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Den Podcast aus der Nische holen

Viertausendhertz ist Deutschland erstes Podcast-Label. Warum das Geschäft mit Podcasts auch in Deutschland aussichtsreich ist, erklärt Gründer Nicolas Semak (Foto: Julia Zimmermann) im buchreport-Interview. 
Besonders in den USA feiern Podcasts Furore. Wie weit ist die deutsche Szene im Vergleich dazu?
Erstmal ist zu sagen, dass die Szene in den USA ganz anderen Voraussetzungen unterliegt: Spenden- und werbefinanziertes Radio hat dort eine lange Tradition und die neuen US-Podcasts konnten da ansetzen und so schnell ein großes und loyales Publikum finden. In allen Bereichen entstehen dort derzeit neue Podcasts. In Deutschland gibt es auch schon lange eine ziemlich lebendige aber dennoch sehr kleine Szene. Die deutschen Podcaster senden innerhalb einer Nische, werden wiederum von anderen Podcastern oder szeneaffinen Menschen gehört. Eines der Anliegen von Viertausendhertz ist es auch, den Podcast aus dieser Nische zu holen. Dies möchten wir durch inhaltliche Vielfalt als auch durch eine professionelle Produktion erreichen.
Sind die deutschen Radiosender zu gut – weshalb es deutsche Podcasts bislang schwer hatten?
In der Tat wird in Deutschland auf extrem hohem Niveau Radio gemacht. Für die öffentlich-rechtlichen Sender zahlen wir ja auch alle, was ich völlig in Ordnung finde, denn ihren Informationsauftrag will ich gar nicht missen. Hinzu kommen die vielen privaten Radiostationen überall im Land. Lange schien es so, als sei der Bedarf an Audioproduktionen damit gedeckt. Wir glauben allerdings, dass in vielerlei Hinsicht die deutschen Radiosender auch festgefahren sind – vor allem in den Langstrecken. Neues fällt oft schwer. Begriffe wie Personalisierung, Storytelling und so weiter sind in den deutschen Radioredaktionen noch seltene Begriffe.
Was fehlt der deutschen Szene noch?
Tatsächlich gibt es ja schon total viele tolle deutsche Podcastproduktionen. Viele Podcaster sind sehr engagiert und machen schöne Formate, allerdings meist in Form von lockeren Gesprächsrunden oder Interviews. Wir wünschen uns mehr erzählerische, aufwendige Formate, die mit mehr Klang und all den Stilmitteln spielen, die im Audiobereich möglich sind. Ich ganz persönlich denke, dass sich noch mehr Radioprofis im Podcastmachen ausprobieren könnten. Insgesamt wünsche ich mir mehr inhaltliche und formale Vielfalt.
Es gab zwischenzeitlich eine Flaute, Apple hat Podcasts vernachlässigt, große Medien stellten Podcasts ein, doch seit einigen Jahren floriert das Medium wieder, es haben sich große Podcast-Netzwerke in den USA etabliert, die Werbeindustrie zieht mit. Wie erklären Sie diesen Aufschwung?
Das hat verschiedene Gründe: Zum einen technische – es war nie einfacher Podcasts zu laden und zu hören und die Smartphone-Verbreitung steigt weiter. Dann gibt es in den USA derzeit eine starke Abwanderungsbewegung vom Public Radio zu kommerziellen Podcastproduktionen. Die Leute haben in den neuen Medienunternehmen wie Gimlet Media einfach mehr Freiheiten und werden wohl auch besser bezahlt. Und die Werbeindustrie kommt nun auch langsam in Fahrt und erkennt, dass Podcasts ein gutes Werbeumfeld darstellen: Die Zielgruppe ist sehr spitz und wertvoll – akademisch gebildet und weder zu jung noch zu alt – außerdem auch sehr loyal. 
Sie bieten ausschließlich Eigenproduktionen an. Wie finanzieren Sie Ihr Unterfangen?
