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Propaganda und Unwissenheit

Mehrere Digitalverlage und Autoren positionieren sich im Streit um die Onleihe (mehr im Dossier von buchreport.de) auf der Seite der Bibliotheken. Der Verleih von E-Books solle dem von gedruckten Büchern urheberrechtlich gleichgestellt werden. Die Miniverlage fürchten, sonst mit ihren Büchern im Bestand der öffentlichen Bibliotheken zu fehlen.
Zu den Unterstützern der Bibliotheken gehören die Digitalverlage Culturbooks, Mikrotext, Shelff, Frohmann und Waahr sowie Fiktion (ein von der Kulturstiftung des Bundes geförderte Projekt, in dem deutsch- und englischsprachige Autoren Perspektiven im digitalen Zeitalter ausloten). 
In der Deklaration heißt es:
„Anders als bei gedruckten Büchern verfügen europäische Bibliotheken bei E-Books über kein urheberrechtlich gesichertes Recht zum Verleih, sondern müssen sich von allen Rechteinhabern einzeln eine Lizenz einräumen lassen. Diesen steht es völlig frei, ob und zu welchen Bedingungen sie einer E-Book-Ausleihe zustimmen. Auch die Sicherung und Archivierung von E-Books ist Bibliotheken nicht ohne Weiteres erlaubt. Von den aktuellen Top 20 der Spiegel-Bestsellerliste stehen den deutschen Bibliotheken unter anderem aufgrund einer Blockade durch die Holtzbrinck-Gruppe nicht einmal die Hälfte als E-Book zum Lizenzerwerb zur Verfügung.
Wie schon einmal in den 1960er Jahren wird von etablierten Verlagen die Angst geschürt, dass die öffentlichen Bibliotheken zu einer den Buchmarkt existentiell gefährdenden Konkurrenz erwachsen könnten, statt sie als notwendiges Element einer freien Wissensgesellschaft zu begreifen. Die Annahme, dass die Bibliotheken vorhätten, in Zukunft ein E-Book pro Titel zu kaufen und damit dann ganz Deutschland zu versorgen, ist allein der Propaganda und Unwissenheit geschuldet. Die europäischen Bibliotheken wollen lediglich einen Standardvertrag für den Erwerb von E-Books, um ihrem zentralen Auftrag, Wissen frei zur Verfügung zu stellen, auch in Zeiten der Digitalisierung weiter nachgehen zu können.
Die digitale Ausleihe erleichtert und ermöglicht insbesondere Menschen mit Geh-, Seh- und Lesebehinderung die Lektüre. Eine rasant wachsende Zahl von E-Books erscheint im Klein- oder Eigenverlag, für die der Bibliotheksverband nach bestehendem Urheberrecht jeweils einen umfangreichen Lizenzvertrag abschließen müsste. Das würde einen so großen administrativen Aufwand bedeuten, dass diese Bücher praktisch chancenlos wären, in den Bestand der öffentlichen Bibliotheken aufgenommen zu werden. Der Börsenverein schlägt vor, ein Lizenzierungsmodell branchenweit zu verhandeln. Eine solche Absprache rührt jedoch am Kartellverbot. Außerdem kann nur eine rechtliche Anpassung bewirken, dass künftig auch E-Books bei der den Autoren direkt zugute kommenden, von der VG Wort ausgeschütteten Bibliothekstantieme berücksichtigt werden.
Wir unterstützen deshalb die Petition des Europäischen Bibliothekenverbandes EBLIDA, das Urheberrecht dahingehend zu aktualisieren, dass Bibliotheken E-Books uneingeschränkt und zu Konditionen verleihen dürfen, die denen für gedruckte Bücher entsprechen. Die Gleichstellung von E-Books bei der öffentlichen Bibliotheksausleihe ist neben der beim Mehrwertsteuersatz und bei der Vergabe von Preisen und Stipendien wesentlich, damit die digitale Verbreitung von Literatur nicht allein den proprietären Interessen von Großkonzernen dient, sondern auch den Lesern und Autoren.“

Kommentare

1 Kommentar zu "Propaganda und Unwissenheit"

  1. Matthias Ulmer | 4. Juni 2014 um 15:08 | Antworten

    Ein „urheberrechtlich gesichertes Recht zum Verleih“ kann es bei einem immateriellen Gut nicht geben. Erster Unsinn.
    Keine Bibliothek muss sich einzelne Lizenzen einräumen lassen. Zweiter Unsinn.
    Es ist keine Propaganda, dass Bibliotheken mit einem Exemplar eines E-Books ganz Deutschland versorgen könnten, das ist die Konsequenz der Forderung des DBV nach einer Erschöpfung der bei E-Books notwendigen Rechte. Unwissenheit retour.
    Wenn die europäischen Bibliotheken einen Standardvertrag wollen… Voila, bei Divibib unterschreiben, ein Vertrag für alle Titel.
    Der Bibliotheksverband muss gar keinen Vertrag abschließen, schon wieder Unsinn.
    Kleinverlage sind nicht chancenlos, sie sind Lieferanten von Divibib, zumindest wenn sie attraktive E-Books haben, die irgendeine Bibliothek auch will.
    Und Autoren erhalten beim Verkauf von E-Books Honorare, die liegen um ein Vielfaches über der lächerlichen Bibliothekstantieme.
    Und der abschließende Hieb auf Großkonzerne ist insbesondere bei der Unternehmensstruktur der Verlagsbranche schon wieder Unsinn.
    Stimmen Sie doch Ihre Pressemeldung besser mit dem DBV ab, der hätte eine Reihe von Fehlern wenigstens noch rausgefischt.

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