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Wer nicht spielt, bekommt gar nichts

Das Internet hat in den vergangenen Jahren viele Lebensbereiche verändert. Welchen Einfluss es auf das Geschichtenerzählen hat, hat die „New York Times“ verschiedene englischsprachige Autoren gefragt. buchreport hat sich unter deutschen Schriftstellern umgehört und stellt die Antworten zu den Einflüssen der Digitalisierung in den kommenden Wochen vor. Im vierten Teil unserer Reihe äußert sich Markus Heitz:
Inwiefern hat sich Ihr Arbeitsalltag in den vergangenen Jahren verändert?
Gar nicht, abgesehen von ein paar Minuten mehr Aufwand für Facebook und Twitter. Aber das ändert an meinem Schreiben selbst nichts. Ich arbeite seit Dekaden digital, sprich Computer und Laptop.
Was sind Ihre größten Hoffnungen und Sorgen in Bezug auf die Digitalisierung?
Die Sorgen sind, dass man in 100 Jahren oder mehr keine Buchinhalte lesen kann, weil die Speichermedien sich auflösten oder es keine Lesegeräte für die verschiedenen Formate mehr gibt. Finden Sie heute mal eine große FloppyDisk für einen C64 oder eine Datasette. Dann hört man vermutlich lautes Lachen aus den Print-Bibliotheken und Sammlungen der letzten Jahrhunderte.
Hoffnungen? Dass es ein normiertes und vor allem gutes Format geben wird. 
Wie zufrieden sind Sie mit dem E-Book-Markt?
Das E-Book ist in Sachen Verkaufszahlen ein Nebenschauplatz, der mehr an Raum gewinnt. Das sind bei mir überschaubare Prozentzahlen, die sicherlich in den nächsten Jahren noch ansteigen. 
Auffällig finde ich, dass einige Backlisttitel dabei überproportional gut abschneiden. Mit Blick auf Auseinandersetzungen mit Amazon eine gute Alternative, den Print-Verzögerungsspielchen zu entgehen.
Ist der wachsende Selfpublishing-Markt Chance oder Bedrohung für Autoren, die vom Schreiben leben wollen?
Ich sage es mal so: Nur weil es mehr Gitarren auf dem Markt gibt, klingen nicht alle virtuos. Das wäre ähnlich wie eine Fußgängerzone voller Musiker, die gleichzeitig in die Saiten hauen. Als Passant verliert man schnell den Überblick, wer was spielt und wie gut er ist. Umso wichtiger ist 1. die kleine Nische, wo der schlaue Musiker alleine steht und/ oder 2. jemand, der den Passanten lotst. 
Aber als neuer Autor auf DEN großen Durchbruch im Eigenverlag oder via Plattformen zu hoffen, über die Planke würde ich nicht gehen. Dennoch: Es gewinnen Menschen im Lotto, und wer nicht spielt, bekommt gar nichts. Und bevor das vergessen wird: Es sind nur 3% bis 4%, so hörte ich, die alleine vom Schreiben leben können.
Wie groß ist die Gefahr, die von E-Book-Piraterie ausgeht?
Sie ist nervig und allgegenwärtig, wie bei jedem Produkt, das eigentlich gegen Geld verkauft werden soll. Innerhalb von wenigen Stunden stehen die Bücher auf allen möglichen Plattformen. Mit Raubdrucken mussten sich die Verlage schon immer rumschlagen, aber die Online-Piraten sind nicht zu fassen. 
Also: Weg mit dem DRM, ganz viele Dummys von E-Books ins Netz ballern, fluten, sodass auf ein Piraten-E-Book 100 Dummys kommen, bis keiner mehr Lust hat und die paar Euro für ein Original ausgibt. Das wäre mein Trick.
Sind die Buchverlage schon fit fürs digitale Zeitalter? Was wünschen Sie sich von ihnen?
Fit sind sie schon. Fitter geht immer.

Markus Heitz feiert Erfolge als Fantasy- und Horrorautor. Im Frühjahr wird der fünfte Band der Zwerge-Reihe bei Piper erscheinen.

Kommentare

1 Kommentar zu "Wer nicht spielt, bekommt gar nichts"

  1. „ganz viele Dummys von E-Books ins Netz ballern, fluten, sodass auf ein
    Piraten-E-Book 100 Dummys kommen, bis keiner mehr Lust hat und die paar
    Euro für ein Original ausgibt. Das wäre mein Trick.“

    Ähnliche Antipiraterie-Tricks wurden in der Vergangenheit schon versucht und haben sich nicht bewährt. Da der Hauptverbreitungskanal von Ebooks Piratenseiten sind, würde das auch zu ziemlichen Verwirrungen führen, die dann in Teilen auch auf den legalen Markt durchschlagen würden. Auch gilt es zu bedenken, dass die Qualitätsansprüche von illegalen Seiten mitunter höher sind als die legaler. FLAC – um ein Beispiel aus der Musik zu nehmen – kriegen Sie nun mal nicht bei itunes. Oder schauen Sie sich mal die Klagen von Ebook-Käufern über schlecht gemachte Ebooks an.

    Die (auch für den deutschen Markt) bedeutendste Ebook-Piraterieseite der Welt wird nicht unwesentlich von ziemlich akribischen Bibliothekaren betrieben, die sie mit solchen Tricks nicht kriegen. Die besorgen sich die Originalquellen bzw. sitzen an denen und fungieren dann wiederum als (im Bezug auf Qualität verlässliche) Auslieferung an viele andere Piratenseiten.

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