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Welche Online-Rituale Teams zusammenhalten

Ob der Plausch mit dem Kollegen auf dem Flur oder das gemeinsame Mittagessen: Schon kleine Rituale stärken das Zugehörigkeitsgefühl und den Zusammenhalt im Team. Damit das auch auf Distanz funktioniert, lassen sich Unternehmen und Teams einiges einfallen, etwa eine gemeinsame digitale Pause. (Foto: 123RF.com/ake1150)

Nach entspannten Sommermonaten, die für viele auch ein Wiedersehen mit ihren Kolleginnen und Kollegen im Büro bedeutet haben, wird mit der eskalierenden Corona-Lage wieder der Rückzug ins Homeoffice angetreten. Mit welchen digitalen Routinen und Ritualen sich der Zusammenhalt des Teams auch auf Distanz aufrecht halten lässt, erklärt die Kulturanthropologin, Unternehmerin und Autorin Jitske Kramer in einer zweiteiligen Serie im Channel Produktion & Prozesse von buchreport.de. 

Kramer erforscht Wege zum Aufbau von „Corporate Tribes“, also von Teams, die nicht nur durch die Vernunft, sondern auch durch Emotionen zusammengehalten werden.

Im hier vorliegenden 2. Teil ihrer Serie zu Online-Routinen und -Ritualen liegt der Fokus auf der praktischen Umsetzung.

 

Neue Rituale: Online-Flure und Kaffeegespräche

Am häufigsten wird der Verlust der ungeplanten, zufälligen Begegnungen genannt. Es gibt Dutzende Personen, zu denen wir schon seit Monaten keinen Kontakt mehr hatten. Die verbleibenden Kontakte sind strukturierter und formeller. Zugleich werden Kontakte zu direkteren Kolleginnen und Kollegen persönlicher, denn wir können den anderen ins Wohnzimmer schauen und erfahren viel mehr über deren private Situation als früher.

Es herrscht viel Kreativität rund um das Organisieren von Online-Serendipität. Im Folgenden finden Sie eine ganze Liste von Aktivitäten, wie man online und aus der Ferne zufällige Begegnungen und menschliche Kontakte ermöglichen kann. Manche davon werden entfallen, wenn wir wieder selbst entscheiden dürfen, ob wir uns sehen, andere könnten sich auf Dauer etablieren.

Machen Sie eine Gewohnheit daraus, mindestens ein Meeting pro Woche abzuhalten, in dem es um alles Mögliche gehen kann, nur nicht um die Arbeit.

Die meisten der folgenden Aktivitäten kosten kein Geld, aber Zeit. Vergessen Sie nicht, dass Sie diese Zeit auch miteinander verbringen würden, wenn Sie gemeinsam im Büro wären. In Organisationen, in denen alle remote arbeiten, ist es gang und gäbe, dass jeder ein paar Stunden pro Woche für soziale Aktivitäten mit Kolleginnen und Kollegen aufwendet.

»Ich vermisse das zufällige Sprechen mit Menschen. Online ist die spontane Interaktion etwas eingeschränkter. Es ist wirklich schon sehr lange her, dass ich mit anderen im Team mal spontan herzlich gelacht habe.« (Erfahrung aus dem Feld)

Beispiele für Online-Flure und Kaffeegespräche

Hier finden Sie eine Auswahl aus den vielen Beispielen, die bei mir eingegangen sind. Probieren Sie sie selbst aus und lassen Sie sich davon zu neuen Ideen inspirieren.

