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Quereinsteigerin lässt Stars im Norden funkeln

Susanne Köster-Schoon erinnert sich noch gut daran, als sie 1997 nach dem Konkurs des norddeutschen Buchfilialisten Bücher Lübben spontan dessen Buchhandlung in der ostfriesischen Kleinstadt Wiesmoor übernahm: „Ich kannte den Laden als Kundin und habe unbesehen zugegriffen. 160 qm, Sortiment, Mobiliar, einfach alles.“

Buchhändlerische Erfahrung hatte sie keine, aber mit Enthusiasmus und Ideenreichtum sowie einer Jungbuchhändlerin als Mitarbeiterin machte die ehemalige Nachrichtenredakteurin von ARD und ZDF dieses Manko wett und brachte frischen Wind in das angestaubte Ladenlokal.

Das war damals. Heute ist Susannes Buchhandlung als belebendes Element aus der Einzelhandelsszene des Luftkurortes, der seine Entstehung dem Torfabbau verdankt und inzwischen als Blumenstadt überregional bekannt ist, nicht mehr wegzudenken. In ihrem Laden in bester 1a-Lage an der Hauptstraße und reichlich Parkplätzen vor der Tür („Der Wiesmoorer läuft nicht!“) hält Susanne Köster-Schoon ein Vollsortiment mit knapp 7000 Titeln vor, die sie von KV und Könemann bezieht. Nur regionale Literatur, die in Ostfriesland traditionell einen starken Markt hat, wird direkt bei den entsprechenden Verlagen geordert.

Zusammenarbeit im Team

Die Sortimentsgestaltung erfolgt in enger Absprache mit den Mitarbeiterinnen. „Wir sind ein kleines, sehr enges Team von vier Leuten. Jeder hat seine Interessengebiete, jeder liest ungeheuer viel. Einmal im Monat setzen wir uns zusammen, besprechen die Themenplanung, Aktionen, was eben so anfällt. Weil wir alle Kinder haben, springt jeder im Notfall für den anderen ein. Dieser Zusammenhalt ist ausgesprochen wichtig.“ Aus der Runde kam auch die Anregung, die Warengruppen origineller auszuzeichnen. Regionalia heißt jetzt „Bi uns to huus“, Krimis sind „Spannend + blutig“, Gartenbücher findet der Kunde unter „Buddeln + Gießen“.

Nonbooks, das aktuelle Trendthema im deutschen Buchhandel, hatte Köster-Schoon fast von Anfang auf dem Radar. Das Ergänzungssortiment läuft bestens, solange die Grundvoraussetzung stimmt: „Es muss ungewöhnlich und schön verpackt sein und zu Büchern passen.“ Die feine Schokolade mit den ungewöhnlichen Geschmackssorten zum Beispiel stammt von einem Chocolatier aus Baden-Baden und ist ein Topseller.

So eng wie der Zusammenhalt der Mitarbeiter ist die Kundenbindung. Susannes Buchhandlung hat einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Stammkunden. Dass ihr Mann gebürtiger Wiesmoorer ist und sie selbst aus dem nahen Küstenort Bensersiel stammt, hat die Akzeptanz im Ort erleichtert. Ihr liebster Kundenspruch? „Ich suche etwas für xy, mach mal.“

Service wird in Susannes Buchhandlung in Großbuchstaben geschrieben. „Unser Credo ist, dass sich die Kunden wohlfühlen  und mindestens einmal während ihres Besuchs gelacht haben müssen.“ Auf der Homepage wird der Gast mit einem freundlichen „Willkommen in Ihrer Wunschbuchhandlung“ empfangen. Obwohl das Raumangebot begrenzt ist, ist Platz für eine Sitzecke, und Kaffee wird ebenfalls ausgeschenkt.

