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»Mit der Digitalisierung des Bestehenden ist es nicht getan«

Die Verlagsbranche ist im Umbruch und mit ihr auch und im Besonderen die Verlagsproduktion. Wie verändern sich die Prozesse? Wie können digitale Technologien sinnvoll und effizient eingesetzt werden? Und wie hat sich das Berufsbild des Herstellungs- bzw. Produktionsleiters gewandelt? Antworten von den Publisher Consultants.

Welchen Herausforderungen und Problemen begegnen Sie in der Beratung von Verlagen besonders häufig?

Markus Wilhelm: Wenn wir auf den Bereich Produktion & Prozesse schauen, ist das große Thema, mit dem sich die meisten Verlage intensiv beschäftigen, der effiziente und wirtschaftlich erfolgreiche Einsatz digitaler Technologien.

Verändertes Nutzerverhalten oder ganz neue Kundenanforderungen verändern zwangsläufig auch die Geschäftsmodelle der Verlagshäuser und damit auch die Anforderungen an das Können aller Mitarbeitenden, sowie auch die Methoden und Werkzeuge der Zusammenarbeit nachhaltig.

Egal ob wir einen neuen Einkauf aufbauen, ein IT-System einführen, Prozesse optimieren oder Bereiche outsourcen – zunächst geht es darum, das Selbstbild mit den aktuellen Anforderungen des Marktes / der Kunden abzugleichen und zu aktualisieren. Unter Umständen müssen große Teile der Organisation entsprechend neu ausgerichtet werden, um die Ziele der Unternehmensstrategie – mithilfe des individuell richtigen Einsatzes digitaler Technologien – erreichen zu können.

Der nächste erfolgskritische Schritt ist, die resultierenden Veränderungen zu managen und die Mitarbeitenden in ihren Ängsten, Sorgen und Nöten dabei bestmöglich zu begleiten.

Woran scheitern derlei Projekte?

Wilhelm: Die tiefgreifenden Konsequenzen, die z.B. auch eine Systemeinführung oder Prozessoptimierung mit sich bringt, sind vielen Verlagen anfangs nicht bewusst. Das für den Projekterfolg unbedingt notwendige Change Management wird zwar viel besprochen, aber nur in den seltensten Fällen tatsächlich professionell zur Anwendung gebracht. Dabei sind solche Projekte ohne ein entsprechendes Veränderungsmanagement oft langwieriger und weniger erfolgversprechend, aufgrund fehlender Akzeptanz und bestehenden Widerständen bei den Mitarbeitenden.

Nikola Ulrich: Die Digitalisierung des Bestehenden reicht allein nicht aus. Das ist den meisten inzwischen deutlich klar geworden. Wenn man nicht nur schneller oder effizienter werden möchte, sondern die neuen technologischen Möglichkeiten optimal für die Entwicklung des Unternehmens nutzen will, muss man die Bereitschaft haben, Organisationsstrukturen auch grundsätzlich zu verändern.

Fällt der Wandel der Traditionsbranche Verlagswesen besonders schwer?

Wilhelm: Mit diesen Herausforderungen haben alle Branchen zu kämpfen, aber ja: Die Buchbranche ist im Wandel nicht geübt. Es hat bisher stets so funktioniert, wie man es schon immer gemacht hat. Die Erfahrung sich zu wandeln ist bei vielen Mitarbeitenden über alle Hierarchiestufen hinweg sehr gering bis nicht vorhanden. Viele Verlagsmitarbeiter machen seit 10, 20 Jahren denselben Job.

Und jetzt ist es an der Zeit, sich zu verändern?

Wilhelm: Unbedingt, wobei die Veränderung in vollem Gange ist und auch teilweise schon stattgefunden hat. Ich denke hier besonders an die großen Häuser, die den Prozess des Wandels schon vor einiger Zeit angestoßen und viel Erfahrungswissen aufgebaut und ihre Prozesse radikal optimiert und digitalisiert haben

Beispielsweise ist der Produktionsleiter der Schnittstellenmanager schlechthin – einerseits intern im Haus, aber natürlich auch zu den Externen. Verlage arbeiten enorm viel mit Lieferanten. In der Steuerung der Prozesse und der Lieferanten liegt ein riesiges Potenzial. Das ist eine der Kernaufgaben der Herstellung. Weil neben der Printausgabe immer mehr digitale Produktformen produziert werden und immer neue Lieferanten angebunden werden, nimmt die Zahl der Schnittstellen weiter zu. Dafür braucht es ein großes Know-how über IT-Technologien.