  • Das digitale Büro: Wir haben eine Teams-Session, die den ganzen Tag offen ist und in die jeder rein und raus kann. Ich schiebe sie am liebsten auf einen separaten Bildschirm, Video an, Ton aus. Und dann ganz normal arbeiten. Zwischendurch einander Fragen stellen, erzählen, was man zu Mittag essen wird, oder sich darüber informieren, welche Musik die eine Kollegin wohl hört, die da gerade tanzt. Manchmal habe ich ein digitales Büro mit ein oder zwei Kollegen, mit denen ich direkt zusammenarbeite, manchmal mit einer Gruppe, die mehr oder weniger dieselbe Arbeit macht wie ich, und manchmal einfach mit der gesamten Abteilung. Worüber man sich austauscht, hängt von der Gruppe ab, und gerade diese Abwechslung ist angenehm. Auf diese Weise arbeitet man allein und doch auf gewisse Art zusammen. In Zoom kann man offenbar sogar einen DJ-Raum erstellen, in dem jeder die Musik von seinem Computer teilen kann. Das will ich auch noch ausprobieren.
  • Remote-Projekttag: Manchmal arbeiten wir wirklich einen Tag lang remote zusammen. Nach einem morgendlichen Online-Stand-up erstellen wir gemeinsam eine Agenda: „Wer arbeitet mit wem von wann bis wann?“ Am Ende des Tages kommen wir dann wieder online zusammen und feiern, dass wir ein ganzes Stück Arbeit erledigt haben. Dieses Gefühl des Miteinanders und dann wieder zusammen zu sein, gibt regelrecht einen Kick. Wenn wir einen Tag lang so fokussiert zusammenarbeiten, erhält das Projekt doch einen anderen Impuls, als wenn jeder oder jede für sich daran arbeitet. Eine schöne Art, um Tempo und Rhythmus zu erzeugen.
  • Kaffee-Blind-Date: Jeden Tag ziehen wir über eine App ein Los. Und mit der zugelosten Person telefoniert man dann in der Kaffeepause von 10:30 bis 10:45 Uhr.
  • Buddy-Bingo: Jede Woche wird jeder per Zufall mit einem anderen Teammitglied für ein richtiges Live-Treffen verkuppelt. Zusammen wandern, ein Museum besuchen, Sport treiben oder ins Theater gehen: ein realer, enger Moment von Kontakt und Entspannung.
  • Wer? Kaffee! Jetzt!: Wenn man Lust auf ein Kaffeegespräch hat, ruft man in unsere WhatsApp-Gruppe „Wer? Kaffee! Jetzt!“. Und dann kann man mit den Leuten, die Lust darauf haben, online eine Runde quatschen.
  • Positiv lästern: Wir beenden jede wöchentliche Besprechung mit einer positiven Lästerrunde. Jedes Mal ist jemand anderes an der Reihe. Diese Person schaltet ihr Mikro stumm und wir bringen alle zum Ausdruck, was wir an ihr so fürchterlich toll finden.
  • Silent Disco: Wir dürfen zwar am Standort arbeiten, sitzen nun aber weit über das Gebäude verteilt. Wir haben eine Silent-Disco-Ausrüstung angeschafft, über die jemand eine Präsentation halten kann, die alle gleichzeitig hören. Auf der wir aber auch Musik laufen lassen und alle einfach mal ausflippen können in den diversen Räumen und Fluren.
  • Tür-steht-offen-Moment: Ich bin der Leiter einer großen Abteilung. Tagsüber sitze ich eine Stunde lang mit eingeschalteter Kamera in einem Teams-Meeting. Jede Person, die will, kann sich spontan einloggen, mir eine Frage stellen oder mir etwas erzählen. Daran mussten wir uns alle erst gewöhnen, aber es funktioniert sehr gut. Ich finde es klasse, wenn aus dem Team heraus unkonventionelle Ideen kommen. Das passiert jetzt eigentlich häufiger als früher.
