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Zeit der Experimente

Die Offensiven der US-amerikanischen Wettbewerbshüter gegen mögliche Absprachen zur Preisbindung durch Agency-Verträge hinterlassen bereits Spuren: Amazon und andere Shops liefern sich beim Verkauf von E-Books schon wieder harte Preiskämpfe. In der Komfortzone der Preisbindung setzen die meisten Verlage dagegen noch auf vergleichsweise hohe Preise:
  • Während in Italien und Spanien bei den Bestsellern Preisabschläge zwischen 35 und 45% gegenüber der Hardcover-Ausgabe die Regel sind, senken deutsche Verlage die Preise für die E-Book-Ausgaben in der Top 10 der SPIEGEL-Belletristik-Bestseller um gerade einmal 17% im Schnitt.
  • buchreport-Korrespondent Rüdiger Wischenbart hat im Rahmen einer Analyse der internationalen E-Book-Märkte für die digitale Beletage der deutschen Bestseller einen Durchschnittspreis von 14,79 Euro ermittelt.
Doch die Verlage könnten sich aber bald gezwungen sehen, ihre Preisschrauben zu lockern.   

In die Bestsellerrankings ziehen immer mehr Selfpublishing-Autoren ein, die ihre Titel weitaus günstiger anbieten (können) als Verlage. Da solche Lis­ten nicht nur in der Print-, sondern auch in der digitalen Welt ein zentrales Marketinginstrument sind, führt der direkte Weg dorthin primär über niedrige Preise. 10 Euro scheint ohnehin eine Preisschwelle zu sein, jenseits derer es weitaus schwieriger wird, Bestseller zu landen – auf den aktuellen buch.de– und Kindle-Bestsellerlisten von Amazon liegen jeweils 13 der Top-20-Titel unter 10 Euro. Und bei allen guten betriebswirtschaftlichen Gründen der Verlage für hohe Preise: Für den Kunden, der in den umfangreichen internationalen Titelkatalogen der Shops sucht, ist die oft viel günstigere englische Ausgabe nur einen Klick entfernt.

Die Preise geraten also auch hierzulande zunehmend unter Druck. Doch die Verlage sind gut beraten, darauf nicht, wie anfangs oft praktiziert, mit modifizierten Faustregeln (Hardcover – 20% = digital), sondern mit noch mehr Experimenten zu reagieren. Wo liegen die Preispunkte für einzelne Genres? Zahlen sich Niedrigstpreisaktionen dadurch aus, dass die Zielgruppe (auch für teurere Titel) erweitert wird? Von der Experimentierfreudigkeit der Verlage hängt am Ende ab, wie schnell der deutsche E-Book-Markt aus der Nische kommt.

Kommentare

6 Kommentare zu "Zeit der Experimente"

  1. Nur, damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich habe gar nichts gegen günstige eBooks und natürlich ist der Preis eine der Säulen des Marketing-Mix. Nur wenn ich die Überschrift „Zeit für Experimente“ lese, erwarte ich einen Vorschlag für Innovation oder eine neue Idee. Und es wird wohl kaum einer hier behaupten wollen, dass „Preis senken“ eine Innovation ist.

    Thomas Diehl: Ja, da haben Sie natürlich recht. Ich wollte damit jedoch aufzeigen, dass die Hürde zum eBook ungleich höher ist als die zur Printausgabe.

    Ruprecht Frieling (Prinz Rupi): Ganz im Gegenteil! Ich bin absolut bei Ihnen, wenn es darum geht, das man mit niedrigeren Preisen evtl. viel mehr Gewinn machen kann und darüber nachdenken sollte. Nur macht ein günstiger Preis aus einer schlechten Lösung keine gute.

