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Welche IT ein Publikumsverlag wirklich braucht

IT geht alle Führungskräfte an. Jeder Geschäftsprozess – auch die verlegerischen – ist heute von IT tief durchdrungen. Gerade unter den wirtschaftlich erfolgreichen Verlagen sind diejenigen überrepräsentiert, deren oberste Führungsebene kompetent und geschickt mit IT-Fragen umgeht. Umgekehrt kann es viel Produktivität und Geld kosten, den kompletten IT-Sachverstand an eine Fachabteilung oder einen Dienstleister auszulagern.

Warum das so ist, wird beim Blick auf ein verbreitetes Infrastruktur-Modell klar. Auf jede Infrastruktur ist neben der rein technischen Sicht die Sicht des Informations-Managements erforderlich – auch auf die IT-Infrastruktur. Die Sicht des Informations-Managements ist viel umgreifender und erstreckt sich neben den operativen Gegebenheiten auf institutionelle und personelle Bedingungen wie

  • Gesetze und Normen: Datenschutzgesetze und –richtlinien wie Betriebsvereinbarungen
  • organisatorische Strukturen, etwa IT-Abteilungen oder –Lenkungsausschüsse
  • Anzahl und Know-how der Mitarbeiter, die für Planung, Wartung und Betrieb der IT-Infrastruktur benötigt werden, zum Beispiel Administratoren und Schulungsleiter

All dies beeinflusst entscheidend die technische IT-Infrastruktur und muss mitbedacht werden, wenn es um Unternehmens-Strategie und -Prozesse geht.


Weitere Artikel zum Thema IT finden Sie im IT-Channel von buchreport und knk/Renus Media.


Das Schichten-Modell

Wenn es um Entscheidungen über IT-Infrastruktur geht, hilft ein Modell technischer Schichten, die aufeinander aufbauen und die einander bedingen. Wer eine Komponente austauscht, sollte sich darüber im Klaren sein, welcher Schicht diese Komponente angehört. Das erleichtert es, die Auswirkungen eines Wechsels auf die gesamte Architektur zu beurteilen. In aufsteigender Reihenfolge sind erkennbar

  • eine Hardware-Schicht – sowohl „on premise“, also auf dem Firmengelände bzw. im gemieteten Rechenzentrum, als auch zu Hause bei Home-Office-Workern und freien Mitarbeitern, die Leitungen, die dorthin führen und die Mobile Devices von Führungskräften und Außendienst, also Smartphones, Tablets oder Laptops. Stellen Mitarbeiter ihre eigene Hardware, steigert dies die Komplexität
  • Virtualisierungssysteme, die auf der Basis von mächtiger Hardware und Virtualisierungs-Software Server-Infrastrukturen quasi nachahmen, aber flexibler und schneller sind als dedizierte Server
  • eine Betriebssystem-Schicht, zu der Netzwerksoftware ebenso gehört wie die eigentlichen Betriebssysteme wie Windows, Mac OS, LINUX oder Android, die die Abwicklung von Anwendungen steuern und überwachen
  • eine Schicht von Anwendungen, derentwegen die Mitarbeiter morgens den Computer einschalten. Diese können on premise oder bei Cloudanbietern installiert sein

IT-Schichten im Verlag. Bild: alVoloMedia

Diese Schicht sollte nochmals unterteilt werden in

  • branchenübergreifende Anwendungen – zu ihnen zählen Büro-Anwendungen, Webbrowser, Kommunikations- oder Archivierungsprogramme, aber auch Faktursysteme oder ERP- (Enterprise Resource Planning-)Systeme
  • branchenspezifische Anwendungen – das sind Anwendungen zur Erstellung von Medien, zur Steuerung dieses Erstellungsvorgangs, zur Distribution der Medien und der medienspezifischen Metadaten und zur Abrechung der Leistungen von Rechtegebern

Zu dieser Schicht gehören also die allerwenigsten Anwendungen, die in den Verlagen laufen.

Je höher und spezifischer die IT-Schicht, desto wichtiger ist es, dass das Management unabhängig vom Fachbereich ein gutes Grundverständnis dafür aufbringt – und desto mehr zahlt es sich aus, wenn es sich wirklich dafür interessiert. Die Reihenfolge der Softwareschichten lässt sich daher sinnvollerweise auch umkehren.

