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Volker Oppmann: Innovieren wie ein Großmeister – heute: Steve Jobs

Wenn es um Innovation geht, muss stets Henry Ford herhalten: “Wenn ich meine Kunden gefragt hätte, was sie sich wünschen, dann hätten sie wahrscheinlich gesagt: ein schnelleres Pferd.” Das Ganze gefolgt von einem Verweis auf Steve Jobs und seine magische Gabe als Visionär. Doch wie genau funktioniert dieses Innovations-Ding?. Ein Erklärungsversuch von Volker Oppmann.

Volker OppmannIm Grunde lässt sich die Quelle für jegliche Art von Innovation auf ein einfaches Kinderspiel zurückführen: Ich sehe was, was Du nicht siehst. Steve Jobs hatte nämlich mitnichten großartige Ideen – diese hatten in der Regel andere, allen voran die Wissenschaftler des Xerox Palo Alto Research Center, kurz: PARC. Im Gegensatz zu den Kollegen von Xerox konnte Steve Jobs aber etwas sehen, was diese nicht sahen: Konkrete Anwendungsgebiete und damit einen Markt für Grafische Benutzeroberflächen (GUIs), Computer für Heimanwender (PCs) und neuartige Eingabesysteme wie die Maus.

Analog zu diesem Beispiel fasste Dr. Michael Brandkamp, der Geschäftsführer des High Tech Gründerfonds (HTGF), die Situation in Deutschland beim gestrigen Alumni Dinner in Bonn wie folgt zusammen:

Deutschland ist sehr gut darin, Geld in Wissen zu verwandeln – es ist allerdings sehr schlecht darin, dieses Wissen wieder zu Geld zu machen. Was fehlt, ist ein Wissenstransfer von der Forschung in die Wirtschaft, eine Gründer-Kultur, die dieses Wissen produktiv macht.

Wie aber setzt man eine Innovation um? Es fängt damit an, dass man eine Innovation als solche erkennt und das ihr innewohnende Potenzial sieht. Das Problem ist, dass dies zunächst eine rein subjektive Wahrnehmung ist, die alles Mögliche widerspiegelt, nicht aber die Realität. Es handelt sich bis auf Weiteres allenfalls um eine subjektive Wirklichkeit.

Aus der Physik wissen wir allerdings auch, dass bereits die reine Beobachtung das Beobachtete beeinflusst (Heisenberg)* und dass die Realität ihrerseits permanent Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten unterworfen ist.

Während die Kollegen aus den Naturwissenschaften indes ganz trefflich Quantenmechanik betreiben und Raum-Zeit-Krümmungen berechnen können, sind wir Geisteswissenschaftler im Gegensatz dazu wahre Meister im Zurechtbiegen von Realität – und damit prädestiniert für große Innovationen.

Für alle, die nicht wissen wie das Zurechtbiegen von Realität geht, hier eine kleine IKEA-Anleitung (Stichwort: Entdecke die Möglichkeiten!) zu Aufbau und Anwendung einer Realitätsbiegemaschine, auch Innovationsmotor genannt:

Und damit sind wir auch wieder bei Steve Jobs, der sich bekanntermaßen einer aus Star Trek entliehenen Technik, dem Reality Distortion Field (RDF) bedient hat, um mittels Gedankenkraft neue Welten zu erzeugen – oder anders ausgedrückt: Die eigene Wirklichkeit auch für andere Realität werden zu lassen.

Wie das funktioniert?

1. Beobachten: Ich sehe was, was Du nicht siehst
2. Sich auf das Wesentliche konzentrieren
3. Es zu einem Problem anderer Leute machen
4. Das Problem lösen
5. Die Lösung vermarkten

Im Detail:

1. Beobachten: Ich sehe was, was Du nicht siehst. Es mag für andere vielleicht nicht sichtbar sein, gleichwohl ist es aber existent, da es im Rahmen des Möglichen bereits mit einem mehr oder minder großen Potenzial an Wahrscheinlichkeit angelegt ist. Indem wir etwas als möglich erachten und unsere Aufmerksamkeit darauf richten, verändert unsere Beobachtung das Beobachtete und erhöht damit kontinuierlich dessen Wahrscheinlichkeitspotenzial. Schritt 1 ist geschafft – es ist Teil unserer eigenen Wirklichkeit geworden.
2. Damit wir das innewohnende Potenzial realisieren können, müssen wir uns nun auf das Wesentliche, die Kernideen konzentrieren. Entscheidend dafür, ob Ideen zünden oder nicht, ist deren Wirkungsquerschnitt, d.h. das Maß für die Wahrscheinlichkeit, dass zusammenstoßende Kerne miteinander reagieren (ob es sich um Atomkerne oder die Kerne von Ideen handelt, ist dabei ganz unmaßgeblich). Indem wir das beobachtete Phänomen weiter beobachten, erhöhen wir damit kontinuierlich das Wahrscheinlichkeitspotenzial des Möglichen und damit auch potenziell die Wahrscheinlichkeit, dass es auch für andere wirklich – und mit Erreichen einer kritischen Masse tatsächlich Realität wird.
3. Nachdem die Konzentration auf das Wesentliche Gedankenarbeit ist und das Wesentliche für die Augen stets unsichtbar ist (Antoine de Saint-Exupéry), müssen wir es also für andere zunächst sichtbar machen. Dank Douglas Adams wissen wir, dass Unsichtbarkeit von so genannten PAL-Feldern (PAL = Problem Anderer Leute) erzeugt wird – d.h. alles, von dem ich nicht glaube, dass es mich angeht, liegt außerhalb unseres Wahrnehmungsbereichs. Indem wir andere also davon überzeugen, dass sie ein Problem haben, machen wir das Problem sichtbar.
4. Nun gilt es, dieses Problem zu lösen. Dies macht man gemeinhin mit einer so genannten USP = Unique Selling Proposition, auch bekannt als Alleinstellungsmerkmal. Innovation und Marketing gehen also Hand in Hand.
5. Nun gilt es noch, die Innovation entsprechend zu vermarkten, wobei das Entscheidende Element nicht das Werben und Verkaufen ist, sondern ein grundlegendes Verständnis für die Lebenswirklichkeit des Kunden – sich ein seine Situation hineinzuversetzen und ihm etwas zu bieten, was einen echten Nutzen für ihn hat.
Ich möchte das zum Anlass nehmen, mit ein paar Mythen über Innovation aufzuräumen. Vor allem muss man verstehen, dass Innovation im unternehmerischen Sinne weder ein ideelles, noch ein technisches Kriterium ist, sondern ein ökonomisches. Es handelt sich bei einer echten wirtschaftlichen Innovation also weder um eine originelle Idee, noch um eine technische Erfindungen, sondern um eine Wertschöpfung im weitesten Sinne.

