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Wolfgang Tischer: Den alten Mann bitte nicht mehr!

Wolfgang Tischer: Den alten Mann bitte nicht mehr!

Wer kam auf die bescheuerte Idee, Wolfgang Herles eine Literatursendung moderieren zu lassen? Zusammen mit Christine Westermann hatte er schon einmal bewiesen, dass man Bücher verschnarchter nicht präsentieren kann. Nach Ulrich Wickert wieder einer dieser eitlen selbstgerechten Medienmänner, die an Büchern scheitern. Gebt Elke Heidenreich Schlaftabletten und Tranquilizer und heraus kommt ein Herles.

Und wie unoriginell ist es, Interviews mit Schriftstellern an ungewöhnlichen Orten zu führen! Das macht schon Denis Scheck und der macht es wunderbar witzig, erfrischend und 1.000 Mal besser als dieser ZDF-Dino Herles. Wenn Scheck »Druckfrisch« ist, ist Herles »Altpapier«.

Wenn mir im Straßencafé Leute mit Sonnenbrille gegenübersitzen und sich mit mir unterhalten, dann ist das mehr als unhöflich und unsensibel. Wolfgang Herles begrüßt sogar seine Zuschauer mit Sonnenbrille. Das hat Symbolcharakter.

Herles lässt zum Interview ein blaues Sofa sogar auf einen Gletscher transportieren.
Dass es irgendwie ironisch und sarkastisch gemeint sein könnte, dieses Sofa in Schnee und Eis zu platzieren und darauf mit Ilija Trojanow über die Zerstörung der Umwelt durch den Menschen zu reden? Nein, das kann es nicht sein. Man vermutet eher Dummheit. Dass Trojanow das mitmacht?

Keine Talkshow? Aber auch keine Leseshow!

Schon Herles’ zweiter Gast macht vieles nicht mehr mit. Der Schauspieler, Gastwirt und Schriftsteller Josef Bierbichler sitzt mit Herles auf Stühlen vor dem Sofa und man ahnt, dass Bierbichler da einfach nicht dekorativ auf einer grünen Wiese auf dem blauen Sofa sitzen wollte. Er möge Talkshows nicht, sagt Bierbichler später, als Herles die Sache thematisiert. »Diese Sendung«, versichert Herles, »ist garantiert keine Talkshow.«
Ja was denn dann? Eine Leseshow sicherlich auch nicht, selbst wenn Herles immer wieder Textstellen schlecht vorliest.

Aber gut befragen kann er die Schriftsteller auch nicht. Wie bei einem Anfänger kreist sein Gesprächsthema fast ausschließlich um die Frage, wie viel von seinen Interviewten in den Romanen stecke und wie sie selbst die ein oder andere Szene aus dem eigenen Roman interpretieren. »Ich war froh, dass es mir so eingefallen ist«, antwortet Bierbichler wunderbar lakonisch, und seine ihm anzumerkende Aversion vor dieser Talkshow-Situation bleibt das einzig Unterhaltsame an dieser Sendung. Man hätte es ihm nicht übel genommen, wäre er aufgestanden und gegangen.

Was soll dieses blöde blaue Sofa?

Schon Herles` zweiter Gast macht es also offensichtlich: Was soll dieses blöde blaue Sofa? Warum wird es für die Sendung überall hingekarrt? Ist es der Strohhalm für Herles, der auf einem blauen Sofa auf Buchmessen schon seit Jahren Schriftsteller interviewt? Soll er sich da heimisch fühlen? Ist das Sofa sein Alterssitz? Warum dieser logistische Schnickschnack, der ebenfalls nicht zündet?