Branchenspezifische Anwendungen

Der spezifische verlegerische Leistungsprozess erfordert Software zur

  • Veredlung von eingekauftem oder lizenziertem medialem Rohmaterial – also für Bücher geeignete Publishing- oder Satz-Softwares
  • Steuerung dieses spezifischen Veredlungs-Prozesses mit Prozessüberwachung, Zuweisung von Aufgaben und Archivierung der Inhalte
  • Distribution veredelter Medieninhalte und zugehöriger beschreibender Daten (Metadaten)
  • Abrechnung der Leistungen von Rechtegebern und Vertragsverwaltung

Das bedeutet nicht, dass ein Verlag mehr nicht braucht, aber alle übrigen Funktionalitäten können übergreifende Anwendungen gewährleisten.

Branchenübergreifende Anwendungen

Solche übergreifenden Anwendungen werden in vielen Medienunternehmen mit Funktionen überbürdet, für die sie eigentlich nicht qualifiziert sind. Entscheider in vielen Verlagen „kleben“ an branchenübergreifenden Anwendungen,

  • da sie unerschütterlich daran glauben, dass ihr individueller Bedarf durch keine Branchensoftware gedeckt werden kann
  • da sie persönlich daran gewöhnt sind, sich gut damit auskennen oder auszukennen glauben
  • da diese branchenübergreifenden Anwendungen „eh da“, also bezahlt sind
  • da sie unterstellen, dass jeder Mitarbeiter, ob altgedient, ob Neuzugang, sich damit so gut auskennt, dass kein Schulungsaufwand erforderlich ist.
  • Die Folgekosten dieser Vermeidungstaktik in Form von entgangenem Profit und erhöhtem Aufwand an Gemeinkosten können erheblich sein.

Was ein Publikumsverlag wirklich braucht

Was ein Publikumsverlag an Software wirklich braucht, hängt auch ab von den Leistungen, die ihm seine Vorstufen-Lieferanten, seine Auslieferung oder seine Werbeagentur zur Verfügung stellen. Daher ist es vielleicht besser, sich die Frage zu stellen, welche Verlagsfunktionen nur mit Hilfe von Softwarelösungen erbracht oder welche mit Software in rechenbarer Weise vergünstigt werden können. Zu diesen zählen folgende:

