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Nicht nur ein Verlag fürs vierte Quartal

Der Bildbandspezialist teNeues baut eine Sachbuch-„Lesereihe“ an. Das verlängert die Saison und erweitert das Preisspektrum ins mittlere Segment.

Dorthin gehen, wo die Zielgruppe verkehrt: teNeues hat in München einen Büchertisch beim Designer-Mode- und Trachtenladen Lodenfrey platziert. Die beratungsfreien Mitnahmeverkäufe im Kassenbereich des Edeltextilers lohnten die Kosten des Auftritts, heißt es im Verlag. Im Buchhandel werden teure Bildbände oft weniger opulent präsentiert. (Foto: buchreport/TW)

Viel Bild, wenig Text, kiloschwere Formate: Der Verlag teNeues ist im Geschäft höherpreisiger Bildbände zu Hause, die meist mehrsprachig Fotografie, Reise, Lifestyle und Architektur inszenieren und international vertreiben. Unternehmenssitz ist im niederrheinischen Kempen, Verleger Hendrik teNeues und Chefredakteur Bernhard Kellner sind meist im Münchner Büro anzutreffen. Dort hängen von den in den Bildbänden verlegten Fotografen auch viele gerahmte Einzelbilder mit Preisschild an den Wänden für Kunden, die Repräsentanzen oder Ferienwohnungen stilvoll gestalten wollen. Auch die Bildbände sind repräsentative gehobene Geschenke, die als dekoratives Wohnaccessoire und Blickfang wirken.

Mit Bernhard Kellner ist seit Frühjahr 2017 ein Programmchef an Bord, der zuvor bei Gräfe und Unzer abseits der Ratgeber für die Programme Teubner, Hallwag und den Autorenverlag Bücher in höherwertiger Ausstattung und mit Langprosa produziert hat und der jetzt auch das teNeues-Programm mit einer kleinformatigeren „Lesereihe“ arrondiert. Geschichten um den VW-Käfer, die Erinnerungen der Society-Reporterin Marie Waldburg, ein leichtfüßiges Buch über die oft komplizierte Mutter-Tochter-Beziehung …

Der Bildbandverleger: Hendrik teNeues (66, rechts) ist Verleger des teNeues Buchverlags, der seit dem Verkauf des Kalenderverlags (2014) als teNeues Media firmiert. Die Verlagsaktivitäten gehen zurück auf eine Druckereigründung von 1931. Die 1977 ausgegründeten Verlagsaktivitäten (Kalender, Papeterie, Museums-Merchandising) hat Hendrik ‧teNeues in dritter Generation internationalisiert und 1984 Bücher ins Programm genommen mit den Schwerpunkten Fotografie, Reise, Lifestyle und Architektur. Der Programm-Macher: Bernhard Kellner (49) ist seit März 2017 Chefredakteur von teNeues Media. Zuvor war er bei Gräfe und Unzer Verlagsleiter für die Programme Teubner, Hallwag sowie den Autorenverlag. Bis 2012 hatte er bei Langenscheidt langjährig die Unternehmenskommunikation und Markenführung geleitet. (Foto: teNeues Media)

Verleger teNeues und Chefredakteur Kellner sprechen im Interview über die Herausforderungen des Marktes und die Idee hinter der Programmerweiterung.

Wie ist die Lage im Bildband-Segment?

Hendrik teNeues: Das ist alles sehr titelabhängig, es gibt kein einheitliches Bild. Fotobände sind hoch emotionale Themen, deren Wirkung letztlich nicht berechenbar ist. Wir sind zum Beispiel überrascht worden von unserem „Apollo“-Band zu 50 Jahre Mondfahrt. Das haben wir in kurzer Zeit schon zweimal nachgedruckt, das geht international sehr gut …

Bernhard Kellner: In Amerika ist es tatsächlich unser aktuell bestverkaufter Titel. Auf der Frankfurter Buchmesse war zu sehen, dass viele Kollegen auch etwas zu dem Thema machen. Insofern war es klug, früh in den Markt zu gehen. Das war ursprünglich ein Kickstarterprojekt, also zum Crowdfunding ausgeschrieben, als wir es mit überschaubarem Invest eingekauft haben.

Wenn es bei Bildbände vor allem um Emotionen geht: Welche Themen sind besonders gefragt?

teNeues: Das Spektrum umfasst Natur, Tierwelt, Pflanzen, Ethnologie und die Schönheit des Planeten. Das sind Themen, die nach wie vor funktionieren und auch das Umweltbewusstsein bedienen. Im neuen Jahr stehen bei uns Ozeane auf der Agenda und ein 480-Seiten-Buch über Kühe, ein epochales Werk über Geschöpfe, die von Beginn an Begleiter des Menschen waren.

Viel Bild und Buch für 49,90 Euro: Wie steht es um die Preisschwellen?

teNeues: Bildbände sind Geschenkbücher. Im 1. Halbjahr liegt die Schwelle deutlich unter 50 Euro, in der Spitze sind wie bei „Die Kuh“ 49,90 Euro möglich. Im 2. Halbjahr kann man bei entsprechender Ausstattung auf 80 Euro gehen. Unser großformatiger Spitzentitel „Born to Ice“ von Paul Nicklen hat sich für die Preislage von 100 Euro nach zähem Beginn gut entwickelt.