Zunächst möchte ich sagen, dass meine drei Mitgründer und ich mit vollen Risiko in unsere Idee gegangen sind: Wir haben keinen Investor oder ähnliches an Bord, sondern sind selbst finanziell in Vorleistung gegangen. Wir empfinden diese Herangehensweise als einen für uns notwendigen Garant für maximale Entscheidungsfreiheit. Das Geschäftsmodell selbst basiert aktuell auf Sponsoring. Zu Beginn ist exklusiv der führende Hörbuchanbieter Audible dabei. Konkret heißt das: Für eine gewisse Zeit wird nun in jeder Folge eines Viertausendhertz-Podcasts vom Host auf den Sponsor hingewiesen, einmal am Anfang und einmal am Ende. Dabei achten wir natürlich genau auf eine rechtlich korrekte Trennung von Inhalt und Werbung. Der Moderator / Host sagt, dass er nun kurz über unseren Sponsor spricht und dieser Teil wird noch durch einen akustischen Trenner abgehoben. Diese Werbeform ermöglicht uns das kostenlose Anbieten unserer Produktionen für die Hörer. Wir halten uns aber offen, irgendwann vielleicht einmal auch über Membership-Modelle oder Live-Events nachzudenken.
Bei den Verlagen sind es derzeit vorwiegend Fach- bzw Special Interest-Verlage, die Podcasts anbieten. Sehen Sie ein größeres Potenzial für Publikumsverlage (seien es Presse- oder Buchverlage)?
Definitiv. Podcasts sind ja grundsätzlich ein tolles Medium, das sich für viele Einsatzbereiche eignet. Die Vertonung des geschriebenen Wortes ist dabei ja nur ein denkbares Einsatzgebiet. Der Podcast zu einer Buchveröffentlichung könnte zum Beispiel auch, analog zu den Extras auf DVDs, ein Interview mit dem Autor beinhalten oder sogar eine Art auditives Making-Of. Es gibt da keine Grenzen.
Suchen Sie Kooperationen?
Wir sind ständig auf der Suche nach geeigneten Werbepartnern. Auch interessierte Medienpartner dürfen sich sehr gerne bei uns melden. Und Radioautoren sowieso. Unsere Ohren sind grundsätzlich immer offen.
Wo steht Ihr Label idealerweise in einem Jahr?
Es wäre toll, wenn Viertausendhertz es in einem Jahr geschafft hätte eine gute Stammhörerschaft aufzubauen, in der sich auch ein paar HörerInnen befinden, die vorher noch nichts mit Podcasts anfangen konnten. Außerdem wäre es natürlich toll, wenn unser Geschäftsmodell insoweit tragfähig wäre, dass alle Beteiligten davon leben können. Bisher arbeiten wir ja zum Teil noch zusätzlich in unseren alten Berufen weiter.
Was sind Ihre 3 Lieblingspodcasts?
Das ist gar nicht einfach. Es gibt so viele tolle Sachen. Zunächst will ich mal den US-Podcast Startup nennen, produziert von Gimlet. In der ersten Staffel zeichnet Alex Blumberg ja die Gründung von Gimlet nach – und es wäre gelogen zu sagen, das hätte uns nicht inspiriert – sowohl was die Unternehmensgründung selbst angeht, als auch die Machart des Podcasts. Wobei wir letztendlich natürlich doch ein ganz anderes Unternehmen geworden sind.

Des Weiteren höre ich sehr gerne die Reihe „The Heart“, die als Radiosendung startete, sich auf schöne Weise mit sensiblen, intimen und menschlichen Themen beschäftigt und seit 2012 als Podcastprojekt auf der generell sehr empfehlenswerten Plattform Radiotopia zu finden ist.

Im deutschen Bereich fallen mir als erstes die Reportagen von Philip Banse im Rahmen des Küchenradios ein. Philip ist ein erfahrener Radiomensch und hat ein wirkliches Talent, die HörerInnen auf seine Ausflüge erlebbar mitzunehmen.

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