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Joachim Leser: Hodidi statt rororo

Joachim Leser: Hodidi statt rororo

Rowohlt verzichtet darauf, zu den Novitäten Stimmen von Literaturkritikern zu stellen. Stattdessen wirbt der Verlag für die Holtzbrinck-Literaturcommunity lovelybooks.de. Ist das Müdigkeit? Strategie? Effizienz?

Jeden Montag stellen wir unseren Kunden ein Buch als unseren Wochentipp vor. Für den Wochentipp haben wir ein komplettes Schaufenster reserviert; er wird auf der Startseite unserer Homepage und in den Newslettern platziert. Diese Woche ist Jonathan Franzens Roman „Freiheit“ unser Wochentipp. Wie es sich gehört, wird die Ankündigung des Titels in der Regel mit verkaufsfördernden Pressestimmen garniert; ich machte mich hoffnungsfroh unter www.rowohlt.de auf die Suche, war das Buch doch in den letzten Tagen überall dort besprochen, wo noch Buchbesprechungen publiziert werden.

Auf der Seite des Verlages fand sich unter der Rubrik „Stimmen zum Buch“ jedoch einzig ein Link „Rezensionen zu dem Buch bei lovelybooks.de“. Wie sich schnell feststellen lies, war das nicht nur bei dem neuen Buch von Jonathan Franzen so; man verzichtet zu Gunsten des Links bei Rowohlt offensichtlich inzwischen grundsätzlich auf die Publikation von Pressestimmen.

Lovelybooks gehört wie der Rowohlt Verlag zum Holtzbrinck-Konzern; auch bei den Fischerverlagen fehlen folgerichtig nicht die entsprechenden Links zur Literaturcommunity. Der Chor der Literaturkritiker ist auf der Seite des Rowohlt Verlages verstummt. Die Konzernstrategie bestimmt hier offensichtlich das Erscheinungsbild des Verlages; auf Kosten der Seriösität wird hier die Bewerbung der Literaturcommunity betrieben. Statt rororo (Rowohlts Rotations Romane) nun also hodidi (Holtzbrincks Digitale Diskutanten). Als warte nur jeder Surfer darauf, in die Arme des nächstbesten Social-Media-Angebotes getrieben zu werden.

Was bedeutet es, wenn auf die ehemals hochgeschätzten Pressestimmen zugunsten dieser konzerninternen Weiterreichung verzichtet wird? Ist das Müdigkeit? Strategie? Effizienz? Ein Qualitätszuwachs lässt sich auf jedem Fall nicht feststellen. Die Rezension zu „Freiheit“ bei lovelybooks lautet vollumfänglich folgendermassen: „Ich gebe zu, ich habe das Buch noch nicht ganz gelesen, um ehrlich zu sein bin ich noch unter Seite 100, aber MENSCH kann der schreiben!!!!“ Die Autorin der Rezension hat 292 Eselsohren. Immerhin.

Kommentare

9 Kommentare zu "Joachim Leser: Hodidi statt rororo"

  1. Leider lese ich bis heute keine Stellungnahme von Rowohlt zu diesem Blogbeitrag. In Sachen Pressestimmen hat sich bis jetzt auch nicht viel getan auf der Verlagsseite.
    Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, daß ein Verlag oder eine Verlagsgruppe die Strategie verfolgt, nur noch auf die Rezensionen einer einzigen Literaturcommunity zu setzen. So wichtig das Thema Social Web ist – es gibt immer noch eine sehr große Gruppe von BuchleserInnen, die sich auf Besprechungen in Zeitungen, Zeitschriften etc. verlassen – wohlgemerkt, damit meine ich nicht nur das Hochfeuilleton!
    Im Moment besteht meiner Meinung nach eine gewisse Gefahr, das Eine zu Gunsten des Anderen zu vernachlässigen – nur auf Social Web zu setzen geht genauso wenig, wie das Social Web zu vernachlässigen. Beides muss bespielt werden, auch wenn es für alle einen erhöhten Aufwand darstellt. Dazu gehört dann allerdings auch, eine Auswahl aktueller Pressestimmen zeitnah (!) auf die hauseigene Internetseite zu stellen, die immer noch für sehr viele die erste Anlaufstelle im Netz ist!

  2. Hallo Joachim,

    ich will mich nicht groß darüber auslassen, welche Wertigkeit Leser- und welche Pressestimmen haben sollten, für mich ist beides gleichwertig und ich denke, dass sich dies ergänzt und nicht das eine das andere ersetzen sollte, ein möglichst breites Spektrum an Meinungen zieht hoffentlich auch ein möglichst breites Spektrum an Lesern nach sich und das sollte ja das Hauptziel sein.