Nach der Pflicht kommt die Kür

Ausgesuchter Service ist für Köster-Schoon das Pflichtprogramm, die Kür, wie sie es nennt, sind die Autorenveranstaltung, die Susannes Buchhandlung weit über den Standort Wiesmoor hinaus in der ganzen Region Weser-Ems bekannt gemacht hat. Die von Köster-Schoon organisierten Veranstaltungen gehen weit über das hinaus, was die Buchbranche gemeinhin unter „Lesung“ versteht. O-Ton der Homepage: „Statt dröge und verstaubt bringen wir Ihnen beste Unterhaltung, mal spannend, mal fröhlich, und immer unvergesslich.“

Die Liste der Autoren, die Wiesmoor schon besucht haben, ist lang. Eine besondere Vorliebe für Ostfriesland scheint Hardy Krüger zu haben, der schon sechsmal in der Blumenstadt war und jedes Mal vor einem vollen Haus las. Weil die Buchhandlung so klein ist, weicht Köster-Schoon häufig auf andere Standorte aus: Gemeinsam mit einem örtlichen Hotel wurde kürzlich zum Beispiel Gregor Webers Lesung „Kochen ist Krieg“ in ein 4-Gänge-Menü integriert. Unvergessen ist auch die Veranstaltung mit Heike Makatsch, die auf einem großen Trampolin in Wiesmoors Indoor-Spielanlage aus „Pippi Langstrumpf“ las.

Lesungen machen Köster-Schoon viel Spaß. Doch dass viele Verlage die Provinz gern ignorieren, wenn sie Autorenreisen organisieren, ist für sie ein Ärgernis. „Immer wieder wird gefordert, Bücher aus dem Elfenbeinturm zu holen, doch unsere Anfragen laufen viel zu oft ins Leere. Wir werden nicht ernst genommen, dabei bringen wir hier im Schnitt mehr Leute auf die Beine als bei vielen Großstadt-Veranstaltungen.“

Literatur auf der Freilichtbühne

Weil der größte Saal in Wiesmoor nur über 350 Plätze verfügt, Köster-Schoon aber keine Probleme damit hat, größer zu denken, hat sie im vergangenen Jahr ihr bislang ehrgeizigstes Projekt aus der Taufe gehoben: Die Open-Air-Veranstaltung „Nach oben offen“, eine Mischung aus Literatur, Show und Musik. Die Auftaktveranstaltung mit Stars wie Ben Becker und Reinhold Messner füllte die 2300 Sitzplätze der Wiesmoorer Freilichtbühne zwar nur knapp zur Hälfte, aber Köster-Schoon war so zufrieden, dass sie in diesem Jahr nachlegt. „Einer Veranstaltung dieser Dimension muss man Zeit geben, zu wachsen und sich zu etablieren.“

Die zweite Auflage von „Nach oben offen“  findet am 28. Mai statt. Das rund achtstündige Bühnenprogramm wird von Hochkarätern wie Katja Riemann (Lesung aus „Sommer in Lesmona“ von Marga Berck), Sebastian Koch („Der Spieler“ nach Dostojewski) und dem Schauspieler Ulrich Tukur bestritten, der mit den „Rhythmus Boys“ in bester Tanzpalast-Manier die Musik der Goldenen 20er-Jahre wiedererweckt.

After-Show-Party im Pagodenzelt

Mit Eintrittspreisen zwischen 40 und 150 Euro (beim VIP-Ticket ist Essen und Trinken im schicken Pagodenzelt sowie After-Show-Party inklusive) ist „Nach oben offen“ kein Schnäppchen, aber der Vorverkauf läuft trotzdem auf Hochtouren und hat das Vorjahr längst abgehängt. Zwar bewirbt Köster-Schoon ihr „etwas anderes Literaturfestival“ mitten in Ostfriesland auch im Laden und  in den örtlichen Medien, doch das eigentliche Stichwort heißt Mundpropaganda: „Wer im Vorjahr dabei war, kommt wieder und bringt diesmal Freunde mit.“ Sponsoren aus der ganzen Region sind ebenfalls im Boot und minimieren das Risiko der fünfstelligen Investition.

Aus: buchreport.magazin 5/2011, das Sie hier bestellen können

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