  • Slack-Kneipe: Diese Kneipe betreiben wir mit viel Freude und Erfolg nun schon seit zwei Jahren bei Human Dimensions. Neben den praktischen und geschäftlichen Kanälen haben wir auch den Kanal #randomfun und #randomshit. Dort teilen wir all die Dinge, die man sich beim Kaffee oder beim Bierchen erzählen würde. Kummer und Freude, ob groß oder klein. Arbeit und Privates. Ein fortwährender Check-in von Höhen und Tiefen, wobei es allen freisteht, wie aktiv er oder sie hier ist.
  • Vlog-Gespräche: Zu jeder Wochenbesprechung nimmt jemand anders einen kleinen Vlog-Beitrag auf, über den wir dann reden. Der kann von der Arbeit handeln, aber auch ein Hobby oder andere Talente vorstellen.
  • Spontan anrufen: Man möchte es kaum glauben, aber einfach mal jemanden spontan anzurufen, ohne Ziel oder Notwendigkeit, ist richtig schön. Als ob man sich gerade auf dem Flur trifft.
  • Virtuelle Tour: Jedes Teammitglied nimmt die anderen während unserer Teams-Meetings der Reihe nach mit auf eine virtuelle Tour durchs Haus, das Viertel oder zu einem anderen Ort, der ihr oder ihm etwas bedeutet. So lernt man sich wirklich völlig anders kennen.
  • Geplante Kaffee-Verabredungen: Bei uns arbeiten etwa dreihundert Menschen und wir fordern uns gegenseitig heraus, ein- bis zweimal pro Woche eine geplante Verabredung zum Kaffee in den Kalender eines anderen einzutragen. Einfach so, für fünfzehn Minuten. Jedes Mal mit jemand anderem: mit jemandem, den man noch nie getroffen hat, mit jemandem, dessen Namen man regelmäßig hört, den man aber noch nicht richtig kennt, mit jemandem, von dem man auf die eine oder andere Weise in seinem Projekt abhängig ist, mit jemandem, der neu ist im Unternehmen, mit jemandem, vom dem man denkt, dass man über irgendetwas nicht einer Meinung ist. Und im Teammeeting fragen wir einander, wer wen diese Woche getroffen hat und was dabei überraschend war.
  • Wer ist wer?: Wir sind ein großes Unternehmen mit Niederlassungen in der ganzen Welt. Bei uns gibt es ein bestimmtes Meeting, das mehrere Male an unterschiedlichen Tagen der Woche und zu wechselnden Zeiten in den festen Unternehmenskalender aufgenommen ist. Alle können sich spontan einwählen, und viele machen davon auch Gebrauch. Es gibt keine inhaltliche Agenda, einfach nur eine halbe Stunde lang neue Menschen treffen und hören, womit sie sich beschäftigen. Die Regel ist, dass man jede Frage stellen darf, aber nicht auf alles antworten muss. Das ist immer wieder überraschend, momentan vor allem, wenn man hört, wie sich die Corona-Regeln überall unterscheiden.
  • Täglicher Check-in: Jeden Tag nehmen wir uns eine Viertelstunde für einen Check-in. Jeden Tag eine Frage, die hilft, die Stimmung im Team zu ergründen. Jedes Mal übernimmt jemand anderes die Moderation. Wir nutzen dazu Deep Democracy, doch es geht ganz sicher auch anders.
  • Persönliche Erfahrungen: Ich bin Teamleiter und schicke meinem Team seit März (2020 – Anm. d. Übers.) alle zwei Wochen meine persönlichen Erfahrungen und Reflexionen, gefolgt von Dingen, die mich als Teamleiter beschäftigen, immer verbunden mit der Einladung, mich zu kontaktieren. Ich spüre, dass mein Team das sehr schätzt. Außerdem gehe ich jeden Tag während der Mittagspause spazieren und telefoniere dann immer mit einem anderen Teammitglied.