Viel wichtiger als der monetäre Aspekt der Wertschöpfung ist der (Nutz-) Wert für den Kunden – das Ergebnis einer echten Innovation ist ein tatsächlicher Kundennutzen. Oder um mit Peter F. Drucker zu sprechen: »Innovation ist die Umwandlung der Bedürfnisse der Gesellschaft in neue wirtschaftliche Möglichkeiten durch die (bessere) Befriedigung tatsächlicher Bedürfnisse.«

Drucker bemüht zur Erklärung das berühmte Beispiel des Handlungsreisenden, dem es gelingt, Kühlschränke an Eskimos zu verkaufen: Rein technisch gesehen handelt es sich bei dem Kühlschrank nicht um ein neues, geschweige denn revolutionäres Produkt – wenn es jenem Kühlschrank hingegen gelingt, das Kühlgut bei konstanter Temperatur kühl zu halten und zu verhindern, dass es gefriert, hat er einen wirklichen Nutzen auch jenseits des Polarkreises. Und dem Anbieter ist es tatsächlich gelungen, einen neuen Markt zu kreieren, d.h. es handelt sich im wirtschaftlichen Sinne um eine echte Innovation.

Wirtschaftliche Innovation resultiert also stets in der besseren Befriedigung eines tatsächlichen Bedürfnisses, sei es durch ein besseres Produktangebot oder durch ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis.

In diesem Sinne: Gehen Sie mit offenen Augen durch die Welt und entdecken Sie die Möglichkeiten!

tl;dr

Wenn ihr es euch vorstellen könnt, könnt ihr es auch bauen. (Hornbach)
PS: Ist die Branche nun lebendig oder ist sie tot? Um mit Erwin Schrödinger zu sprechen: Sowohl als auch. Hängt ganz vom Betrachter ab 😉
Literatur:

* Heisenberg, Werner: Der Teil und das Ganze, München: Piper (7), 2002, S. 126:
„Wir können nicht beobachten, ohne das zu beobachtende Phänomen zu stören, und die Quanteneffekte, die sich am Beobachtungsmittel auswirken, führen von selbst zu einer Unbestimmtheit in dem zu beobachtenden Phänomen.“

Börne, Ludwig: VIII Ankündigung der Wage (1818), in: Gesammelte Schriften, Band 2 (3. Ausgabe), Stuttgart 1840, S. 105.

Volker Oppmann, Gründer und CEO log.os GmbH & Co. KG. Oppmann studierte Germanistik und Skandinavistik in Bonn und Bergen. Erste Verlagserfahrung sammelte er 2002 bei Rogner & Bernhard in Hamburg und gründete anschließend den Berliner Independent-Verlag ONKEL & ONKEL. Mit textunes war er erster deutscher Anbieter von eBook-Apps und war von 2011 bis zum Launch des Tolino im März 2013 verantwortlich für den Digitalbereich bei Thalia. Seit 2013 arbeitet er im Bereich des Entrepreneurial Designs und Managements bei log.os.

Take outs:

Etwas realisieren bedeutet, etwas wirklich werden lassen, was vorher nicht da war bzw. im Rahmen der Wahrscheinlichkeit zwar bereits angelegt gewesen und damit bereits das Potenzial des Möglichen in sich birgt, bislang allerdings nicht realisiert worden ist

erkennen / sehen
= die Gleichung in Richtung Realität verschieben
= Realisierungspotenzial erhöhen
= Wahrscheinlichkeit erhöhen
= ein Akt des Willens

die Welt als Wille und Vorstellung (Kant)

der eigentliche Schöpfungsakt = Kraft unseres Geistes etwas Neues hervorbringen

machen uns einen Begriff = geben ihm einen Namen geben

Leben einhauchen = Realität werden lassen

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