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Im Einkauf kein Einsparpotenzial mehr verschenken!

Der Boom der Preise für grafische Papiere hat zwar laut Destatis eine Verschnaufpause eingelegt. Doch in anderen Bereichen der Materialwirtschaft und der sonstigen Beschaffung kann von stabilen Preisen nur geträumt werden. Was ist zu tun?

Berater Markus Wilhelm rät im Prozesschannel von buchreport.de dazu, die eigene Einkaufspolitik immer wieder zu überprüfen und zeigt anhand von konkreten Beispielen, welch große Hebel möglich sind, wenn Einkauf durch erfahrene Einkäufer erfolgt.

 

Markus Wilhelm ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Publisher Consultants. Das Beratungsunternehmen hat seine Schwerpunkte in den Bereichen Strategie, Geschäftsmodelle, Prozesse, Einkauf und IT. (Foto: Publisher Consultants)

Wenn es um den Erfolg eines Verlags geht, spielen Beschaffung und Lieferanten eine oft unterschätzte Rolle. Sehen Sie sich einmal folgende Beispiele an:

  • Eine Senkung der Einkaufskosten um nur 1% leistet den gleichen Gewinnbeitrag wie eine Umsatzsteigerung um stolze 5% – bei identischer Kostenstruktur.
  • Verlage geben heute durchschnittlich 20% ihrer Umsätze für den Einkauf von Waren und Dienstleistungen aus – eine Größenordnung, von der man denken könnte, dass sie überzeugend genug ist, um über das Potenzial dieser Stellschraube nachzudenken.

Mit einem strategischen Einkauf von vertriebsfähigen Produkten lassen sich Kosten sparen, Innovationen schnell und effizient auf den Markt bringen, Prozesskosten und Kapitalbindung positiv beeinflussen. Dieses Potenzial wird in Verlagen zu wenig oder gar nicht gehoben.

Tatsächlich herrscht in vielen Verlagen eine Situation vor, die von typischen Fehlern im Einkauf geprägt ist. Das führt zu schlechten Beschaffungspreisen und wirkt als Erfolgsbremse. Dazu gehören u.a.:

  • Die Lieferanten verhandeln alle Konditionen direkt mit den Abteilungen oder einzelnen Mitarbeitern. Die Herstellung kauft zum Beispiel nur den Produktionsbedarf ein, Werbung und Marketing oder IT sitzen auf ihren bereichsbezogenen Budgets, ganz zu schweigen von den Zentralen Diensten. Eine zentrale bündelnde Instanz, die bei großen Verhandlungen auch mit am Tisch sitzt, fehlt.
  • Es fehlen Preislisten, übergreifende Verträge und Konditionsvereinbarungen. Alte projektbezogene Anfragen werden durch neue Anfragen überschrieben. Das macht nicht nur mehr Arbeit, sondern ist auch fehleranfällig, denn es ist nicht sicher, dass die günstigste Anfrage als Vorlage dient. Und momentane Schwankungen in der Auslastung der Lieferbetriebe können schnell zu unliebsamen Preisschwankungen führen – Abhängigkeiten könnten bei eiligen Nachdrucken denselben unerfreulichen Effekt haben.
  • Preisvergleiche und -analysen sind ungenau, zum Beispiel werden kein Total-Cost-of-Ownership-Vergleich (TCO) und keine Best-Price-Analyse durchgeführt.
  • Verhandlungen werden unzureichend vorbereitet und unbefriedigend durchgeführt.
  • Das Beschaffungs-Controlling ist lückenhaft, ungenau oder gar nicht vorhanden.

Gerade die fehlenden Controlling-Kennzahlen sind ein wesentlicher Stolperstein für einen erfolgreich agierenden Einkauf.

 

Wildes Einkaufen ist schädlich und riskant

Eine nicht minder große Gefahr liegt im vielfach praktizierten „wilden Einkaufen“, das in Verlagen nach wie vor weit verbreitet ist. Dieses „Maverick Buying“, der Einkauf im Alleingang, erweist sich als das komplette Gegenteil eines effizienten Beschaffungsprozesses: Indem einzelne Abteilungen oder Personen eigenmächtig Produkte oder Dienstleistungen beschaffen und – bewusst oder unbewusst – synchronisierte Einkaufsprozesse umgehen, torpedieren sie gleichermaßen eine strategisch agierende Beschaffungsorganisation.

Speziell im Einkauf von IT-Leistungen sind die Beschaffungskosten durch das Angebot von SaaS- (Software as a Service) Lösungen – also durch Mietlösungen – meist so niedrig, dass sie im Rahmen von bereichsbezogenen Budgets oder Limiten liegen und damit unter dem Radar des Einkaufs hindurchfliegen.