 

Der Channel Produktion & Prozesse

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Online-Events, die die Organisationskultur stärken

Schauen Sie sich die Werte Ihrer Organisation an, Ihr Team, den Kommunikationsrhythmus, die Bedürfnisse der Teammitglieder und wählen Sie dann ein paar Aktivitäten aus. Nehmen Sie sie in den Kalender auf. Sie sollten anfangs möglichst obligatorisch oder zumindest super attraktiv sein, bis sie zur Routine werden. Achten Sie darauf, dass Sie den Sinn dieser Aktivitäten gut vermitteln, indem Sie deren Verbindung zu den Werten der Organisation verständlich erläutern. Beziehen Sie die zugehörige kulturelle Komponente der Organisation immer in angemessener und lockerer Weise zu Beginn der Aktivität ein. Das macht es wichtiger, spannender und magischer. Aufrichtigkeit und Aufmerksamkeit sind dabei von ganz entscheidender Bedeutung, sonst endet das Ganze als Gimmick oder Spielerei.

»Vertrauen wächst durch persönlichen Kontakt und Interesse. Das war bereits vor Corona für manches Team und manche Führungskraft eine Herausforderung, doch nun ist es noch herausfordernder geworden.« (Erfahrung aus dem Feld)

Beispiele für Online-Events, die die Organisationskultur stärken

Hier finden Sie eine Auswahl aus den vielen Beispielen, die bei mir eingegangen sind. Probieren Sie sie selbst aus und lassen Sie sich davon zu neuen Ideen inspirieren.