  2. „Printausgabe kaufen > aufschlagen > lesen“
    Nunja, nach den Maßstäben, wie sie den eBook-Kauf schildern müsste da aber auch das Lesenlernen sowie selbstverständlich die Lieferzeit inbegriffen sein. Denn zumindest auf meinem Computer musste ich das Leseprogramm nicht bei jedem Buch erneut installieren.
    Und wann genau muss ich denn „entscheiden, ob ich es in der Bibliothek registrieren möchte“, ein solcher Vorgang ist mir bisher weder bei Adobe-Systemen, noch beim Kindle untergekommen.

    Was die Bezahlung angeht: Für ein selbstverlegtes eBook zum Preis von 2,99 € erhalte ich 2,06 €. Um diesen Verdienst mit einem verlagspublizierten Papierbuch zu erhalten muss es je nach Vertrag 20-24 € kosten. Natürlich gibt es dafür einen Gegenwert, es ist aber für den Autoren die Frage, ob dieser den Preis von 90% jedes verkauften Buches wert ist.

  3. Bite nicht noch mehr Müll für den armen Leser, Herr Frieling. Leser suchen Verlage, nicht Verlage Autoren gg. Cash.

  4. Ruprecht Frieling (Prinz Rupi) | 2. Oktober 2012 um 15:06 | Antworten

    @marmalade.de: Das klingt immer so, als ob mit Niedrigpreisen kein Geld zu verdienen sei, Diese Unterstellung jedoch zeugt von absoluter Unterschätzung des Marktes. Nika Lubitsch, die aktuelle Amazon-Nummer 1, verkauft derzeit pro Woche rund 5.000 Exemplare ihres Buches zu € 2,99. Bei 70 Prozent Honorar macht das rund € 40.000 pro Monat (!!!) aus. Dafür dürfte es sich schon lohnen, einen starken Krimi zu schreiben – und der »begrenzte« Kunde (welche Hypbris!) anerkennt die Leistung der Autorin, indem er kauft und kauft und kauft …

  5. Glauben Sie wirklich, dass der Preis beim Vertrieb von eBooks das Haupthemmnis ist?
    @Ruprecht Frieling: Das beweißt sich damit eben nicht!

    „Günstig“ kann ein Argmuent für den Kauf sein. Aber jedem dürfte klar sein, dass ein gutes Werk sicht nicht von alleine schreibt. Halten Sie ihre Käufer bitte nicht für so begrenzt, dies nicht auch zu erkennen.

    Ich habe mich im Rahmen der Entwicklungen für ocelot.de mit dieser Thematik ausführlich auseinander gesetzt und festgestellt, wie umständlich und technisch das ganze Handling ist.

    Printausgabe kaufen > aufschlagen > lesen

    eBook kaufen > nötige Software laden > installieren > Account (zum Beispiel bei Adobe) anlegen > eBook laden > Entscheiden ob man es in der Bibliothek registrieren möchte > lesen Fällt ihnen etwas auf?

    Und wenn ich jetzt etwas zitieren möchte, muss ich es abtippen?
    Mit den kompliziertesten Vorgängen werden den eBooks all die Vorteile,
    die sie in einen fairen Wettbewerb mit der Printausgabe bringen würden,
    systematisch genommen.

    Das kann nicht die Zukunft des Lesens sein!
    Schaffen Sie mit den Verlagen und Autoren Angebote die attraktiv sind, die Spaß auf Lesen und Inhalte machen und eben nicht den Leuten vorbehalten bleiben, die sich gerne mit Technik beschäftigen. Wenn Sie diese ganzen Aufgaben gelöst haben, DANN sollten Sie sich Gedanken machen, welchen Preis solch ein Angebot haben kann.

  6. Ruprecht Frieling (Prinz Rupi) | 2. Oktober 2012 um 10:23 | Antworten

    E-Book-Preise sind Instrumente des Marketing. Daran beweist sich auch, wer am E-Commerce teilhaben will oder nicht. Die Self-Publisher machen es vor und zeigen, dass auch mit kleinen Preisen bis € 2,99 viel Geld verdient werden kann. Etablierte Verlage müssen schnell nachziehen, wenn sie am Markt teilnehmen wollen, sonst …

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