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»Für Kinder ist Print noch immer höchst attraktiv«

Sigrun Kaiser. Foto: Gert Krautbauer.

Sigrun Kaiser ist Vorstandsvorsitzende, Mitgründerin und Mitgesellschafterin des Kinderprintmedienspezialisten Blue Ocean Entertainment. Foto: Gert Krautbauer.

Verlage beäugen argwöhnisch, wie Kinder Medien nutzen. Veränderungen gelten als Frühindikatoren für das Geschäft in späteren Jahren.

Blue Ocean-Mitgründerin Sigrun Kaiser beobachtet, dass Kinder die „haptischen“ Qualitäten gedruckter Medien und Spielzeuge schätzen – sofern nur Thema und Darreichungsform stimmen. Gleichzeitig bemerkt sie, dass die Verlage in Teilmärkten die „Lufthoheit“ verloren haben und keine Chance haben, sie wiederzugewinnen. Wie Kinder sich weiterhin für Verlagsinhalte begeistern lassen und wie die Produktionsprozesse im Verlag auf die hybriden Bedürfnisse abgestimmt werden können, erläutert sie im Interview.

Ausführlich erläutert sie das Thema auf dem Kindermedienkongress der Akademie der Deutschen Medien am 7. November 2019 im Münchner Literaturhaus.

Glauben wir den Medien, dann sind bereits die Kinder dem Smartphone und digitalen Medien verfallen. Wie sehen Sie das?

Natürlich beobachten wir die steigende Besitzquote und die immer früher einsetzende Begehrlichkeit gegenüber digitalen Endgeräten sehr aufmerksam, allerdings ohne Sorge. In der Zielgruppe der 4- bis 13-Jährigen stellen Smartphones und Tablets eine spannende Ergänzung der Konsum- und Erlebnisrealität dar, aber kein Substitut. Kinder sind nach wie vor mehr an den Themen interessiert als am Kanal, über welchen sie diese konsumieren. Und solange man als Inhalteanbieter wie wir als Verlag die richtigen Themen bedient, ist für Kinder auch das heute gebetsmühlenartig als lahm verschriene Papier noch höchst attraktiv. Außerdem ist bei einem Magazin nie der Akku leer. Und die mütterliche Ansage „Aber nur eine halbe Stunde, dann legst du die Zeitschrift wieder weg!“ wird ein lesendes Kind auch nie hören …

Was motiviert Kinder, „haptischen“ Spielsachen und gedruckten Medien die Treue zu halten?

Die Befriedigung natürlicher Grundbedürfnisse von Kindern nimmt in der Freizeit von Jungen und Mädchen auch heute noch eine Schlüsselrolle ein – vom Verlangen nach Bewegung und Spiel über die Stillung des Wissensdurstes bis zum kreativen Ausdruck durch Malen, Basteln, Bauen. Da ist gerade die Kombination von haptischer Spielware und Magazin wie bei unseren Kinderzeitschriften die ideale Basis, denn unsere Produkte befriedigen nicht nur in enger Verzahnung aller Heftinhalte den Spiel- und Experimentiertrieb, sondern bieten auch die Möglichkeit zum Lesen und Rätseln – und generell jede Menge Inspiration zum Erfahren der Welt und der Erlangung oder Optimierung von Fähigkeiten: vom Halten eines Stiftes bis zur Verwendung von Hammer oder Rührbesen. Speziell unsere Heftextras befriedigen diesen motorischen Spieltrieb.

Der Channel Produktion & Prozesse

Weitere Lösungen, Impulse und Erfahrungsberichte für die Verlagsproduktion lesen Sie im Channel Produktion & Prozesse von buchreport und Channel-Partner Publisher Consultants. Hier mehr

Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede in der Nutzung traditioneller Spielzeuge und digitaler Kindermedien?

Es ist klar erkennbar, dass Mädchen generell mehr nach Geschichten, stillem Spiel und Rollenmodellen suchen, während Jungen auf der Suche sind nach Action und der Möglichkeit, sich auszutoben. Das hat natürlich auch Einfluss auf die Themen, die bei Kindern angesagt sind – sowohl im Gedruckten, als auch im Digitalen.

Welche Rolle spielen Kinder als Selbstkäufer in Ihrem Markt?

Kindermagazine erfreuen sich bei Eltern und Großeltern größter Beliebtheit, insofern sind diese gerne bereit, in Kinderzeitschriften zu investieren; natürlich auch deshalb, weil Zeitschriften eine spielerische Auseinandersetzung mit dem Kulturgut Lesen bedeuten und Routine im Umgang mit diesem vermitteln. Eltern und Großeltern legen also gerne das Geld dafür auf den Ladentisch, obwohl es zu 90% die Kinder sind, die die Kaufentscheidung für unsere Produkte fällen. Naturgemäß vergrößert sich jedoch infolge größerer Selbstständigkeit und höheren Taschengeldes mit zunehmendem Alter der Zielgruppe der Anteil der Selbstkäufer. Das merken wir bereits bei den Fünfjährigen, und bei den Zehnjährigen ist der Trend dementsprechend noch ausgeprägter.

Die Verlage lassen es nicht an Versuchen fehlen, klassische Medien mit digitalen Features oder auch Gimmicks zu fusionieren. Was funktioniert in diesem Hybridmarkt gut?

Wir bekennen uns in dieser Frage klar zum Printgeschäft als unserer Basis und unserer Kernkompetenz. Print lebt, ist relevant und braucht nicht zwingend erweiterte digitale Angebote. Trotzdem etablierten wir in den letzten Jahren spannende Apps u. a. zur Pferdewelt von Schleich namens „Horse Club“ oder rund um das wachsende Thema „Bibi und Tina“ erfolgreich im Markt. Hier geht es vornehmlich um eine erweiterte Spiele-Ebene zu beliebten Themen der Kinder, und wir haben das Beste aus verschiedenen Welten vereint, also Spielware, Hörspiel, Kinofilm etc., ohne unsere DNA als Verlag zu verstecken.