  • Kommunikation und Dokumentation:  Das meint Textverarbeitung und E-Mail-Programme, manchmal auch die Telefonie. Diese dienen nicht allein der Mitteilung, sondern auch der Archivierung. In Kombination mit dem Filesystem des Betriebssystems stellen sie ein rudimentäres Archiv- und Dokumentenmanagement-System (DMS)
  • Verwaltung der Medieninhalte: In vielen Verlagen wird das Filesystem zur Ablage der wertvollen und fehleranfälligen Medieninhalte – also der eigentlichen Produktion der Verlage – in ihren unterschiedlichen Bearbeitungsständen überstrapaziert. Dienstleister erhalten oft Zugriff aufs Filesystem, damit das aufwändige und fehlerträchtige Vermailen von Medieninhalten reduziert wird; das bringt neue Sicherheitsrisiken und Fehlerquellen mit sich, etwa indem Medieninhalte zur falschen Zeit an die Öffentlichkeit gelangen oder mehrere Versionen eines Textes oder einer Grafik parallel bearbeitet werden. Je nach Größe der Produktion und Komplexität der Betriebsabläufe kann ein Media Asset Management-System (MAM) in oder ohne Verbindung mit einem Workflow-Management-System erheblich zur Rationalisierung und Qualitätssicherung beitragen. Mit einem MAM oder einem Enterprise Content Management-System (ECM) werden etwa Konvertierung, Versionierung, Berechtigungsmanagement geregelt. Das Workflow-Steuerungs-System weist zusätzlich den Prozessbeteiligten Aufgaben zu, hilft mit Terminen und Prioritätskennzeichen bei der Organisation und unterstützt die Prozessverantwortlichen bei der Kontrolle. Manche Vorstufenbetriebe betreiben ihrerseits MAM-Systeme und integrieren die Verlage, die auf diese Weise Kosten sparen, sich aber damit stark an Einzelbetriebe binden
  • Rechteverwaltung und Honorar-Abrechnung: Getrieben durch wachsende Regulierung einerseits, wachsende technische Möglichkeiten in der Rechteverwertung andererseits (etwa Abomodelle oder Bundling im digitalen Vertrieb), steigt die Komplexität der Abrechnung. Entsprechende Systeme sind unverzichtbar. Die Definition neuer Regeln sollte dabei möglich sein, um die Markterfordernisse abbilden zu können
  • Vorstufen-Automatisierung und Publishing: Besonders für Verlage mit großem Programm und komplexem digitalen Vertrieb steckt hierin eine hohe Wertschöpfung. Crossmedialität und „Digital first“ können nur durch Technisierung der Vorstufe bis hin zum fertigen Druck-PDF, EPUB oder Amazon-E-Book erreicht werden. Zudem sorgt der Abschied von der titelindividuellen DTP-Produktion meist für Beschleunigung des Verfahrens, die gerade im E-Publishing heute wichtig ist
  • Kalkulation und Materialwirtschaft: In diesem Bereich sind auf Excel-Basis manche wahren Wunderwerke an Komplexität im Einsatz. Ihr Problem ist oft, dass nur wenige Mitarbeiter sie verstehen – ein großer Raum für „Kopfmonopole“, die zu dulden ein erhebliches Betriebsrisiko darstellt
  • Vertrieb und Kundenverwaltung: Als „Kunden“ haben die meisten Publikumsverlage ihre Handelspartner definiert. Ihre Auslieferungssoftware nimmt ihnen diese Kundenverwaltung ab – aber was ist mit den Endverbrauchern? Häufig werden ihre Daten schlecht und recht mit den Büro- und Kommunikationssoftwares der Marketing- oder Werbeabteilung verwaltet, die ihnen individuelle Anfragen beantwortet, Newsletter sendet oder per Social Media mit ihnen kommuniziert. Ihre Interessen oder die Signale, die sie im Social Web aussenden, können damit nicht adäquat ausgewertet oder gar monetarisiert werden
  • Marketing: Neben den eigentlichen Verlagsinhalten müssen Verlage Metadaten und Beschreibungen publizieren, um die Titel und das Verlagsprofil bekannt zu machen
  • Novitäteninformationen und Kataloge gehören zu den klassischen Marketing-Instrumenten, mehr und mehr Bedeutung erhalten aber heute die Metadatenströme in Richtung Verlagswebsite, Kunden und Suchmaschinen
  • Auftragsverarbeitung und Fakturierung: Klassische Domäne der Verlagsauslieferungen. Wer selbst ausliefert, muss eine eigene Software betreiben
  • Analyse und Reporting: Auf Grundlage der Fakturdaten betreiben alle Verlage seit jeher Absatz- und Umsatz-Statistiken. Neu für Publikumsverlage und bei weitem noch kein Allgemeingut sind hochwertige Reports der Aktivitäten von Endkunden im Social Web.

Neben den Berichtstools der einzelnen Anbieter gibt es Social Media Monitoring-Software. Diese eignet sich für die Zusammenschau des „Social Buzz“ und für eine umfassende Evaluierung des Erfolgs aller Kommunikation des Verlages – nicht nur in den Sozialen Medien.

Michael Lemster

Hier geht es zum Teil 2.

 

Bild: Ken Fager – Flickr Lizenz: CC by-nc-sa 2.0

Kommentare

1 Kommentar zu "Welche IT ein Publikumsverlag wirklich braucht"

  1. Die Komplexität des IT-Managements wird hier sehr gut beschrieben. Es bestehen gegenseitige Abhängigkeiten zwischen einzelnen Schichten und daher müssen diese auch immer im Bezug auf die jeweils anderen Schichten betrachtet werden. Diese Aspekte gewinnen gerade mit zunehmen-der Digitalisierung stark an Bedeutung. Wird beispielsweise, im Zuge der Umstellung der TK-Anlage auf VoIP, eine virtuelle TK-Anlage in das bestehende IT System integriert. Sollte alle anderen Bereiche und Schichten mit dieser Lösung kompatibel sein. Zudem ist es wichtig der TK-Anlage die richtige Schicht für eine reibungslose Kommunikation zuzuweisen. Eine sorgfältige Planung kann hier vorzeitig mögliche Probleme auf-zeigen. TK-Anlagen sind natürlich nur ein Beispiel, dies lässt sich genauso auf CRM oder ERP Sys-teme übertragen. Ich denke dass auch hier Unified Communications and Collaboration (UCC) eine wachsende Bedeutung haben werden.

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