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Im App-Store muss nicht alles billig sein

Es gebe keine Standard-Empfehlung zur Preisgestaltung, die primär auf den Kunden zugeschnitten werden sollte. Verlage sollten alle Möglichkeiten der flexiblen Preisdifferenzierung nutzen. Und mit neuen Geschäftsmodellen experimentieren. Dies sind die zentralen Ratschläge der Münchner Unternehmensberaterin Martina Steinröder, die ihre Thesen zur Preisfindung und zu Geschäftsmodellen beim Kongress Homer 3.0 in Berlin ausgeführt hat und im Interview mit buchreport.de ergänzt (Video und Folien im Anschluss an das Interview). 

 Sie machen den Verlagen Mut, beim Pricing flexibler zu agieren und z.B. Bücher-Apps zu einem Einführungspreis anzubieten. Sollten Publikumsverlage, die bislang kaum Kontakt zum Endkunden hatten, dies nicht den Händlern überlassen?
Für Verlage ist der direkte Kontakt zum Endkunden erfolgskritisch. Verlage müssen ihr Endkundenmanagement ausbauen, gerade wenn sich Marktführer wie Amazon und Apple dazwischenschalten. 

Die Preisfindungs-Ansätze der Verlage weichen nach Ihrer Analyse stark voneinander ab: Bei 29% der von Ihnen untersuchten deutschen Titeln kostet das E-Book soviel wie die Print-Ausgabe, bei 35% etwa 20% darunter, und bei 36% der Titel experimentieren die Verlage mit stark vom Print abweichenden Preisen. Ist der hohe Anteil der Experimente notwendig auf einem jungen Markt – oder Zeichen der Hilflosigkeit, da sich Verlage nicht genügend damit beschäftigt haben?
Beides. Experimente sind wichtig, um Erfahrungen in neuen Märkten zu sammeln. Vor allem innovative, kleinere Verlage testen neue Angebotsformen, um zu sehen, wie diese beim Kunden ankommen und welche Formen sich bewähren. Es gibt aber auch in einigen Bereichen extrem hohen Wettbewerbsdruck, der niedrige Preise erforderlich macht. So zum Beispiel in den Bereichen Ratgeber, Reise und Wörterbücher: Viele App-Entwickler bieten Sprachführer oder Rezepte als kostenlose bzw. günstige Apps an, diese stehen dann in direkter Konkurrenz zu den Verlagsangeboten. Aber auch Unsicherheit, mangelnde Erfahrung oder eben Hilflosigkeit spielen eine Rolle: Einige Verlage gehen davon aus, dass im App-Store eben alles billig ist und sie deshalb ebenfalls Apps extrem günstig anbieten müssen. Dieses Vorgehen halte ich schlichtweg für falsch. 

Sie haben festgestellt, dass 80% der E-Books im Kindle-Store unter 10 Dollar liegen: Tangiert die US-Preisschlacht auch die deutsche E-Branche? 
Sie müssen bedenken: Auch 80% der Print-Bücher liegen in den USA deutlich unter den 10 Dollar. Zwischen E-Books und Print-Books herrscht also kein relevanter Preisunterschied. 

Eine Folge der fehlenden Preisbindung?
Sicher, die Situation lässt sich insofern nur eingeschränkt mit der in Deutschland vergleichen. Dennoch werden  Amazon und Apple auch hier eine Penetrationsstrategie verfolgen und sind an möglichst niedrigen Preisen interessiert. Die kritische Preisschwelle wird in Deutschland unter 10 Euro liegen. Im Backlist-Bereich sehe ich da kein Problem, schließlich kosten auch deutsche Taschenbücher oft unter 10 Euro. Im Frontlist-Bereich wird die Situation sicherlich anders sein als in den USA. Die Publikumsverlage haben bei aktuellen Titeln eine recht gute Verhandlungsposition gegenüber den großen Playern. Ich schätze, dass sich die Preise aktueller E-Books im Publikumsbereich bei 20 bis 30% unterhalb der Printausgabe einpendeln werden.

Bei alternativen Geschäftsmodellen wie Ausleihe, Buchclub-Modellen und Flatrates gibt es auf dem digitalen Buchmarkt kaum Testballons. Wie schätzen Sie die Chancen ein?
In den USA gibt es ja beispielsweise das Verleihmodell Safari (http://www.safaribooksonline.com). Derzeit ist aber das Kaufmodell meiner Ansicht nach immer noch das interessanteste für den Kunden, da nur bei diesem Modell der dauerhafte Zugriff auf das erworbene E-Book gesichert ist. Schon in der Musikbranche haben sich Access-Modelle bisher nicht auf breiter Front durchsetzen können. Flatrates sind insbesondere für Angebote mit hohem Aktualisierungsbedarf, z.B. bei juristischen Datenbanken, geeignet. Mittelfristig könnten Access-Modelle jedoch an Bedeutung gewinnen. 

Die Fragen stellte Lucy Kivelip

Video zum Vortrag von Martina Steinröder beim Kongress Homer 3.0 (mit freundlicher Genehmigung des Börsenvereins, Landesverband Berlin-Brandenburg)

Die Folien von Martina Steinröder:

Steinroeder_Pricing_E.Books_101105

  

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