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Streit um die Pflege der Preisdaten

Die Geschichte hat etwas von David und Goliath oder dem kleinen gallischen Dorf und den mächtigen Römern, führt aber rasch zu komplexeren Tiefenstrukturen. „Brunsbütteler Buchhändler lehrt amazon.de das Fürchten“, titelte lokalpatriotisch die „Dithmarscher Landeszeitung“ in der vergangenen Woche  und widmete der Klage von Dietrich Wienecke (Buchhandlung Schopf) gegen Amazon eine ganze Zeitungsseite, nicht ohne ihren Lesern im westlichen Schleswig-Holstein über die Buchpreisbindung aufzuklären.

Leicht entsteht der Eindruck: Online shoppen ist günstiger

Wie weit Buchkunden überhaupt wissen, dass Bücher preisgebunden sind, also überall zum selben Preis verkauft werden (müssen), weiß niemand. Kein Buchhändler wirbt damit, dass seine Bücher genauso viel kosten wie bei der großen Buchkette oder im Online-Shop. Manchmal und das war Gegenstand eines Proszesses, bieten Online-Shops Bücher aber doch zu anderen und auch günstigeren Preisen an, ob fahrlässig aus mangelnder Sorgfalt bei der Datenbankpflegedie oder mit Absicht, wird unter Buchhändlern kontrovers diskutiert. So oder so kann aber bei Kunden der Eindruck entstehen, Bücher seien offenbar im Online-Shop günstiger zu haben. Deshalb hat der Brunsbütteler Buchhändler Wienecke geklagt und das Landgericht Hamburg hat Amazon unter Androhung eines Ordnungsgeldes untersagt, weiterhin Bücher zu Preisen zu verkaufen, die niedriger sind als die gebundenen Ladenpreise.

Der Börsenverein setzt auf kooperative Schadensbehebung

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und verschärft unterdessen in der Buchbranche die Diskussion über die Qualität der Datenbanken der Branche in einem besonders sensiblen Bereich. Die gesetzliche Preisbindung, die als Grundlage für die mittelständischen Strukturen und die verzögerte Konzentration in der Branche gilt, soll schließlich nicht beschädigt werden. Weder durch problematische Urteile, die eine 100%-Fehlerfreiheit fordern, die wohl nie zu erreichen ist, noch durch den Eindruck, dass falsche Preise nicht ernsthaft verfolgt werden.

Der Branchenverband Börsenverein, der sich selbst als geschickt taktierender Lobbyist auf den politischen Bühnen versteht, hat auch gegenüber Amazon (der größte Online-Buchhändler ist kein Mitglied im Verband) bisher auf Gespräche gesetzt, wenn mal wieder ein offensichtlicher Preisbindungsverstoß vorlag. Kleinere Buchhändler (die in der Regel Mitglied sind) kritisieren das auch schon mal als „Appeasement“.

Hinsichtlich des Grundproblems, dass die Preisangaben in den Buch-Datenbanken bei einer Reihe von Titeln trotz verbindlicher Preisbindung differieren, wird jetzt weiter über die richtigen politischen und technischen Rezepte zur Abhilfe gerungen:

  • Die Amazon-Daten werden mit dem „Verzeichnis lieferbarer Bücher, kurz: VlB des Börsenvereins abgeglichen, das allerdings selbst fehlerhaft ist. Der Verband macht dafür die meldenden und nicht nachbessernden Verlage verantwortlich und verspricht sich von dem Verfahren auf längere Sicht eine erzieherische Wirkung auf die Verlage bis hin zur Verbesserung des VlB bis auf „Barsortimentsniveau“, also auf die anerkannt bessere Qualität der Kataloge der Großhändler, die zwar nicht alle im VlB genannten Titel führen, aber doch alle gängigen, die marktrelevanten Titel.
  • Eine Verpflichtung Amazons, die wichtigsten Titel durch Abgleich mit den Daten der Großhänlder Libri und KNV auf Barsortimentsniveau zu heben, war Gegenstand eines ausgehandelten Vergleichs zwischen Buchhändler Wienecke und Amazon, den der Online-Händler Ende Dezember aber (wie berichtet) letztlich abgelehnt hatte.
  • Amazon hat dafür jetzt eine Meldestelle für Buchpreisfehler eingerichtet, die allerdings gut versteckt ist (am Ende der AGB); überdies gesteht sich der im Kerngeschäft so fixe Händler drei Werktage Reaktionszeit zu.

Stichproben deuten zudem darauf hin, dass Amazon jetzt auch aktiv Preisänderungsmeldungen der „Gelben Beilage“ einpflegt.

Das VlB wiederum übernimmt die „Gelbe Beilage“-Preisänderungen bisher nicht automatisch. Als Grund nennt Börsenvereins-Justiziar Christian Sprang, dass für die automatische Erfassung nicht eindeutig erkennbar sei, ob es sich um normale Preisänderungen oder Subskriptionspreise handele. Nach Kritik von Lorenz Borsche von der Buchhändler-Genossenschaft eBuch am fehlenden Abgleich (sowohl VlB als auch die Daten der „Gelben Beilage“ werden bei der Verbandstochter MVB gegen Gebühr gesammelt) kündigte Sprang in einem offenen E-Mail aber an, „dass beim VlB ab sofort eine (leider aufwendige) manuelle Einarbeitung der Meldungen aus der Gelben Beilage erfolgt“.

Sprang und Borsche liefern sich seit Längerem politische (E-Mail-)Gefechte, die buchreport zum Teil vorliegen. Aus dem aktuellen Schlagabtausch:

  • Borsche kritisiert, dass Sprang „Sand ins Getriebe gestreut und sinnvollere Lösungen verhindert“ habe: „Im Sommer 2009 haben Sie unsere sinnvollen Anregungen zur Behebung der Probleme mit Ihrem eigenen wirkungslosen [VlB-]Modell konterkariert, im Dezember 2009 den klug ausgehandelten Vergleich zwischen Wienecke und Amazon hintertrieben, und nun gibt es erstmalig in Deutschland genau das, was niemand haben wollte: Ein Urteil.“
  • Sprang widerspricht, den Abschluss des Vergleichs vereitelt zu haben sowie dem Vorwurf, „wir würden die kleinen Buchhandlungen nicht schützen, sondern uns mit dem Nichtmitglied Amazon gegen diese verbünden.“ – „Ich habe Ihnen mehrfach zugestimmt, dass ein energisches Einwirken auf spürbare Organisationsprobleme bei Amazon ein absolut richtiger Schritt war und ist. Anders als Sie haben wir dafür allerdings einen kooperativen Ansatz gewählt.“

erweiterte Fassung eines Beitrags aus buchreport.express 4/2010 (28. Januar)

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