buchreport

Kommunikationsstörung in Seckbach

Der Unmut der Universitäten ist nicht das einzige Problem, mit dem sich Monika Kolb-Klausch, in Personalunion Bildungsdirektorin des Börsenvereins und Geschäftsführerin der zum Mediacampus Frankfurt weiterentwickelten Buchhändlerschule, derzeit auseinandersetzen muss. In einem offenen Brief haben Schüler die Ausrichtung der vom Börsenverein betriebenen Bildungseinrichtung kritisiert. Auszüge aus dem Blauen Brief:

  • „Für uns ist Wirtschaft ein Mittel für den Zweck Buch, und nicht das Buch der zufällige Gegenstand des Wirtschaftens. Wir hoffen, dass das Medium Buch seine zentrale Stellung auf dem Mediacampus behält.“
  • Wie sehen die Gefahr, dass der Schwerpunkt einseitig auf die Neuen Medien gesetzt wird – es wäre nicht die erste Blase, die platzt.“

„Natürlich hätte ich mich sehr gefreut, statt eines offenen Briefs ein offenes Gespräch zu führen. Aber das lässt sich gerne nachholen“, erklärte Kolb-Klausch gegenüber buchreport.

Mittlerweile melden sich jetzt vom Mediacampus auch angehende Buchhandelsfachwirte: „Wir bedanken uns beim 162. Berufsschullehrgang für den Mut, die Problematik zu veröffentlichen, und somit der Branche die Chance zu ermöglichen, die hierzu längst notwendige Diskussion endlich zu führen.“

Der offene Brief im Wortlaut:

Nach fünf Tagen aufgeregter Diskussion über den offenen Brief des 162. Berufsschullehrgangs am „Mediacampus – Schulen des Deutschen Buchhandels“ melden nun auch wir, der 33. Fachschullehrgang, uns zu Wort.

In diesen fünf Tagen hat das stattgefunden, was Wolfgang Tischer sich in seinem Kommentar nicht gewünscht hat: „Talk-Show-Kultur“. Es wurden zu Wahrheiten erhobene Argumente zementiert, damit die Wahrheit unumstößlich bleibt, und nicht wieder zu Argumenten wird. Das ist keine Diskussionskultur, sondern Schlagabtausch.

Und doch ist es Einigen gelungen, in diesem Schlagabtausch die Dinge wahrzunehmen, um die es eigentlich geht. So Thomas Bez: „ Es muss doch schon viel passiert sein, wenn 91 Schüler(innen) einen offenen Brief (unter)schreiben. Wenn viele Dozenten die Schule verlassen, so hat das möglicherweise Gründe, über die man reden sollte.“

Es ging unseres Erachtens in dem Offenen Brief nicht um das gedruckte Buch. Ein Buch ist ein Buch ist ein Buch, egal auf welchem Datenträger, ob mündlich überliefert, auf Papyrus geschrieben, auf Papier gedruckt oder in digitalisierter Form.

Keine Generation im Buchhandel hat zu letzterem so unbefangenen Zugang, wie die, die derzeitig ausgebildet wird. Wenn gerade diese die Geschäftsführung des Mediacampus dazu auffordert, sich für die Zukunft des Buches einzusetzen, ist das ein Ausdruck dafür, dass es um die Vermarktung von Formaten und um die Bewertung von Inhalten geht.

Und dafür bedarf es einer Basis. Der viel zitierte „Blick über den Tellerrand“ erübrigt sich, wenn der Tellerboden zerschlagen ist. Oder, wie Dorothea Redeker formulierte: „Ohne Grundkenntnisse gelingt kein Kontextbezug.“
Das Signal an unsere Azubi-Generation lautet: der Beruf, den du lernst, stirbt aus, und du musst in Zukunft andere Qualifikationen haben, als du jetzt erlernst. Wen wundert’s, dass dann ein Brief dieser Azubi-Generation mit den Worten „verunsichert“ und „ratlos“ beginnt.

Hier zeigt sich, welche Pflichten und welche Chance die Branche hat, nämlich den Wandel zu gestalten.

Das bedeutet, die vielfältigen Bedürfnisse einer inzwischen heterogenen Branche zu ermitteln. Daraus lassen sich die Qualifikationen ableiten, die man dem Branchennachwuchs vermitteln möchte. Und die diesbezüglichen Inhalte müssen dem pädagogischen Personal der brancheneigenen Bildungseinrichtung kommuniziert werden. Dies ist eine Chance, die bisher nicht ergriffen wird.
Diese Aufgabe fordert Fähigkeit zur Kommunikation. Und zwar mit allen Beteiligten: den Azubis, den Dozenten, den – auch auf dem Campus ausgebildeten – zukünftigen Führungskräften und nicht zuletzt mit den Ausbildern, das heißt den Betrieben, die ausbilden und die als Mitglieder des Börsenvereins diese Schule mitfinanzieren.

Stattdessen werden Worthülsen, wie E-Commerce, Fair Play, Team Work und Longlife Learning aufgeblasen, ohne diese mit Inhalten zu füllen. Ungefüllte Blasen pflegen zu platzen, egal ob in der Natur, in der Wirtschaft oder in der Bildungspolitik.

Die Fähigkeit zur Kommunikation ist eine der Schlüsselqualifikationen, die zur Bewältigung der anstehenden Veränderungen der Branche unabdingbar ist. Das haben wir als angehende Fachwirte einer im Wandel befindlichen Branche an deren im Wandel befindlichen Bildungeseinrichtung gelernt, sowohl vom altgedienten Lehrpersonal, als auch von Dozenten aus der Praxis. Doch, so mussten wir gerade hier auf dem Campus seit Beginn unserer Weiterbildung im Januar 2009 immer wieder erfahren, ist dies graue Theorie. Denn obwohl es mehrere Gesprächsversuche gegeben hat, gelang es nicht, in einen offenen, fairen und sachorientierten Dialog zu treten, da dies bereits daran scheiterte, eine gemeinsame Gesprächsebene zu finden.Wir bedanken uns beim 162. Berufsschullehrgang für den Mut, die Problematik zu veröffentlichen, und somit der Branche die Chance zu ermöglichen, die hierzu längst notwendige Diskussion endlich zu führen.

 Frankfurt/Seckbach, den 13. Mai 2010

Die 33. Fachschule / Buchhandelsfachwirtklasse

Mediacampus Frankfurt / Die Schulen des Deutschen Buchhandels“

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