  • Inspirations-Sessions: Mit einer Präsentation von einem guten externen Referenten oder einem Ihrer eigenen Kollegen. Vielleicht auch gemeinsam einen kurzen Dokumentarfilm anschauen. Und danach in Online-Breakout-Räumen anhand einiger Fragen weiter darüber reden. Gute Gespräche führen, manchmal mit Bezug zu einem konkreten Projekt, weil uns Lernen wichtig ist.
  • Auch für die Familie: Manchmal schickt das Unternehmen meines Mannes ein tolles Paket – mit einem Update vom Unternehmen und einem Inhalt, der auch unserer gesamten Familie gefällt. Neulich gab es Popcorn, Cola und einen Gutschein, um zu Hause einen Film anzuschauen. Mit der Nachricht, dass alle Beschäftigten für ihren Einsatz sehr geschätzt werden, aber auch Quality Time mit der Familie / zu Hause verbringen sollten, zum Beispiel zusammen gemütlich einen Film ansehen. Prima für meinen Mann, gelobt zu werden, und auch toll für die ganze Familie.
  • Buchclub: Wir haben jetzt einen aktiven Buchclub. In einer ständig wachsenden Gruppe von Kollegen lesen wir ein Buch und treffen uns dann online, um darüber zu sprechen. Manchmal ist es ein Roman, ein andermal eher etwas Arbeitsrelevantes.
  • Wilde-Ideen-Session: Bei uns ist Kreativität sehr wichtig. Wir planen diese wilden Sessions an verschiedenen Zeitpunkten im Laufe der Woche ein. Alle sind willkommen, etwas zu präsentieren oder einfach nur zuzuhören und Ideen einzubringen.
  • Management by Poetry: Ich schicke meinem Team regelmäßig ein Gedicht. Mit einem Text, der mich berührt, und einer Geschichte über unser Team. Macht mir selbst viel Freude und wird sehr gut aufgenommen.
  • Gesunde-Routinen-Challenge: In einer Gruppe von Kolleginnen und Kollegen haben wir beschlossen, unsere bisherige Fahrzeit zu nutzen, um gesünder aus dieser COVID-Zeit herauszukommen. Im Fernsehen sieht man so viel Angst, dem wollten wir etwas Positives entgegensetzen und selbst aktiv unser Immunsystem stärken. Mit guter Ernährung (wir teilen Rezepte und kochen manchmal „zusammen“) und Bewegung. Alle machen morgens und abends nach Belieben Sport: Joggen, Yoga, Atemübungen. Manchmal allein, manchmal zusammen via Teams. Sehr motivierend.
  • Speed Date: Wir hatten nun schon zwei Mal eine Zoom-Veranstaltung mit einer kurzen Einführung zur Bedeutung von Beziehungen und einer schön vorgetragenen Rede unseres Geschäftsführers. Im Anschluss wurden die 80 Anwesenden drei Mal für zehn Minuten paarweise in Breakout-Räume geschickt, um sich anhand einiger Themen kennenzulernen.
  • Das Trefft-euch-Budget: Wir arbeiten komplett über die Niederlande verteilt und uns ist Kontakt sehr wichtig. Jede Woche entscheiden wir, wer der Glückspilz ist, der ein Trefft-euch-Budget von 150 Euro bekommt, natürlich immer im Rahmen der dann geltenden Corona-Maßnahmen. Anschließend werden begeistert Fotos geteilt.
  • Wöchentliches Überraschungsmoment: Wir haben einen Kollegen gebeten, während unseres Wochenstarts via Teams jedes Mal bei jemandem als eine Art Überraschungsgast vor der Tür zu stehen – immer mit einem persönlichen Geschenk und einer Ansprache oder einem Lied. Davon gibt es dann Live-Bilder von der Straße und vor der Haustür. Das sorgt für viel Heiterkeit und Enthusiasmus. Und es schafft eine Menge Verbundenheit, Freude und Wertschätzung.
  • Organisations-Spirit: Bei uns gibt es jetzt jeden Monat ein einstündiges Zoom-Meeting zu einem strategischen Ziel unserer Organisation. Im Vorfeld erhalten wir einen Blog oder Vlog zum Inhalt und es wird eine klare Frage gestellt. Falls die Gruppe zu groß ist, wechseln wir in Breakout-Räume. Jemand von uns übernimmt die Aufgabe, eine kurze Zusammenfassung zu schreiben und an den Initiator – meist die Geschäftsleitung – zu schicken.
  • Gesundheits-Check: Wir haben eins unserer Online-Meetings in Gesundheits-Check umbenannt. Wir bemerkten, dass alle durch die Intensität der Erfahrungen im Arbeitsalltag mit Emotionen aufgeladen waren. Da wir uns jedoch nicht ausreichend oft live sehen, blieben manche aus dem Team zu lange mit allerlei aufgestauten Emotionen allein. Deshalb gibt es jetzt diesen Moment, wo wir einander ernsthaft fragen: Geht es dir gut? Nicht zu viel Stress? Hast du heute genug Pausen gemacht? Nimmst du dir genug Freizeit? Hast du Projekte mit zu viel Stress? Aufgaben, die sich als aufwendiger erweisen als angenommen? Und dann hören wir einander auch wirklich zu. Wenn es passt, meditieren wir auch gemeinsam online, aber nicht alle begeistern sich dafür.
