wolf“ von Silke Scheuermann (Schöffling).
Im Gegensatz zu vielen Branchen-Start-ups, die in letzter Zeit auch in Deutschland aus dem Boden geschossen sind, wird And Other Stories, dessen Aufbau das Kultur­institut Arts Council mit 30.000 Pfund bezuschusst hat, nicht primär digital gesteuert. Alle Bücher erscheinen parallel gedruckt als Klappenbroschur und als E-Book (Kindle und Epub mit DRM) und kosten in beiden Formaten einheitlich 10 Pfund.

Tobler hat nichts gegen E-Books, doch für den wirtschaftlichen Erfolg seines Verlags spielt Print eine Schlüsselrolle, denn er setzt auf ein Subskriptionsmodell, das neben den Vertriebskanälen stationärer Buchhandel und Online-Shops eine  weitere sehr wichtige, weil kalkulierbare Einnahmequelle darstellt. Interessenten können zwischen drei Angeboten wählen (Versandkosten innerhalb der EU sind immer eingeschlossen):

  • Zwei Bücher im Jahr für 20 Pfund.
  • Vier Bücher für 35 Pfund.
  • Sechs Neuerscheinungen für 50 Pfund.
Abonnenten erhalten eine nummerierte Erstausgabe mit einem Vorlauf von zwei bis drei Monaten vor der regulären Handelsausgabe. Außerdem werden sie in jedem Buch namentlich in einem Anhang erwähnt. 750 Abonnenten werden mittlerweile regelmäßig bedient, ihre Zahl steigt stetig.

Der Erfolg von Deborah Levys Roman „Swimming Home“, der 2012 auf der Shortlist das Man Booker Prize for Fiction stand und gerade in der deutschen Übersetzung „Heim schwimmen“ bei Wagenbach er­schienen ist, hat die Abonachfrage „nachhaltig angekurbelt“, beobachtet Tobler. Knapp 70000 Exemplare wurden insgesamt bislang von der gedruckten Version des Romans verkauft, dessen Mass-Market-Ausgabe And Other Stories im Verbund mit Faber veröffentlicht hat. Das E-Book liegt derzeit bei knapp 15000 Downloads.

Anja Sieg

Kommentare

1 Kommentar zu "750 Abos und viel Skype"

  1. Leander Wattig | 8. März 2013 um 3:09 | Antworten

    Spannendes Start-up!

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