Wieder bei Scheck schlecht kopiert verlässt Herles den Interviewort und wird dabei mit Musik untermalt gefilmt. Im Nachschlag gibt es einen Verriss von Oskar Roehlers »Herkunft«. Doch Herles fehlt die Leidenschaft von Reich-Ranicki. Seine Verisse – mit Ferdinand von Schirachs »Der Fall Collini« gibt es in seiner Sendung deren zwei – sind aufgesagte Textlein ohne Esprit, die jemand anders geschrieben haben könnte und die Herles wie ein schlechter Schauspieler aufsagt und dabei wie ein Moderator in Ulrich Meyers »Akte«-Sendung durchs Berliner Landgericht läuft. Dabei gelingt Wolfgang Herles, der Veriss von Roehler weitaus besser, denn er belegt die Schwächen des Romans sehr gut mit hanebüchenen Textstellen. Aber es zündet wieder nicht. Und wenn man weiß, dass Herles selbst ebenfalls nicht der begnadetste Schriftsteller vor dem Herrn ist, wirkt es anmaßend. Oft wird Kritikern vorgeworfen, sie mögen es selbst einmal besser machen und einen guten Roman schreiben. Bei Herles weiß man, dass er schon gescheitert ist.

Hinzu kommen überflüssige kurze Einspielschnipsel aus dem Archiv, die scheinbar die Romanfiguren zeigen. Warum? Achso, ist ja Fernsehen, da muss man ja was zeigen.
Wobei: das stimmt nicht! Vielleicht ist es ja die heimliche Absicht Herles, dass die Zuschauer den Bildschirm genervt abdrehen und sich mit einem guten Buch ins Bett verziehen – so sie nicht eingeschlafen sind.

Wolfgang Herles ist farblos, da hilft auch kein blaues Sofa

Die Sendung hat genau so wenig Flair und Esprit wie ihr Vorgänger »Die Vorleser«. Wolfgang Herles ist farblos, da hilft auch ein blaues Sofa nicht. Sein Ego trägt und erträgt die Sendung nicht.

Wobei: Ein Ort würde mir da schon einfallen, wo Herles mit seinem Sofa gut platziert wäre: Schießt sie einfach auf den Mond!

Und produziert verdammt noch mal hier unten auf der Erde einfach eine gute Literatursendung! So schwer kann das doch nicht sein! Nehmt engagierte Moderatoren ohne altmännliches Eitel-Ego und Sendungsbewusstsein (in jeder Hinsicht!), verlasst die ausgetrampelten Pfade und 0815-Standardbilder wie Interviews auf Sofas, nehmt nicht nur Hanser- und Suhrkamp-Autoren, traut euch auch mal, mit einer Lübbe-Autorin zu sprechen. Und: Bringt Witz rein!

Kurz und gut: Macht es einfach genau so nicht, wie Herles auf dem blauen Sofa.

Der Verriss zum „Blauen Sofa“ erschien ursprünglich im literaturcafe.de. Wir haben ihn mit freundlicher Genehmigung übernommen.

Kommentare

3 Kommentare zu "Wolfgang Tischer: Den alten Mann bitte nicht mehr!"

  1. Der kurze Auszug im „buchreport“ war schon gut, der komplette Text spricht mir aus der Seele.

  2. Ha, ha – Denis Scheck ist so unterhaltsam wie ein Kürbis… und Herles ist dumm wie ein Stück Brot!

  3. Meiner Meinung nach verfolgt das ZDF mit der neuen Literatursendung eine klare Strategie: Man möchte nicht bemerkt werden. Mit Herles lässt sich die Sendung in eine Senderegion nach Mitternacht schubsen und schliesslich auch einstellen. Und niemand wird das aufregen. Niemand wird das wahrnehmen.

    „Ruhebank“ lautet die Übersetzung von „Sofa“(stammt aus dem Arabischen) und tatsächlich benimmt sich das ZDF, als sei der Sender bereits in Pension.

    Herles ist die Allzweckwaffe des ZDF im Kampf für den öffentlich erteilten Bildungsauftrag – man erfüllt diesen, indem man die Zuschauerschaft einschläfert. Und wieder gibt es Platz für ne Talkshow…

    In jedem Groschenroman steckt mehr Innovationswille als in dieser Literatursendung. Weder beim ZDF noch bei Herles ist eine Haltung zur Literatur erkennbar. Es fehlt auch am Willen, eine solche Haltung auszubilden. Das erlaubt eben jene Beliebigkeit, die in die Bedeutungslosigkeit führt. „Das blaue Sofa“ ist längst auf dem Trödelmarkt der Eitelkeiten angekommen.

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