  • Bunter Abend: Normalerweise gibt’s bei uns viele Feiern und Kostümpartys neben der Arbeit. Jetzt organisieren wir ab und zu einen bunten Abend, zu dem einige Sketche und Lieder vorbereiten und alle in Verkleidung kommen. Wir hatten auch schon eine Online-Weinverkostung und regelmäßig gibt es einen Freitag- Nachmittags-Umtrunk mit nach Hause verschickten „Fresspaketen“. Neulich hatten wir einen Abend mit einem DJ, an dem alle im eigenen Wohnzimmer ausflippten.
  • Meet the family: Da wir ja nun so häufig Kinder, Partner und Mitbewohner im Hintergrund durchs Bild huschen sehen, haben wir einen Familienabend organisiert. Da haben wir uns gegenseitig einige der Mitbewohner vorgestellt: Kinder, Katzen, Partner – alles war dabei.
  • Teambuilding: Im Vorfeld haben wir alle den Insights-Discovery-Test durchgeführt und ihn anschließend mit einem externen Moderator ausgewertet. Man kann natürlich auch einen anderen Test verwenden oder eins der vielen online verfügbaren Lern-dein-Team-kennen-Spiele. Der Zugewinn bei unserem Vorgehen lag in den ernsthaften Gesprächen und neuen Erkenntnissen. Etwas, das ein Offline-Training auch bieten würde.
  • Avatare in einer virtuellen Welt: Ich wunderte mich darüber, dass sich viele Erwachsene ziemlich müde von einem digitalen Meeting ins nächste schleppen, während unsere Kinder endlos in den 3D-Welten von Fortnite und Minecraft spielen können. Deshalb habe ich gemeinsam mit einem Team eine digitale Welt erfunden, in der wir diese virtuellen Gaming-Techniken ins geschäftliche Umfeld übertragen. Jede Person, die teilnimmt, erhält ihren eigenen Avatar, genau wie bei The Sims of Fortnite. Man kann damit durch das Gebäude oder das Kongresszentrum laufen, rennen, fliegen, sich teleportieren und Gespräche mit anderen führen. „In dieser 3D-Welt kann man sich mit Leichtigkeit zwei bis drei Stunden vergnügen, während in einem normalen digitalen Meeting die Aufmerksamkeit bereits nach dreißig Minuten nachlässt“, so Martijn Lofvers (googeln Sie ruhig einmal seinen Namen).
  • Escape Room: Im Rahmen einer Online Experience gemeinsam mit Kollegen und/oder Kunden in kleinen Gruppen Rätsel lösen, die eine Verbindung zur eigenen Organisation haben. Die Teilnehmenden werden vom Spiel gepackt, müssen eng zusammenarbeiten und nachdenken, um die Codes zu knacken. DenkProducties (Seite in niederländischer Sprache) entwickelte diese Anwendung für Mitarbeiter- und Kundentage, die nun online stattfinden müssen, inklusive einer Story, die komplett auf die eigene Organisation zugeschnitten ist.
  • Wanderstaffel: Um untereinander in Kontakt zu bleiben, haben wir im Juni eine Wanderstaffel gestartet. Ich als Geschäftsführer unternahm eine Wanderung mit einem Kollegen und übergab ihm dabei das speziell dafür angefertigte Unternehmensfähnchen. Dann ging dieser Kollege mit einem anderen wandern und übergab ihm das Fähnchen. So ging es weiter. Jeder aus der Belegschaft war auf zwei Wanderungen. Das Fähnchen ist sogar in Dordrecht und Ulicoten gewesen. Wir versuchten, vor allem diejenigen zusammenzubringen, die sonst eher selten miteinander sprechen. Von jedem Treffen wurden ein Foto und ein kurzer Bericht an alle anderen gemailt. Letzten Freitag schloss sich der Kreis. Der letzte Kollege ging wieder mit mir wandern. Das Fähnchen kam zurück ins Büro. Nun werden wir uns etwas Neues überlegen, um die Kontakte untereinander zu pflegen, denn vorläufig arbeiten wir sicher noch weiter zu Hause.
  • Wer ist der Maulwurf?: Sie und Ihr Team haben 30 Tage Zeit, ein anderes Teammitglied zu überraschen, zu verblüffen und zu erfreuen (Losverfahren). Sie müssen sich dazu in die Person hineinversetzen und herausfinden, was sie wirklich liebt. Und – das ist der Haken – er oder sie darf nicht merken, dass Sie es waren!

