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Hoffnung auf das kleine Sommermärchen

Manchmal ist Fußball ein Glücksspiel. Zum Beispiel für die Verleger von Büchern zu großen Fußball-Turnieren. „Für den Verkaufserfolg spielt es schon eine Rolle, zu welchem Zeitpunkt die deutsche Mannschaft ausscheidet“, erklärt Produktmanager Pierre Sick von Copress Sport mit Blick auf die Fußball-Europameisterschaft, die vom 7. bis 29. Juni in Österreich und der Schweiz stattfindet. So viel ist sicher: Anders als bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land wird ein dritter Platz der deutschen Kicker nicht mehr ausreichen, um eine Welle der Fußball-Euphorie loszutreten.

WM-Schock oder Rückenwind

Dabei haben die Sportbuch-Spezialisten durchaus unterschiedlich gute Erinnerungen an das deutsche Sommermärchen des Jahres 2006. „Die Branche hat sich nach dem WM-Schock langsam wieder erholt“, lautet die Einschätzung von Wolfgang Fuhr, Verlagsleiter des Agon Sportverlags. Die seinerzeit losgebrochene Titelflut sei nach den im doppelten Wortsinne heißen Fußball-Monaten als fast ebenso große Remittendenflut zurückgeschwappt (siehe buchreport.magazin 7/2007).
Copress-Mann Sick spricht dagegen sogar von dem „Rückenwind“, den der Verlag nach der WM 2006 gespürt habe. Auch ihm ist allerdings zu Ohren gekommen, dass sich „nicht bei allen Konkurrenzverlagen die Erwartungen erfüllt haben“.

Karten, Quiz und Reiseführer

Eine deutlich kleinere Titelflut schwemmt also in diesem Jahr in die Sportabteilungen der Buchhandlungen, wobei die Vielfalt des Gedruckten um das runde Leder immer noch groß ist. Schon bevor die EM-Bilanzen der von Sport-Spezialisten wie Das Neue Berlin oder Copress auf die Thementische flattern, landen dort Produkte wie EM-Landkarten von Kartografie-Spezialisten wie Stieffel oder Kümmerly & Frey, der „Marco Polo Reiseführer EM-Städte“, Fußball-Quizbücher wie „Das Euro-Quiz“ von Arena bis hin zu Turnierplänen und -tagebüchern.

Die zweite Welle der schnellen Turnier-Dokumentationen rollt unmittelbar nach Abpfiff des EM-Endspiels an: Innerhalb weniger Tage wird Das Neue Berlin sein Buch zur „Euro 2008“ herausbringen, für das die Sportjournalistin Monika Lierhaus als Herausgeberin und Zugpferd fungiert. Copress realisiert seine Dokumentation in Zusammenarbeit mit der Sportzeitschrift „Kicker“. „Schnelligkeit ist sehr wichtig“, erklärt Jürgen Wohltmann von Das Neue Berlin. „Die Fußballfans wollen nach dem Turnier schnell Informationen und Fotos.“

Das Einhalten der „magischen 5-Tage-Frist“ ist umso wichtiger, als neben Bertelsmanns Chronik-Verlag ein weiterer Großkonkurrent für das Trommelfeuer der Schnellschüsse anlegt: Auch die Süddeutsche Zeitung Edition will am 4. Juli ihre EM-Dokumentation in die Buchhandlungen bringen.

Fußballfieber in den Alpen

Wie die anderen Sportbuchverlage schielen auch die Buchmacher der Süddeutschen in diesem Jahr mit einem Auge auf die Absatzmärkte in Österreich und der Schweiz. So versieht die SZ Edition die für Mai angekündigte Fortsetzung ihres Bestsellers „Fußball Unser“ bereits mit einem Schutzumschlag in den Nationalfarben der Gastgeberländer.

In spezieller Aufmachung für den Markt der Alpenländer erscheinen auch Regionalausgaben von Copress. Bei Das Neue Berlin plant man sogar eine österreichische Ausgabe, die von der heimischen Fußball-Größe Edi Finger herausgegeben wird und das Abschneiden der rot-weiß-roten Kicker stärker gewichtet. Eidgenössischen Fußballfans hilft etwa der Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch in puncto Fußballpatriotismus mit dem Titel „Hopp Schwiiz“ von Wolfgang Bortlik aus.

In den Alpen grassiert das Fußball-Fieber nämlich trotz ungewisser sportlicher Erfolgsaussichten. Und es hat auch Verlage erfasst, in deren Programm Kickerbücher bisher kaum eine Rolle gespielt haben.

  • So hat Ueberreuter gemeinsam mit dem ORF das mit 180 Seiten erstaunlich dicke Buch „Tor! Österreichs größte Fußball-Stars“ von Sportjournalist Hans Huber und Ex-Kicker Herbert Prohaska herausgebracht.
  • Auch die Verlagsgruppe Styria schnürt in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Fußballbund die Stollenschuhe und bringt im Pichler Verlag ein zweibändiges EM-Buch heraus, obwohl Styria-Sprecherin Barbara Brunner freimütig bekennt: „Wenn die Euro nicht im eigenen Land wäre, würden wir das nicht machen. Das ist nicht unsere Baustelle.“

Wenn Deutschland verliert

Wie wichtig die Alpenländer als Absatzmarkt für EM-Bücher werden, ist nach den Worten von Copress-Mann Pierre Sick nicht nur wegen der ungewöhnlichen Konkurrenz schwer einzuschätzen. Grundsätzlich sei die Marktbedeutung der beiden Länder etwa so groß wie die des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen.
Jürgen Wohltat von Das Neue Berlin schätzt etwa, dass das EM-Buch des Verlages zu 15% in Österreich gekauft werden wird. Dass die Nationalmannschaften der wichtigsten Absatzmärkte schon in derselben Vorrundengruppe aufeinandertreffen, sieht er ganz professionell: „Wenn Deutschland 0:1 gegen Österreich verliert, müssen wir über einen Nachdruck der Regionalausgabe nachdenken.“

David Wengenroth, wengenroth@buchreport.de

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