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Julia von dem Knesebeck: Buchhändler brauchen das Internet

Julia von dem Knesebeck: Buchhändler brauchen das Internet

Durch die Verbreitung von mobilen Endgeräten verbindet der Kunde online und offline. Und das wird auch mehr und mehr vom Buchhandel erwartet, um den Kunden besser beraten zu können.

Bei einem Besuch im Bahnhofsbuchhandel versuchte ich kürzlich „Free“ zu erwerben. Leider wusste ich nur den englischen Titel. Was sich mir dort an „Beratung“ darbot, war mehr als verwunderlich: Nein, den Titel kenne er nicht, sagte mir der Verkäufer, und den Autor – den Chefredakteur eines sehr renommierten US-Magazins – kenne er schon gar nicht. Auf meine sanfte Nachfrage hin, ob das alle ihm zur Verfügung stehenden Informationsquellen zum Finden des Titels seien, entgegnete mir der Buchhändler ein missmutiges: Ja! Mit seinem Unwillen, einfach mal im Internet nachzuschauen, hat er mich als Kunden definitiv verloren.

Es heißt immer „mehr Buchhändlerische Kompetenz ins Internet“. Das stimmt, aber genauso wäre der Kunde im Handel bei der Beratung mit mehr Internet-Kompetenz besser bedient. Schon die Ausbildung von Buchhändlern, vor allem was Ihre Verkaufsschulung angeht, sollte das Internet nicht außen vor lassen. Über kurz oder lang wird die Beratungskompetenz des „Internet“ meiner Meinung nach immer unerlässlicher für den Buchhandel. Im weiteren Schritt bringt eine Verknüpfung von stationär und online einen deutlichen Mehrwert an Informationen für den Kunden.

Jetzt ist der Moment einzusteigen, denn das so genannte „Internet“ lernt gerade laufen. Über die Vielzahl mobiler Endgeräte verbindet der Kunde online und offline und das wird jetzt auch mehr und mehr vom Buchhandel erwartet:
Der Kunde benutzt beispielsweise sein Handy, um sich die neuesten Kommentare seiner Facebook-Freunde über Payback anzusehen. Und das über das einfache Abfotografieren des Covers auf dem Bestseller-Tisch. Wem dieser moderne Käufer seine Kaufentscheidung dann eher überlassen wird, ist sicherlich unumstritten. Und der Buchhändler wird dabei eine geringere Rolle spielen, als ihm lieb sein wird.

Es geht aber sicherlich noch einiges weiter. Denn auch die Frage, welcher Kunde sich überhaupt in den Laden verirrt, wird sich ändern. Es ist bekannt, dass über 50 Prozent der Kunden sich vorab auch schon heute im Internet darüber informieren, was sie als nächstes lesen wollen. Läuft nun der Kunde von morgen durch die Innenstadt, wird ihm sein Handy vorher bereits sagen, das er das Buch X (das er bereits wieder vergessen hatte) nun beim Händler Y gleich mitnehmen kann, und der Händler Y wird das Buch auch vorrätig haben. Und das alles, weil er sich Buch X letzte Woche auf die virtuelle Wunschliste „gezogen“ hat, kurz nachdem er einen Post auf der Wall seiner Bekannten gesehen hatte.

Was wird passieren, wenn das Internet laufen gelernt hat – und wie kann der Handel davon profitieren? Sicherlich wird der E-Commerce nie das Erlebnis des Bummelns durch die Stadt ersetzten können. Den zwischenmenschlichen Kontakt wird kein Internet-Portal voll bieten können. Jedoch werden wir altbekannte Konzepte wie das click & brick neu überdenken müssen und das nicht nur als Online-Händler. Und warum sollte nicht auch der stationäre Handel auf die Technologien zurückgreifen können, wie es die Endkunden tun?

Ich jedenfalls wünsche mir mehr Beratung durch den Buchhändler, als ich sie bei meinem Besuch in der Bahnhofsbuchhandlung zuletzt bekam. Ob der Buchhändler dabei „schummelt“ und sich der Hilfe neuer Technologien bedient, finde ich dabei unerheblich.

Julia von dem Knesebeck, Gründerin von bilandia.de. Das Portal verknüpft eine intelligente Suche nach Büchern (zum Beispiel per Landkarte, Zeitreise oder nach Farben) mit einer Community.

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Kommentare

4 Kommentare zu "Julia von dem Knesebeck: Buchhändler brauchen das Internet"

  1. Genauer gesagt, die dt. Ausgabe heisst „Free-Kostenlos“, lieber Hr. Gerrit van der Meer…

  2. peter-uwe sperber | 23. Februar 2010 um 13:20 | Antworten

    Nur „Bahnhofsbuchhandlung“ sicherlich ein falscher Ansatz (wobei ich auch hervorragende kenne), vielleicht erinnert man sich aber unter der Vokabel BIBLIOGRAPHIE (damals spannende Handkataloge)
    in der Personalausbildung an diese wichtige Tätigkeit für ausgezeichneten Kundenservice. Wenn ich noch einmal Azubis hätte, würde ich denen meine alten Kataloge zur Pflichtlektüre vorlegen …

  3. Vielen Dank für Ihren Kommentar. Zumal er das Argument in meinem Artikel bestätigt. Das Beste kann man nur bekommen wenn man das menschliche Gehirn und die technischen Fähigkeiten des Internets verbindet!

  4. Gerrit van der Meer | 22. Februar 2010 um 18:08 | Antworten

    Ich bin zwar auch nur ein einfacher Buchhändler…aber mit ihren Angaben dauerte das kaum 10 Sekunden das Buch zu finden.
    Vielleicht hätten sie eine Buchhandlung aufsuchen sollen und keine Bahnhofsbuchhandlung, wo man nur selten gut ausgebildete Buchhändler findet. In der Regel sind Buchhändler inzwischen durchaus in der Lage das Internet gut zu nutzen.Meistens sogar besser als die meisten Kunden.
    Übrigens unter „bilandia.de“ finde ich das Buch unter dem Titel „Free“ nicht. Zumindest nicht, wenn ich es ohne Autorenangabe suche. Mit Free (Titel) und Anderson (Autor) ist es dann zu finden.
    Es sollte auch ohne Autorenangabe sofort zu finden sein. Da muß wohl die Software noch verbessert werden.
    Der Titel der deutschen Ausgabe lautet ebenfalls „Free“

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