 

Online-Onboarding-Rituale für neue Mitarbeitende

Aus dem eigenen Wohnzimmer heraus den Weg in eine neue Organisation zu finden, fällt nicht leicht. Einloggen, das Intranet nach den richtigen Dokumenten durchsuchen und mithilfe von Teams und Chat-Nachrichten Beziehungen zu all den fremden Personen aufbauen. Wie kann man remote Stolz für ein schönes Logo und ein leeres Gebäude fühlen? Eine erste Einschätzung sagt, dass Organisationen, die schon früher schlechte Einarbeitungsroutinen hatten, nun gnadenlos einbrechen. Genau wie überall in dieser Krise werden die guten und die schlechten Muster verstärkt. Deshalb ist die wichtige Gewissensfrage für jede Organisation: Wenn die Art, neue Mitarbeitende einzuarbeiten und willkommen zu heißen, bereits miserabel war, wie sieht es dann aktuell damit aus? Und was gedenken Sie jetzt daran zu ändern?

»Ich habe am 1. April bei meinem neuen Arbeitgeber angefangen. Mir wurde eine große Kiste (Starterpaket) mit meinem Notebook, Karte, Gadgets und Konfetti geschickt. An den ersten beiden Tagen hatte ich eine klare Agenda – diverse Sessions via Teams. Ein sehr warmer und herzlicher Start, doch danach fiel ich in ein gewaltiges Loch. Ich musste alles selbst herausfinden. Unklare bis keine Prozesse, keine Ahnung, wen ich wegen welcher Themen ansprechen muss … Bei meinem vorherigen Arbeitgeber hatte ich ein komplettes Onboarding-Programm durchlaufen, mit einem Buddy, der mich Schritt für Schritt in die Organisationskultur einführte. Nun musste ich über einen Bildschirm in einem großen Meer voller Informationen und mit viel Unbekanntem schwimmen. Ich habe mir also ein Herz gefasst und alles Mögliche ausprobiert, um doch ein Gefühl für die Mitarbeiter und das Unternehmen zu bekommen. Doch wenn ich ehrlich bin, fühle ich noch wenig Bindung zu meinem heutigen Arbeitgeber. Die Hälfte meiner Kollegen und Kolleginnen habe ich noch nie gesehen und bin noch nach einem halben Jahr auf der Suche danach, was wo steht, wie welche Prozesse ablaufen und an wen ich mich wegen welcher Dinge wenden kann. Es gibt zwar eine monatliche Online-Lunch-Session mit dem CEO mit Informationen zu den Zahlen und zum Umgang mit Corona und ab und zu eine Session zum Erfahrungsaustausch, aber nicht einen einzigen freudigen Moment wie einen Umtrunk, ein Spiel oder einen Anruf mit der Frage: „Wie geht es dir?“ Ich spüre noch immer wenig Loyalität und habe das wirklich gründlich satt.« (Erfahrung aus dem Feld)

Wenn man eine Organisation als ein lebendes Ganzes aus Menschen und Beziehungen und aus Prozessen, Aufgaben und Zielen betrachtet, muss man ein neues Teammitglied auf all diesen Gebieten willkommen heißen. Klare Prozessbeschreibungen und Roadmaps erlangen in hybriden Organisationen noch mehr Bedeutung, weil niemand neben ihnen am Küchentisch sitzt, den sie einfach mal fragen können, wo was steht. Darüber hinaus sind das informelle Netzwerk und die persönlichen Kontakte entscheidend für Verbindung, Vertrauen, Stolz und Loyalität. Am Beginn einer neuen Arbeitsbeziehung geben Sie dem neuen Teammitglied gleichsam einen Reiseführer mit Lonely-Planet-Informationen über Ihren Tribe an die Hand: seine Geschichte, die Heldengeschichten, Ihre Vorstellungen, wie die Arbeit am besten erledigt werden kann, wie man am nützlichsten für die Kundinnen und Kunden ist, besondere Bräuche und Gewohnheiten, die absoluten Dos und ganz sicher auch die Don’ts. Welche Tabus muss man kennen? Was darf man auf keinen Fall sagen und was passiert, wenn man es dennoch tut? Was ist die Sprache der Organisation und welche Abkürzungen und anderen geheimen Codes gibt es? Existiert ein Grundriss der wichtigen (Online-)Orte?

Falls Sie über diese Art kultureller Information noch nicht verfügen, dann sollten Sie beginnen, sich dieser wichtigen Aufgabe zu widmen. Eine solche Kulturdefinition brauchen Sie ohnehin für den Aufbau Ihrer hybriden Organisation. Insofern schlagen Sie zwei Fliegen mit einer Klappe. Betätigen Sie sich selbst als Anthropologin oder Anthropologe und schreiben Sie einen Reiseführer für die neuen Teammitglieder. Das ist sicher auch eine Bereicherung für die Mitarbeitenden, die schon eine Zeit lang an Bord sind.

