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Medien ins Boot geholt

Auch in Deutschland klagen öffentliche Büchereien über Etatkürzungen und deren Folgen für den bibliothekarischen Alltag. Doch wie Kommunen in Großbritannien den Rotstift ansetzen und ganze Bibliothekssysteme auf ein Minimum zusammenstreichen, hat eine andere Qualität. Die Bibliothekskrise nimmt in weiten Teilen des Königreichs dramatische Züge an.

Immer lauter werdende Proteste – im Februar hatten erstmals Schriftsteller und Vertreter von Bibliotheksverbänden gemeinsam vor dem Parlamentsgebäude in London protestiert – haben jetzt auch die Medien auf den Plan gerufen. Allen voran die BBC, die die prekäre Lage des öffentlichen Bibliothekswesens sogar in ihren Hauptnachrichten thematisiert hat.

Die Zahlen, die das Reporterteam des britischen Fernsehriesen ermittelt hat, sind alarmierender Lesestoff. Das finden offensichtlich auch überregionale Tageszeitungen wie „Guardian“ und „Daily Telegraph“, die auf den Zug aufgesprungen sind und mit ihrer Berichterstattung noch mehr Druck auf den für das Bibliothekswesen zuständigen Kulturminister Ed Vaizey machen:
  • Seit 2010 wurden in England – Zahlen für Schottland, Wales und Nordirland hat die BBC nicht veröffentlicht – 343 öffentliche Büchereien geschlossen, das sind dreimal mehr als vom Kulturministerium geschätzt.
  • Für das laufende Jahr ist eine Rekordzahl von 111 Schließungen geplant.
  • Knapp 8000 Bibliothekare haben in den letzten sechs Jahren ihren Arbeitsplatz verloren.
  • Immer mehr Büchereien besetzen frei werdende Stellen nicht mit Fachpersonal, sondern bauen auf freiwillige (unbezahlte) Helfer, deren Zahl sich in den letzten sechs Jahren von 15?861 auf 31?403 fast verdoppelt hat. 
Einen ersten Erfolg hat der mediale Schulterschluss inzwischen erzielt: In der Grafschaft West Berkshire nahe London wurde nach Intervention des Ministeriums die von der Kommunalverwaltung beschlossene Schließung von acht der neun Bibliotheken plus zwei Fahrbüchereien vorerst gestoppt. Zuvor hatte es heftige Proteste gegen die Entscheidung gegeben, mit der 730?000 Pfund eingespart werden sollen.

Teure Investition: Als die fast 190 Mio Pfund teure neue Zentralbibliothek von Birmingham 2013 mit viel Prominenz eröffnet wurde, galt sie als zukunftsweisende Investition. Doch weil die Besucherzahlen rückläufig sind, wurden die Öffnungszeiten im Vorjahr von 73 auf 40 Wochenstunden zusammengestrichen. Das Versprechen der Stadtväter, für den teuren Neubau keine Stadtteilbibliotheken zu opfern, hat ebenfalls nicht lange gehalten, denn bereits Anfang 2014 wurden vier Büchereien geschlossen, aktuell stehen weitere zur Disposition. Verärgerte Nutzer haben sich in der „Birmingham Libraries Campaigns“ zusammengeschlossen.

aus: buchreport.express 14/2016

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