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Urheberrecht im Mixer: Welche Regeln fürs Netz?

Beim Thema Urheberrecht sind die Positionen festgezurrt. Um sie aufzulockern, braucht es Fantasie und neue Bilder. Die Digitalverlegerin Christiane Frohmann und der Berater Leander Wattig versuchen es mit der Liebe. Sie steht als Metapher für das Zusammenwirken bislang getrennter Phänomene, aus denen etwas Neues – hier Kunst und Kultur – entsteht. Etwas schlichter ausgedrückt geht es um das Verwenden und Remixen fremder Inhalte, dem sich ihr Festival „Falling in Love“ widmet.

Die Geschichte des Sichverliebens liest sich im O-Ton poetisch: „Es war einmal ein Künstler (Ich), der einem fremden Werk (Du) begegnete und sich verliebte. Nicht jedes Werk erwidert so ein Verliebtsein: Ein Urheber erhebt Einspruch, weil der Remix nicht autorisiert war oder das Ergebnis nicht gefällt. Trotzdem werden die meisten Menschen zustimmen, dass Neukombinationen von Bestehendem die Grundlage aller lebendigen Kultur sind.“ 

Sichtbar werden sollen die Möglichkeiten des Verliebens im Herbst in Berlin. Dort findet das Remixfestival „Falling in Love“ statt, als Finale eines mehrstufigen Konzepts:
  • Seit Juni können Künstler und Inhaltegeber jeder Art Bild, Sound und Text online einreichen. Frist ist der 1. November.
  • Im Anschluss können sich andere Kreative der Inhalte bedienen, um aus ihnen Neues zu schaffen. 
  • Ende November werden die geremixten Ergebnisse dezentral an zwei Tagen in teilnehmenden Berliner Locations präsentiert. 
Das Festival soll dazu anhalten, Kreativität und Urheberrecht in Zeiten von offenen Netzwerken neu zu denken und weiterzuentwickeln. Leander Wattig erklärt im Interview Motive, Weg und Ziel.

Inwiefern müssen die Vorstellung von Kreativität und Urheberrecht zusammenfinden?

Kultur entsteht nicht aus dem Nichts, sondern beruhte schon immer auf der Neukombination von Bestehendem. Jedes Werk ist eine Art von Remix, was jedoch nicht heißt, dass der Urheber keine Rolle mehr spielt. Die Originalität ist und bleibt auch künftig einer der wichtigsten Faktoren. Aber: Wir müssen uns darüber verständigen, wie wir die jetzigen Möglichkeiten der Neukombination von Kultur gestalten.

Was bedeutet das fürs Publishing?

Im Publishing ist der Remix von Vorhandenem besonders spannend. Denken wir nur an Fanfiction, Enriched E-Books oder Curated Sites. Akteure wie Amazon gehen ja sogar den Weg, für bestimmte Inhalte alle Rechte aufzukaufen, um Fanfiction und somit das Remixen zu ermöglichen, weil sie den Wert dessen erkannt haben und es anders als mit einem solchen gesamthaften Rechte-Clearing aktuell kaum geht. Das ist spannend.

…?aber nicht die Regel.

Weil das Remixen durch die Digitalisierung so einfach geworden ist, besteht die Gefahr, dass Rechte und Wünsche von Urhebern ignoriert werden. Deshalb brauchen wir ein Umfeld, in dem die Weiterverwendung von kulturellen Inhalten einfacher ermöglicht und der Urheber dennoch fair entlohnt wird.

Woran scheitert das?

Es ist alles zu kompliziert und zeitaufwändig. Zum einen müssen sich inzwischen Privatleute im Detail mit dem Urheberrecht beschäftigen, für die das nie vorgesehen war. Zudem ist die urheberrechtskonforme Nutzung von Inhalten viel zu umständlich, selbst wenn der Künstler möchte, dass seine Inhalte weiterverwendet werden. Man findet oft ja kaum den Namen des Urhebers, geschweige denn dessen Kontaktdaten. Doch selbst wenn das der Fall ist, müsste man erstmal Kontakt aufnehmen und die Konditionen verhandeln. Vom fehlenden Micropayment haben wir da noch gar nicht gesprochen. So bleiben viele Inhalte ungenutzt und für Urheber geht Wert verloren.

Lässt sich das ändern, ohne die Schutzinteressen von Urhebern und Verwertern aufzugeben?

Es geht nicht darum, irgendwelche Schutzinteressen aufzugeben, sondern die Schaffung von zusätzlichem Wert zu befördern. Wir müssen weg aus dem Dilemma, dass Inhalte meist entweder aus Angst vor Kannibalisierung vom Netz ferngehalten oder piratenmäßig weitgehend freigegeben werden. Dass es als nutzerorientierte Alternative zu „Alle Rechte vorbehalten“ heute fast nur Creative-Commons-Lizenzen gibt, macht das Problem deutlich.

Was muss passieren?