Vordergründig betrachtet mag diese Eigeninitiative Vorteile haben, wie etwa eine höhere Flexibilität und Geschwindigkeit. Genau genommen ist sie oftmals nur persönlichen Präferenzen gegenüber gewissen Lieferanten geschuldet.

Letztlich hat Maverick Buying eindeutig massive Nachteile und finanzielle Folgen für das gesamte Unternehmen:

  • Höhere Preise aufgrund unprofessionell geführter Verhandlungen, fehlender Preisvergleiche, Rahmenverträge und Volumenbündelung
  • Drohende Rechtsstreitigkeiten aufgrund mangelnder Fachkenntnisse
  • Unzureichende Kostentransparenz.

Dass sich ein derartiges „wildes Einkaufen“ im Verlag überhaupt etablieren konnte, kann verschiedene Ursachen haben. Das Spektrum reicht von Unwissenheit, wenn etwa vorgegebene Rahmenverträge schlichtweg nicht bekannt sind, bis hin zu Versäumnissen des Managements, das keine klaren Einkaufsprozesse definiert hat und Maverick Buying nicht entschieden unterbindet.

In vielen Verlagen finden wir heute auch historisch verankerte und jahrelang gepflegte Beziehungen von Fachabteilungen zu Lieferanten, die die Mitarbeiter ungeprüft fortführen. Auch in diesem Fall ist ein starkes Management mit eindeutigen Entscheidungen gefragt, um eine professionelle Beschaffungsorganisation zu etablieren. Dazu gehören auch klare Vorgaben, wofür der Einkauf verantwortlich ist und an welchen Stellen bzw. in welchem Umfang er den Fachabteilungen beratend zur Seite steht. Das erfordert ein Umdenken:

  • Weg von der eigenmächtigen Beschaffung einzelner Bereiche und hin zu einer zentralen Einkaufsorganisation.
  • Weg von dem Gedanken, dass der Einkauf im Verlag nur für Papier und Druck zuständig ist.

Vielmehr muss eine zentrale Beschaffung bspw. auch die Bereiche Marketing, IT und Technologie sowie Logistik einbeziehen. Ob es nun um die Beschaffung von Werbung und Telefonmarketing, Satz und Druck, Transport und Fulfillment oder Lizenzen und Programmierleistungen geht: Langfristiger Erfolg ist dem Verlag nur sicher, wenn der professionelle Einkauf mit am Verhandlungstisch sitzt. So ist gewährleistet, dass entwickelte Vorgaben zum Lieferanten- oder Beschaffungsmanagement umgesetzt werden und Fachkenntnisse in der Verhandlungsführung für Effizienz sorgen. Möglich ist dies auch mithilfe eines Externen, der Verhandlungen im Namen und Interesse des Verlags durchführt.

Welches Potenzial in der Beschaffung steckt, zeigt das Beispiel eines Verlags, der dank einer klugen Verhandlungsstrategie im Rahmen notwendiger Lizenzvereinbarungen für ein Redaktionssystem initial weit über 150.000 Euro und anschließend jährlich gut 30.000 Euro einsparen konnte. In einem anderen Fall konnten die Beschaffungskosten im Bereich Druck in einem Kinder- und Jugendbuchverlag innerhalb eines Jahres um 10-25% je nach Produktform gesenkt werden. Dies gelang durch neue Lieferanten, andere Produktionsstandorte und geschickte Verhandlung.

Die Verhandlungsführung übernimmt dabei der Einkäufer, während ihm der verantwortliche Fachabteilungsleiter bei technischen Fragen oder Ausflüchten des Lieferanten zur Seite steht. Zuvor wird die Verhandlungsstrategie abgestimmt und der professionelle Einkäufer wählt die entsprechende Verhandlungsart und -taktik aus. Entscheidend ist eine breite Basis von Werkzeugen, die übrigens auch (häufig unbemerkt) vom Verkäufer eingesetzt werden. Wer an dieser Stelle beispielsweise Zeitdruck auskontern kann, klug kommuniziert – auch mit Körpersprache – oder die Harvard-Methode beherrscht, führt Verhandlungen zu einem nachweislich besseren Ergebnis.

Der Channel Produktion & Prozesse

Weitere Lösungen, Impulse und Erfahrungsberichte für die Verlagsproduktion lesen Sie im Channel Produktion & Prozesse von buchreport und Channel-Partner Publisher Consultants. 
Hier mehr…

Einkaufsstruktur – eine Frage der Größe

Mit einem professionell aufgestellten Einkauf über alle Beschaffungsbereiche hinweg winken Verlagen große Erfolgspotenziale und langfristige Wettbewerbsvorteile – von der Senkung der Beschaffungskosten über eine direkte Steigerung des Gewinns bis zu einem schnelleren Time-to-Market. Außerdem profitiert der Verlag von qualitativ besseren Vereinbarungen und Verträgen, von der Entwicklung kosten- und qualitätsoptimierter Produkte und einem verbesserten Innovationsmanagement, um nur einige Aspekte zu nennen.

