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Poker mit Sprengkraft

Der Marktführer Thalia dreht derzeit wieder an der Konditionenschraube.Ein Überreizen der Rabatte birgt Gefahren für das System des Buchhandels. Ein Kommentar.
Innovativer Marktgestalter und Gegenpart zu den mächtigen Amazonen: Der stabilisierte Handelsriese Thalia präsentiert sich bei den Verlagen als Premium-Partner mit optimiertem stationären Netz und ausgefuchster Cross-Channel-Strategie. Nach dem Weltbild-Sturz und im Kontext der Hugendubel-Neuaufstellung akzentuiert die Douglas-Tochter ihre Systemrelevanz, die sie sich von den Verlagen mitfinanzieren lassen will. Die Wunschliste reicht nach buchreport-Informationen bis zu zusätzlichen 5 Prozentpunkten Rabatt. Mit geschlossenem Visier wird darüber in Verlagen bitter geklagt. Am Ende wird man sich dann doch irgendwo treffen, auch wenn die Zähne dabei knirschen.  
Kreativität bei der Konditionenspreizung
Die Douglas-Tochter macht, was in der Parfüm-Domäne der Mutter und in der Textil- und Lebensmittelbranche gängig ist: Bei der Konditionenspreizung ist der Kreativität der Chefeinkäufer kaum eine Grenze gesetzt. Rabatte für Eröffnungen, Boni für Renovierungen oder Verkaufsförderungszuschüsse gehören zum Standardrepertoire, wenn es darum geht, die Sonderkollekten bei den Lieferanten zu etikettieren.
Dass im Reservat der Buchbranche andere Regeln gelten als im übrigen Einzelhandel, muss man Thalia nicht erklären. Die Hagener haben schon in der Vergangenheit versucht, Rolltreppenboni und Flächenzuschüsse bei den Verlagen einzusammeln. Auch darüber wurde in Vier-Augen-Gesprächen lautstark geschimpft. Und auch in diesen Fällen ist man sich in irgendeiner Form schlussendlich entgegengekommen, weil sich kaum ein Verlag mit dem Händler dermaßen anlegen will, dass seine Bücher von den Einkaufslisten gestrichen werden.
Geheimwettbewerb mit Sprengkraft

Konditionenverhandlungen gehören zum Geheimwettbewerb und sind selbstverständlich eine Sache der beteiligten Unternehmen. Die Grenzen, an die sie bei ihrem Poker um Rabatte gehen dürfen, werden allerdings im Gesetz zur Buchpreisbindung klar definiert: Und hier liegt die latente Sprengkraft für das bestehende System des Buchhandels, die wegen der aktuellen Diskussion über die Thalia-Boni wieder in den Blick rückt.

Worst-Case-Szenario eines enthemmten Rabattpokers, bei dem die unter Druck stehenden Verlage immer weiter nachgeben: Die großen Player haben am Ende des Tages maximale Konditionen und die Preisbindung „schützt“ sie in einem pervertierten Sinn sogar davor, ihre dadurch errungenen Vorteile an den Verbraucher weiterzugeben. Ebenfalls de facto vom Tisch wäre dann der vom Gesetzgeber intendierte Schutz für kleinere Buchhandlungen und des Großhandels wegen der Funktion als flächendeckende Versorger mit Büchern. Es dürfte niemanden überraschen, wenn die Preisbindung dann generell auf den Prüfstand käme. Sie ist ein Privileg, das sich die Buchbranche im Alltag immer wieder neu verdienen muss. 
 Letztendlich haben es die Verlage in der Hand, ob es tatsächlich soweit kommt. Denn sie brechen das Gesetz, wenn sie bei den Konditionen den vorgeschriebenen Rahmen überschreiten. Und nicht ein Händler mit seinen Forderungen, egal wie drückend sie auch sein mögen und wie lautstark darüber gewettert wird. 

aus: buchreport.magazin 4/2014

Kommentare

3 Kommentare zu "Poker mit Sprengkraft"

  1. Ich durchschaue die Mechanismen im Buchhandel nicht ganz: Die gesetzlichen Regelungen müssen auch eingehalten werden – wäre nicht eine Buchprüfung bei den Verlagen zielführend? Schuldig machen sich am Ende beide Parteien am Preisbindungsverstoss. Gibt es denn Strafen?

    Grundsätzlich kann ich nicht nachvollziehen, dass die Verlage nicht eine konsequent mittelständische Strategie fahren – es nützt ihnen doch überhaupt nichts, wenn sie sich an der Zerstörung ihrer Vertriebskette beteiligen und wir dann eine Situation wie in Grossbritannien haben oder es hier am Ende zu einer Grossfusion des Grossbuchhandels kommt.

    Zum Sortiment von Thalia, also insoweit ich nicht von albernen Frühstücksbrettchen und Klimbim spreche, muss ich nach einem Filialcheck anmerken, dass es mir eher nach einem Verlagssortiment aussieht. Viele Verlage – und eben zentrale, wichtige und erfolgreiche Bücher, etwa auch unter verschiedenen Zielgruppenaspekten – fehlen einfach (oder glücklicherweise – wie schon im Herbst beobachtet). Thalia stellt sich als grosser Weltbildladen auf – was auch eine Aussage darüber ist, wieviel zeitliche Perspektive ich dieser Sortiementstrategie noch gebe.

  2. Die erhöhten Rabatte für Konzerne sind ein großes Übel, das gerade von den Konzernverlagen abgeschafft werden könnte und müsste. Wie wäre es denn, endlich mal den kleinen Buchhändlern Maximalrabatte anzubieten, statt immer nur die langweiligen Großläden mit zusätzlichem Geld zu versorgen? Thalia etc. haben doch sog. Manager, die angeblich mit Geld gut umgehen können. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein, sonst müssten sie nicht immer nach noch mehr Rabatt schreiben. Verlage, unterstützt die Buchhändler, die euch seit Jahrzehnten schon die Treue halten und mit euch zusammen arbeiten!

    • Dann könnten ja die Verlage ihre Bücher gleich verschenken, wenn sie auch noch den „Kleinen“ Maximalrabatte gäben…
      Das große Übel ist die (politisch gewollte?) Oligopol-Situation nicht nur im Buchhandel und die mangelnde Solidarität unter den Verlagen und der ebenso mangelnde Mut, gesetzeswidrige Rabattforderungen öffentlich zu machen. Tja, wer Kapitalismus mit Demokratie verwechselt muss sich nicht wundern, gell?

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