    Genauso handhaben wir dies bei LovelyBooks und es gibt keinerlei Entscheidung, dass dies bei den angesprochenen Verlagen anders gehandhabt wird. Wir versuchen soviele Stimmen wie möglich zusammenzutragen – wollen bei LovelyBooks auch Pressestimmen mit einbauen, verlinken & zitieren, wenn es uns zeitlich möglich ist bzw. auffällt. Schliesslich geht es darum ein möglichst breites Feld an Meinungen zu sammeln. Genauso ist dies auch bei den Verlagen, d.h. der Link auf die Rezensionen bei LovelyBooks soll auf keinen Fall ein Ersatz für die Pressestimmen sein, sondern lediglich eine Ergänzung, die allerdings automatisiert bei den Büchern & Autoren eingefügt werden kann – im Gegensatz zu den händisch einzufügenden Pressestimmen. Deswegen kann es leider sein, dass diese noch unvollständig sind.

    Faktisch ist es aber nicht richtig, dass es jetzt nur noch den Link zu LovelyBooks geben soll. Es gibt keine Entscheidung diesbezüglich und es wäre auch gar nicht im Sinn des Autors & damit des Verlags.

    Wir von LovelyBooks sowie die Kollegen von Rowohlt & Fischer hätten sicherlich sehr gerne eher dazu Stellung genommen bzw. auf eine Nachfrage reagiert – bevor dieser Beitrag nun etwas vermittelt, was nicht den Tatsachen entspricht.

    Wo jetzt welche Pressestimme fehlt, darüber kann man sich streiten und ich bitte diesbezüglich einfach Hinweise an die jeweilige Presseabteilung zu schicken, die dies sicherlich gerne aufnehmen und nachtragen wird.

    Karla Paul / LovelyBooks

  3. Die genannten Pressestimmen zur „Freiheit“ sind nicht aktuell, sondern stammen vom Buchumschlag. Das eine Zitat stammt aus der NYT, das andere bezieht sich auf den Roman „Die Korrekturen“. Aktuelle Pressestimmen gibt es – trotz des vielfältigen Echos – aktuell nicht auf http://www.rowohlt.de. Dagegen gibt es den Link zu lovelybooks. Die „Stimmen zum Buch“ sind monologisch organisiert bei Rowohlt, ich hab da eigenltich nichts zu korrigieren.

    Auch die genannte Pressestimme zu „Ich habe Freunde mitgebracht“ ist nicht aktuell und ist Teil des Klappentextes.

    Stört es sonst wirklich niemand, dass unterschiedliche Bereiche des Holtzbrinck-Konzerns auf Kosten der Seriösität derart verknüpft werden?

  4. Lieber Joachim Leser,

    ich habe noch etwas vergessen:
    Gerade habe ich per Zufall die Verlagssite des Buchs „Ich habe Freunde mit gebracht“ (ET: 17.09.) aufgerufen. Und sehe direkt eine Pressestimme des WDR.

    Pauschalisierungen wie die Ihrige

    „man verzichtet zu Gunsten des Links bei Rowohlt offensichtlich inzwischen grundsätzlich auf die Publikation von Pressestimmen.“

    kenne ich sonst nur von der BILD. Schon mal über einen Wechsel nachgedacht? Berlin soll eine sehr schöne Stadt sein.

  5. Ich lese diesen Beitrag.
    Ich besuche die Verlagssite des genannten Buchs „Freiheit“.
    Ich sehe als erstes eine Pressestimme der New York Times.

    Ich schüttle den Kopf ob der so offensichtlichen mangelhaften Recherche. Kein Wunder, dass schon seit längerem der Zustand des „Qualitätsjournalismus“ in Deutschland diskutiert wird.

  6. Hallo, ich wollte mir eben selbst ein Bild davon machen, ging auf die Website des Rowohlt Verlags und fand Pressestimmen bei Jonathan Franzens neuem Buch.
    Insofern wundere ich mich nun über diesen Artikel.
    Für alle die selbst gucken wollen: http://bit.ly/azftLe
    Oben die Pressestimmen, darunter ein Link zu den Lovelybooks Rezensionen.

  7. Jetzt hat der Franzen wieder zwei Pressezitate…

  8. Ergebnisse literarischer Schreibfabriken stehen neben erwachsener Literatur. Natürlich wird aus „Jeder kann schreiben“ auch „Jeder kann bewerten“. Aber wie soll man sich als Leser eine Meinung bilden, wenn es nur eine Bewertung gibt? Da geb ich bei amazon auch keinen Pfifferling drauf.

  9. Vorab: Ich finde das Projekt Lovelybooks gut, aber es ist schon fraglich, ob man zugunsten der Leser auf die professionelle Stimme der Literaturkritik verzichten möchte.
    Ja, wir befolgen Ratschläge von guten Freunden, ja das Feuilleton kann manchmal so schrecklich bildungsbürgerlich anmuten, das man den Inhalt des besprochenen Buches vor lauter Zitat- und Querverweisen nicht mehr findet.
    ABER: Wieso lassen wir nicht beide Stimmen zu. Es kann doch nicht sein, das wir die früheren Gatekeeper so ausschließen, dass wir NUR noch dem Leser zuhören.
    „Mensch kann der schreiben!“ ist authentisch, das muss man schon sagen, aber ganz ehrlich so ein wenig mehr bildungsbürgerliches Know How wäre auch schön. Der Link auf Lovelybooks, kann dem SEO sei Dank, dann auch stehen bleiben.

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