Welchen Unterschied bedeutet es im Planungs-, Akquise- und Produktionsprozesse, ob Sie ein Heft oder ein Hybridprodukt machen?

Extras gehören zu Kinderzeitschriften wie die Schultüte zum ersten Schultag. Daher sind Hybridprodukte aus Magazin und 3D-Extra für uns keine Ausnahme, sondern die Regel, die Erfolgsformel. Prinzipiell gilt aber natürlich, dass Kombi-Produktformeln den Planungs- und Produktionsprozess gegenüber einem reinen Printprodukt deutlich verlängern und seine Komplexität deutlich erhöhen. Einfacher Grund: Extras sind bei uns keine beliebigen Zugaben zum Hauptprodukt Magazin, sondern ein konzeptimmanenter, untrennbarer Bestandteil des Gesamtproduktes Kinderzeitschrift. Für uns ist alles Content: Comics, Rätsel, Poster in 2D, Heftbeigaben in 3D.

Haben Sie ein Beispiel?

Bei unseren Playmobil-Magazinen ist die Extrafigur auch immer der Titelheld, der Hauptcharakter im Comic, der Begleiter in Rätseln und ein handgezeichnetes Poster der Figur in einem schönen Setting für die Kinderzimmerwand gibt es auch noch. Das Onpack…

… das aufs Heft aufgeklebte Extra…

überführt die Heftinhalte damit quasi in die dritte Dimension und macht sie haptisch erleb- und spielbar. Ein Extra, das den übrigen Inhalt so intelligent ergänzt, verstärkt die Grundbotschaft des Produktes, fördert seine Begehrlichkeit und damit auch den Abverkauf. Eine derart enge Verzahnung aller Heftbestandteile bedeutet natürlich auch, dass wir ein Extra nie losgelöst vom Magazin planen – und kein Magazin, ohne an das Extra zu denken. Und da die Extras in der Produktion von der Idee bis zur Anlieferung im Vergleich mit allen anderen Heftkomponenten am längsten brauchen, beginnt die Arbeit an einer jeden Magazinausgabe im Schnitt neun Monate vor dem Erscheinungstag. Heißt auch: Schnellschüsse sind bei uns im Normalfall nicht möglich. Eine weitere Besonderheit unseres Geschäfts: Da wir pro Ausgabe natürlich recht früh im Prozess die Bestellmenge der Extras festlegen müssen, ist damit natürlich auch schon sehr früh unsere maximale Druck- und Auslieferungsauflage definiert – oder zumindest ist diese ab diesem Moment nach oben hin nicht mehr flexibel. Deshalb reden wir sehr gerne und frühzeitig bei Sonderaktionen oder Aktionstiteln über die Präsentationsmöglichkeiten im Handel.

Extras sind bei uns Teamsache. Für jedes Magazin gibt es eine Expertenrunde aus Redaktion, Produktmanagement und Extra-Herstellung, die sich gemeinsam Themen und Umsetzungen ausdenkt. Geht es um eine Zugabe aus dem Hause eines unserer Spielwarenpartner wie Lego, Schleich oder Playmobil beginnt im Anschluss die Abstimmung mit dem jeweiligen Unternehmen, das uns das gewünschte Produkt final anliefert. Geht es um eine Zugabe für ein anderes Objekt ohne Spielwarenabsender, beginnen Extra-Herstellung und Produktmanagement auf Basis der Ideen der internen Expertenrunde mit der Zugabenentwicklung: Produzentenansprache, Musterrecherche, Computer-Entwurf, Kalkulation, physischer Dummy, Artworkentwicklung, Produktsicherheitstests, Produktion, Transport… Nach mindestens einem halben Jahr verheiraten wir dann beim Konfektionierer das gedruckte Heft und die produzierte Beigabe zum finalen Produkt und übergeben unsere Magazine an den Vertrieb.

In welchem Alter beginnt das „Aufmerksamkeitsfenster“ für analoge Medienprodukte sich zu schließen?

Im Alter von zehn bis 13 Jahren gewinnen digitale Endgeräte rapide an Relevanz. Ich sehe aber darin keine bewusste Abkehr von Print, sondern eine altersbedingte Interessenverschiebung. Das pubertierende Kind öffnet sich der Welt und hat einen erhöhten Kommunikationsbedarf – und das Smartphone ist das allgegenwärtige Medium.

Können Produzenten etwas tun, um diese Kunden länger bei der Stange zu halten?

Gegen die genannte Interessenverschiebung ist zunächst mal kein Kraut gewachsen. Und Themen, die darüber hinaus für Jugendliche von Interesse sind, der Star- und Entertainment-Bereich etwa, waren zwar in Form von Teeniezeitschriften jahrzehntelang gedruckte Millionenseller. Diese Themen aber werden heute von den Promis selbst über Social Media in einer derart unmittelbaren Qualität bedient, dass sich Print erst gar nicht mehr bemühen muss, dagegen anzukommen.

Generell gilt trotz alledem: Beste Chancen, auch gedruckt weiterhin wahrgenommen und gekauft zu werden, hat man immer dann, wenn man relevante und authentische Inhalte zu zeitgemäßen Themen exklusiv präsentiert. Wir bei Blue Ocean mit unserem Kinderzeitschriftenportfolio sind dafür ein Beleg, aber auch der aktuelle Trend, Magazine für erwachsene Leser mit einem Promi als Namensgeber oder Absender zu machen, bestätigt die Sehnsucht der Konsumenten nach gedruckter Unverwechselbarkeit und Exklusivität.

 

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