Verbreitung im Internet und kommerzielle Auswertung von Inhalten müssen und sollen sich nicht ausschließen. Wir brauchen eine übergreifende technische Lösung, durch die uns bei jedem Kontaktpunkt auf einen Klick angezeigt wird, ob, wie und zu welchen Konditionen der Inhalt weiterverwendet werden darf. 
Wie sollten Lizenzierung, künstlerische Freigabe und Monetarisierung digitaler Inhalte aussehen?

Das Ideal wäre eine Art Rechte-Registry als Zentralverzeichnis für Content mit Einbettungsfunktion wie bei YouTube sowie einem Kaufbutton. Dort sollten Kreative ihre Inhalte und ihre Anforderungen für deren weitere Verwendung eintragen können. Es wären also konkrete Nutzungs- und Payment-Bedingungen hinterlegt und so mit dem Inhalt verknüpft, dass sie im Internet mitwandern, wo immer das Bild, der Text, das Video oder der Song eingebunden werden. Es braucht eine solche teilautomatisierte technische Lösung, damit die Interessen der Kreativen überall transparent sind und differenzierter vorgegeben werden können als heute bei Creative Commons.

„Zentralverzeichnis“ klingt nach bürokratischen Popanz?…
Der Status-quo ist viel bürokratischer, weil keiner einen Überblick hat. Mit so einer Anlaufstelle kann niemand mehr behaupten, er habe nicht gewusst, dass er einen Inhalt nicht oder so nicht verwenden darf. Klar ist aber auch, dass das ein großes Vorhaben ist. 
Welchen Vorteil hätte das für Kreative und Verlage?

Es ist wie beim DRM: Wer seine Rechte zu restriktiv schützt, schadet sich am Ende selbst und treibt die Leute in die Arme der großen Player wie Amazon mit ihren Angeboten wie im Falle von Fanfiction „Kindle Worlds“. Eine offene Plattformlösung würde allen Inhalte-Rechteinhabern – also Kreativen und Verlagen – helfen und jeder in der Remixkette könnte einen Anteil an den später in der Kette entstehenden Verkaufserlösen bekommen. Diese Erlöse kommen aber überhaupt nur zustande, weil die Inhalte eine stärkere Nutzung erfahren. Außerdem wird das Thema Autorenmarketing für Verlage immer wichtiger und es ist eine gute Botschaft, wenn sie sich einbringen bei der Frage, wie Kreative im Netz künftig besser Geld verdienen können. 

Wie soll Ihr Remix-Festival zur Neuorientierung beitragen?

Unser vom Hauptstadtkulturfonds gefördertes Orbanism Festival #fil15 schafft Aufmerksamkeit für dieses Thema und bindet Menschen ein – jenseits der üblichen Branchen-Filterblasen. Unsere Partner kommen aus allen Bereichen wie beispielsweise Web-Plattformen, Presse, Netzkultur und Kultureinrichtungen. Aber auch Verlage wie Rogner?&?Bernhard, Selfpublishing-Anbieter wie Epubli und Interessensvertretungen wie der Bundesverband junger Autoren und Autorinnen unterstützen uns. Die Liste wächst und wir freuen uns auch über weitere Partner. Mit diesen Akteuren und den beteiligten Künstlern forcieren wir die dringend notwendige Diskussion, wie sich künstlerische Freiheit und Einkommen für Kreative bestmöglich kombinieren lassen. Ein Aspekt, der in der oft wenig konstruktiv geführten Urheberrechtsdiskussion bisweilen aus dem Blick gerät. Zudem ist das Festival selbst eine Weiterbildung in performter Remixkultur sowie in der Auseinandersetzung mit Lizenz- und Rechtsfragen.

Wie lässt sich ein solch komplexes Thema unters Volk bringen?

Mit Emotionen. Unser Festival schafft mit seinem Thema „Falling in Love“ und den Erlebnissen während der zahlreichen Festivalevents am 28./29. November in ganz Berlin einen Zugang, der in der verkopften Urheberrechtsdiskussion fehlt. 

Die Fragen stellte Hanna Schönberg
Foto: Sebastian Mayer

Treffpunkt „Orbanism Space“

In Partnerschaft mit der Frankfurter Buchmesse öffnen Wattig und Frohmann vom 14. bis 18. Oktober, Halle 4.1 B73, den „Orbanism Space“, eine Ausstellungs- und Veranstaltungsfläche für die digitale Inhalte-Industrie und deren Gesprächspartner im Netz. Zentraler Bereich des Orbanism Space ist die Veranstaltungsbühne mit großem Auditorium. Im abgetrennten Meeting Space können Termine mit Geschäftspartnern und Multiplikatoren vereinbart werden. Im Orbanism Space finden sowohl Fachveranstaltungen (u.a. zwei Präsentationen des Digitalvorschau-Systems edelweiss) als auch große Community-Events statt, wie etwa: die Preisverleihung des Deutschen eBook Award, das Buchblogger- und das Selfpublisher-Meetup und das Literaturblogger-Treffen der Hanser Literaturverlage und des Suhrkamp Verlags. Hier weitere Infos.

buchreport ist Medienpartner des „Orbanism Space“.

aus: buchreport.magazin 9/2015

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