Gleichzeitig ist die Frage von Verlagen legitim, ob die Investition in professionellen Einkauf in einem gesunden Verhältnis zum Nutzen bzw. Ertrag steht und in welchen Einkaufsvolumengrößen welche Strukturen angeraten sind:

  • Bei einem Einkaufsvolumen über alle Leistungen und Produkte, also von Lizenzen über Marketing, Herstellung bis zur Logistik etc., bis 1,5 Mio Euro ist es empfehlenswert, alle ein bis zwei Jahre einen unabhängigen Analysten oder Berater für ein paar Tage ins Haus zu holen.
  • Liegt das Gesamteinkaufsvolumen zwischen 1,5 Mio und 6 Mio Euro, ist ein Einkäufer im Verlag ratsam, der entsprechende Weiterbildungen erhält und in alle relevanten Einkaufsthemen und Verhandlungen eingebunden ist. Dazu muss keine eigene Abteilung installiert werden, der Einkäufer kann zum Beispiel als Stabsstelle an die Geschäftsführung angebunden sein oder an den Herstellungsleiter berichten. In unregelmäßigen Abständen sollte die Leistung durch einen externen Berater auf den Prüfstand gestellt werden.
  • Ab einem Einkaufsvolumen von 6 Mio Euro im Jahr sollte es einen Bereich Einkauf im Verlag geben, der idealerweise beim kaufmännischen Bereich des Verlags angegliedert ist. Weiterbildungen und externe Unterstützung sind in dieser Größenordnung obligatorisch.

Unabhängig vom Einkaufsvolumen gibt es die Option externer Hilfe, sowohl in regelmäßigem Rhythmus als auch für konkrete Beschaffungsprojekte.

 

Einkaufskooperationen aufbauen

Insbesondere für kleinere und mittlere Verlage sollte die Möglichkeit von Einkaufskooperationen geprüft werden. Zahlreiche Einkaufsgenossenschaften in Industrie und Handel machen es uns vor.

Durch Volumenbündelung lassen sich bessere Preise, durch Standardisierung, Automatisierung und Spezialisierung erhebliche Prozesseffizienz erzielen. Durch Optimierung des Materialsortiments und erhöhten Gesamtbedarf wird die Verhandlungsposition deutlich gestärkt, und auch kleine und mittlere Verlage bekommen die Chance, durch Zusammenlegung von Kleinauflagen Lagerbestände weiter zu reduzieren. Konzentration auf die Kernkompetenzen im Verlag (nicht jeder kleine Verlag braucht einen Einkauf), Transparenz durch Benchmarking-Systeme, Synergiepotenziale in allen Funktionsbereichen der Beschaffung können Benefits aus Einkaufskooperationen sein.

Die Bündelung der Einkaufsvolumen kann auf Dienstleistungen und Produkte angewendet werden, und mehrere Unternehmen könnten ihre Einkaufsvolumen auch durch einen externen Analysten oder Berater bündeln lassen, der alle wesentlichen Aspekte des Einkaufs für mehrere Verlage managt.

 

Auch ein Einkaufsthema: Outsourcing

Beim Thema externe Unterstützung taucht fast zwangsläufig auch die ebenso spannende wie wichtige Frage auf, was Outsourcing hier leisten kann. Zweifellos spielt der Einkauf bei Make-or-buy-Entscheidungen eine große Rolle. Wie diese genau aussieht, kann allerdings nicht pauschal beantwortet werden. Denn allein die unterschiedlichen Verlagsgenres und Verlagsgrößen müssen differenziert behandelt werden, zudem müssen deren Rahmenparameter und auch die Dienstleistung, die outgesourct werden soll, genau analysiert werden. Ein professioneller Einkauf mit guten Controlling-Tools schafft erst die Grundlage für Outsourcing. Nur wenn die Zahlen bekannt sind, lässt sich eine Outsourcing-Entscheidung treffen. Gerade hier ist externe Hilfe durch einen Berater empfehlenswert.

Neben der hohen Bedeutung des Einkaufs beim Outsourcing gibt es zwei weitere Aspekte, die in diesem Zusammenhang unbedingt beachtet werden müssen: Ebenso wichtig ist es nämlich, dass die Workflows angepasst und neu definiert werden sowie Aufgaben und Verantwortungen verlagert werden müssen. Nur dann kann Outsourcing erfolgreich sein – eine große Herausforderung.

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