Geht es bei diesen Büchern nur um die Bilder?

Kellner: Wenn ein Fotograf sein Lebenswerk in ein Buch fasst, dann reichen im Wesentlichen die Bilder. Das ist Kunst, die die Menschen sammeln und betrachten. Wenn es um Themen und Dokumentationsfotografie geht, wie die Schönheit der Alpen, dann reicht es nicht mehr, nur Bilder zu blättern. Hier wird zunehmend mehr Inhalt gewünscht. Im dokumentarischen Foto­bereich müssen die Bilder zwar ebenfalls hochwertig sein, aber es wird auch gefragt: Was sehe ich dort? Was ist besonders? Was für eine Geschichte wird erzählt? Das kann auch die Geschichte des Fotografen sein, warum er dieses Thema gewählt und welche Erfahrungen er gesammelt hat. Also auch Menschelndes hinter der Kamera.

Entschieden mehr Text bieten Sie mittlerweile auch in kleineren Formaten: Biografien und populäres Sachbuch. Was steckt dahinter?

teNeues: Zugespitzt gesagt, wir wollen nicht nur ein Verlag sein fürs 4. Quartal. November und Dezember sind die Hochsaison der hochwertigen Bildbände. Wir runden dieses Segment ab um ein „Lesereihe“-Programm, das zu uns passt, mit dem wir auch im mittleren Preissegment an Boden gewinnen und mit dem wir dem Buchhandel jetzt ein Ganzjahresangebot machen. Es ist kein riesiges Programm und es gibt erkennbare Anknüpfungspunkte an unser Bildbandportfolio: Auch bei den Sachbüchern haben wir es mit emotionalen Themen zu tun, und die Bände haben einen gewissen Illustrationsanteil. Das Themenspektrum reicht von Mode, Society, Entertainment über Biografien bis zu einem kritischen Bauhaus-Buch, das den Legendenschleier lüftet und auch andere Personen neben Walter Gropius aus dem Schatten hervorholt.

Kellner: Unsere Kernkompetenz wird weiter im Bildbereich liegen. Mit Reisethemen wie „Sound of Mountains“ und „Insight Africa“ haben wir jetzt aber auch zunehmend Titel im Mittelpreissegment und kommen so im 2. Quartal zum Beispiel mit auf die Reise­tische. Die Lesereihe ist zunächst Aufbauarbeit, wobei die gute Medienarbeit für die Titel eine wichtige Rolle spielt. Die Themen lassen sich im Fernsehen und überregionalen Printmedien sowie im Social-Media-­Bereich gut platzieren. Unsere Lesereihe hat sich mit einigen Titeln schon recht gut entwickelt und wir haben erste Taschenbuchabschlüsse erzielt, was wirtschaftlich wichtig und interessant ist.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Handel?

Kellner: Bei der Lesereihe sind wir intensiv dabei, diese durchzusetzen und zu platzieren. Im Bildbandbereich gibt es Läden mit tollen Abteilungen und es gibt welche, die halten das Bildbandangebot sehr klein. Man muss auch klar sagen: Bildbände funktionieren vor allem in urbanen Läden, es sind oft Metropolenthemen. Bei Mendo in Amsterdam, mit denen wir auch zusammen Titel entwickelt haben, kann man sehen, wie ein Coffeetable-Buchladen sehr erfolgreich funktionieren kann.

Der Buchhandel ist konzeptionell im Wandel, da entstehen neue Formen …

teNeues: Die Zukunft liegt da, wo der Kunde ein Erlebnis hat, etwa auch mit integrierten Cafés. Der Erlebniskauf ist eine Chance des stationären Buchhandels. Dabei könnten Bildbände eine Rolle spielen.

Hätten Sie gern eigene Läden, wie sie beispielsweise Taschen betreibt?

teNeues: Nein, wir verfolgen hier eine andere Strategie und suchen eher interessante Partnerschaften. Im Fokus unserer Handelsaktivitäten steht auch weiter der Buchhandel. Im Bereich von Partnerschaften in Nebenmärkten haben wir zum Beispiel seit Längerem eine gute Präsenz bei Lodenfrey. Und in Paris haben wir eine Art Flagship im Erdgeschoss der Fotogalerie La Hune in einer 1A-Lage in St. Germain. Für uns ist natürlich attraktiv, wenn unser Programm zusammenhängend in der Breite gezeigt werden kann.

Text | Interview  Thomas Wilking

teNeues

teNeues Media www.teneues.com

  • Geschäftsführung: Hendrik teNeues (Verleger) Uwe Kießling (Kempen) Harald Thieck (New York)
  • Buchprogramm: Bernhard Kellner
  • Vertrieb: Michael Schönberger
  • Gesamtumsatz: 11,1 Mio Euro (2017) inkl. internationale Aktivitäten

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