Für die (Online-)Einarbeitung können Sie etliche der bereits früher genannten Aktivitäten nutzen. Wichtig ist, dass jemand das neue Teammitglied an die Hand nimmt und dabei hilft, Türen bei ihm noch unbekannten Kolleginnen und Kollegen zu öffnen. Lassen Sie niemanden allein herumstöbern, vor allem nicht in einer hybriden Organisation.

 

Beispiele für Online-Onboarding-Rituale für neue Mitarbeitende

Hier finden Sie eine Auswahl aus den vielen Beispielen, die bei mir eingegangen sind. Probieren Sie sie selbst aus und lassen Sie sich davon zu neuen Ideen inspirieren.

  • Virtueller Rundgang: Am besten trifft man sich physisch und läuft eine Runde durch das Gebäude, auch wenn es fast leer ist. Wenn das nicht geht, dann nehmen Sie doch jemanden mit auf einen virtuellen Rundgang. Einfach via Facetime und mit einem Kollegen als Kameramann. Und erzählen Sie dabei Geschichten, wie bei einer Stadtführung. Mit Anekdoten bei der Kaffeeküche und den Nachrichten am Schwarzen Brett.
  • Entrance Room: Wir organisieren immer ein Spiel, das wir Entrance Room (anstelle von Escape Room) nennen. Das ist eigentlich ein Brettspiel, das wir nun online spielen. Darüber hinaus erstellen wir gerade Vlogs und sammeln Blogs, die die Identität der Organisation wiedergeben.
  • Fünf Mal „Wer wir sind“: Wir planen für jedes neue Teammitglied fünf (oder mehr) halbstündige Online-Treffen mit dem Agenda-Punkt „Wer wir sind“. Gestandene Mitarbeiter erzählen und der Neueinsteiger kann Fragen stellen.
  • Zwei Wochen mitlaufen: Bei uns darf man sich zwei Wochen lang einarbeiten, um nicht sofort unter dem Druck zu stehen, 100% leisten zu müssen. In dieser Zeit laden wir diejenigen zu einer Reihe sehr unterschiedlicher Online-Meetings und zu vielen Vier-Augen-Gesprächen ein. Und wir organisieren Corona-konforme Spaziergänge mit Kollegen.
  • Arbeitsaufgabe mit vielen: Wir sorgen dafür, dass das neue Teammitglied für seine erste Arbeitsaufgabe ganz viele Menschen braucht, sodass diese Person einen Grund hat, in Verbindung mit der Aufgabe viele neue Kolleginnen und Kollegen anzusprechen. So ist das Eis schnell gebrochen und der- oder diejenige erhält einen wichtigen ersten Eindruck. Wenn man das nicht gleich von Anfang an macht, ist es später sehr schwer, das nachzuholen.
  • Auf dem Foto: Bei uns muss man innerhalb eines Monats mit 40 Personen aus dem Betrieb ein Foto machen. Das dürfen auch Screenshots sein.
  • Kultur-Bingo: Wir geben dem neuen Teammitglied eine Kultur-Bingo-Karte mit allen Aktivitäten, die zu unserer Kultur passen. Beispielsweise: Widersprich einmal dem CEO, erkundige dich einmal ganz direkt nach jemandes Gefühlen, ruf willkürlich jemanden aus der Organisation an, ruf einen Kunden an und frag ihn, was er oder sie von unseren Dienstleistungen hält. Eine volle Karte feiert man dann mit dem gesamten Team.
  • Neueinsteigerseite: Wir haben eine Website mit allen neuen Kolleginnen und Kollegen angelegt und ermuntern die anderen Teammitglieder, sich dort umzusehen und Kontakte zu knüpfen.

Mit freundlicher Genehmigung des dpunkt Verlags.

 

Jitske Kramer: Die Arbeit hat das Gebäude verlassen. Wie sich unsere Zusammenarbeit nach dem Corona-Kulturschock ändert.

  • dpunkt Verlag, September 2021
  • Broschiert, 244 Seiten, 24,90 Euro, ISBN: 978-3-86490-863-7
  • Auch als E-Book sowie als Buch/E-Book-Bundle erhältlich

 

 

 

 

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