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Zum Wachstum gezwungen

Nach ruhigen Jahren sind aktuell einige Fusionen, Übernahmen und Börsengänge in der Branche zu beobachten: Penguin Random House auf dem internationalen Buchmarkt, hierzulande Ganske/ADAC, Thalia/Orell Füssli sowie Springer SBM und Lübbe. Der Unternehmensberater Axel Bartholomäus (Bartholomäus & Cie. GmbH & Co.KG) analysiert die gemeinsamen Motive.
Derzeit gibt es zahlreiche Börsengänge, Übernahmen und Schulterschlüsse in der Branche. Sehen Sie einen gemeinsamen Nenner?
Verwandte Hintergründe sehe ich bei Ganske/ADAC, Penguin Random House und Thalia/Orell Füssli. Der gemeinsame strategische Treiber für diese Deals ist die starke Zunahme des Online-Buchhandels, die Marktmacht von Amazon. Diese zwingt sowohl den stationären Buchhandel als auch die Buchverlage zu forciertem Wachstum durch Akquisitionen und Fusionen, um Skalenvorteile zu realisieren und Marktpositionen zu festigen. Grundsätzlich unterliegen die Fach- und Wissenschaftsmedien ebenfalls dem Zwang zur Digitalisierung und Globalisierung. Springer Science + Business Media wäre sicher ein geeigneter Börsenkandidat gewesen, wenn auch mehr als Dividenden- denn als ein Wachstumstitel. Allerdings erlaubt nur ein Verkauf der Gruppe ihren bisherigen Inhabern, sofort „Kasse zu machen“. Dass als Käufer dabei der mittlerweile dritte Finanzinvestor auftritt, spricht auch eine deutliche Sprache: Offensichtlich waren strategische Investoren angesichts der sehr anspruchsvollen Kaufpreisvorstellungen schon früh aus dem Rennen. Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich für BC Partners das Investment letztlich rechnet. 
Und der Börsengang von Bastei Lübbe? 
Lübbe erhält durch den Börsengang Zugang zu neuen Investorengruppen und kann damit seine erfolgreiche Wachstumsstrategie leichter fortführen. Der Börsengang bringt für Lübbe aber auch einschneidende Veränderungen mit sich: Die Geschäftszahlen, lange ein gut gehütetes Geheimnis, müssen regelmäßig publiziert werden, Börsengang und Börsennotiz sind mit Kosten verbunden, Investoren können versuchen, Einfluss zu nehmen. Eine langfristige strategische Aufstellung und das Erfordernis von kurzfristigen Quartalszahlen lassen sich selten vereinbaren. Aber per Saldo überwiegen die Vorteile für Lübbe.
Lübbe erklärt, Börsengänge würden für den Mittelstand interessanter, weil die Bankenfinanzierung schwieriger wird. D’accord?
Natürlich ist für ein Unternehmen mit Wachstumsambitionen der Zugang zu Eigenkapital sehr hilfreich. Die Finanzierung des Geschäftsmodells „klassischer Buchverlag“ mit seinen inhärenten Risiken war schon immer nicht einfach, und daneben werden die Banken auch ganz allgemein restriktiver in der Kreditvergabe, die Anforderungen speziell an mittelständische Kunden steigen. Allerdings sind die Anforderungen des Kapitalmarkts an Unternehmen, die einen Börsengang planen, sehr hoch. Daher bleibt abzuwarten, ob auch andere Verlage diesen Weg gehen können. Lübbe wird hier mit Sicherheit Modellcharakter haben.
Passt die Quartalsdenke zu einem Buchverlag?
Ein Börsengang bringt einschneidende Veränderungen mit sich, muss also gut überlegt sein. Die Geschäftszahlen, lange Zeit ein gut gehütetes Geheimnis, werden öffentlich, müssen sogar regelmäßig publiziert werden. Eine langfristige strategische Ausrichtung und das Erfordernis kurzfristiger Quartalszahlen lassen sich für das Unternehmen selten wirklich vereinbaren, das gilt natürlich auch für Buchverlage. Aber per Saldo überwiegen die Vorteile für Lübbe.
In den vergangenen Jahren war der M&A-Bereich bei den Buchverlagen ruhig. Hat sich das Investitionsklima verbessert?
Die M&A-Aktivität hängt schon immer sehr eng mit dem allgemeinen wirtschaftlichen Umfeld zusammen. Läuft die Konjunktur gut, werden Investitionen getätigt, auch in Übernahmen. Gleichzeit ist ein Verlag natürlich besser zu verkaufen, wenn die Zahlen stimmen und der Verkäufer nicht unter Druck ist. In einer Wirtschaftskrise ziehen sich Käufer wie Verkäufer gleichermaßen eher zurück. Wie schon erwähnt ist momentan der strategische Druck auf Buchverlage und Buchhandel sehr hoch, während das Investitionsklima vergleichsweise günstig ist. Es verwundert also nicht, wenn jetzt mehr Bewegung im Markt ist. Verglichen mit anderen Segmenten der Verlagsbranche liegen die Buchverlage (wie auch der Buchhandel) nach Anzahl der Übernahmen und Beteiligungen pro Jahr aber schon seit Jahren im oberen Mittelfeld. Wesentlicher Hintergrund dafür ist aber auch, dass dieses Marktsegment historisch bedingt sehr fragmentiert ist, es gibt eben eine Vielzahl kleiner und kleinster Buchverlage, da sind Konzentrationstendenzen völlig normal. Außerdem haben Käufer und Verkäufer natürlich auch andere Motive wie z.B. familiäre Nachfolgeregelungen, die teilweise schon lange überfällig waren. Interessant ist auch die Beobachtung im stationären Buchhandel, dass heute deutlich weniger Buchhändler von größeren Gruppen übernommen werden als noch vor fünf Jahren, während gleichzeitig die Zahl der Übergaben an Mitarbeiter stark zunimmt.
Axel Bartholomäus
hat seine Beratungsfirma Bartholomäus & Cie. 2006 gegründet. Der frühere Banker und spätere Leiter Mergers & Acquisitions (M&A) der WEKA-Firmengruppe hat mehr als 60 M&A-Transaktionen auf der Kauf- und Verkaufsseite abgewickelt.

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