Ulrich: Das bedeutet auf der anderen Seite nicht, dass der Produktionsleiter sich mit jedem neuen Techniktrend detailliert auskennen muss. Ein technisches Grundverständnis ist zwar wichtig, aber er kann sich auch die passenden Kompetenzen suchen und sie entsprechend der Unternehmensziele führen. Man kann nicht alles wissen. Aber es gilt, dass für die Wertschöpfung wirklich notwendige Know-how im Haus zu haben und es zielgerichtet und effizient zu steuern.

Wilhelm: Genau. Ein Produktionsleiter ist und bleibt eine wichtige Funktion in Verlagen. Aber wenn er als Herstellungsleiter in der klassischen Definition bleibt, bremst er den Wandel aus. Wenn er sich dagegen weiterentwickelt zu einem IT-affinen Prozess-, Schnittstellen- und Projektmanager, trägt und gestaltet er den Wandel entscheidend mit.

Wie verändern sich die Prozesse in den Verlagen?

Ulrich: Sie werden schneller, digitaler, vernetzter und auch standardisierter. Man sollte prüfen, inwieweit man mit Standards arbeiten kann. Das bedeutet nicht, dass am Ende alle Bücher gleich aussehen, sondern dass man die Effizienz deutlich steigern kann, indem man sich in der Arbeit auf bewusst ausgewählte Standards fokussiert und diese immer neu kombiniert, um individuelle und überzeugende Produkte in verschiedenen Ausgabeformen zu erstellen.

Zudem ermöglicht die Etablierung eines zentralen Prozessmanagements eine auf die Unternehmensziele ausgerichtete Entwicklung und fortlaufende Optimierung der Abläufe, intern und an den Schnittstellen zu Externen. Die Qualität der Produkte und Abläufe kann anhand von individuell ausgewählten Kennzahlen und Zielgrößen fortlaufend überwacht und ständig weiterentwickelt werden.

Wilhelm: Die Prozesse sollten aber nicht zum Selbstzweck verändert werden, sondern sehr zielgerichtet. Es geht um Fragen wie: Was ist meine Vision, was ist meine Mission, was ist mein Geschäftsmodell, wo will ich hin, welche Produkte will ich machen, wer sind meine Kunden – auch in Zukunft, wie ist mein Vertrieb aufgestellt?

Ulrich: Richtig. Und das rüttelt an den Grundsätzen. Wenn man sich nach 40 Jahren erfolgreichem Geschäft fragen muss „Warum gibt es mich überhaupt“, dann ist die Antwort oft nicht so eindeutig, wie es auf den ersten Blick scheint. Aber es lohnt sich, sich zu hinterfragen. Letztlich kann ein ganz anderes Verlagshaus entstehen. Diesen Weg zu gehen, erfordert viel Mut und Konsequenz.

Wie soll der neue buchreport-Channel Produktion & Prozesse die Verlage auf diesem Weg begleiten?

Wilhelm: Gerade in der heutigen Zeit prasseln unzählige neue Themen und Management-Ansätze auf uns ein. Der Channel verdichtet diese Informationen und lenkt den Blick auf Wesentliches mit höchstem Nutzen.

Lösungen, Impulse, Erfahrungsberichte, Handlungsempfehlungen sowie Experten- und Anwenderwissen werden gebündelt und auf die Praxis der Verlagsproduktion angewendet.

So wollen wir allen Verlagshäusern die Möglichkeit bieten, auf der Basis von erprobten Best Practices aufzubauen, diese individuell weiter zu entwickeln und noch besser zu werden.

Wir sind gespannt auf die Resonanz der Branche.

Neu: Der Channel Produktion & Prozesse auf buchreport.de

Die Prozesse und Abläufe in Verlagen werden immer schneller, digitaler und vernetzter. Die Produktion ist als Schnittstelle zu Kunden und Lieferanten ein wichtiger Treiber dieses Wandels. Der neue Channel von buchreport und Publisher Consultants bündelt Lösungen, Impulse und Erfahrungsberichte für die Verlagsproduktion. Hier mehr…

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