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Google hätte ein Monopol

Der US-District Court hat das modifizierte Google Settlement abgelehnt (hier der 48-seitige Text dazu). „Google hätte einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten“, heißt es in der Begründung von Richter Denny Chin (Foto). Dies wäre eine Belohnung dafür, dass Google ohne Zustimmung urheberrechtliche Werke kopiert, erklärt Chin.

Nach dem 2008 geschlossenen und 2009 überarbeiteten Vergleich zwischen dem Internetkonzern und US-Autoren sowie Verlegern hätte Google bei Zahlung von 125 Millionen Dollar das Recht gehabt, in den USA registrierte Bücher einzuscannen und ohne Rückfrage beim Rechteinhaber online zu stellen.

Der Richter rät den Parteien nun, den Vergleich von einem „opt-out“-Modell (Google scannt ohne Abstimmung mit den Rechteinhaber, und diese können nur nachher ihre Titel aus dem Programm nehmen) zu einem „opt-in“-Modell (Rechteinhaber melden ihre Titel aktiv für das Google-Program an) umzustrukturieren.

Insgesamt sind laut Chin 500 Einlassungen eingereicht worden, die große Mehrheit sei gegen das Settlement gerichtet gewesen. Rund 6800 Betroffene des Settlements (Autoren und andere Rechteinhaber) hätten ihre Titel aus dem Google-Programm genommen.

Chin begründet seine ablehnende Haltung wiefolgt:

  • Die Angelegenheit (besonders die Frage, wer die Rechte der Autoren verwaister Werke vertritt) müsse vom US-Kongress entschieden werden.
  • Der Fall habe sich ursprünglich auf die Suche nach und Veröffentlichung von „Snippets“ (kurze Textstücke) aus den von Google gescannten Büchern bezogen, nicht auf den Verkauf kompletter urheberrechtlich geschützter Werke.
  • Google hätte durch das Settlement eine Art Monopolstellung in der Verwertung digitaler Bücher und insbesondere verwaister Titel erlangt.
  • Während Wettbewerber den teuren Prozess der Rechteeinholung durchschritten hätten, habe Google ohne Erlaubnis einfach die Bücher gescannt, nach dem Motto „So, sue me“ („Verklag mich doch“).
  • Auch im Suchmaschinen-Bereich hätte Google durch das Settlement Vorteile. Zwar dürften auch dritte Suchmaschinen-Parteien die Google-Snippets anzeigen und die von Google gescannten Bücher indexieren und durchsuchen, allerdings nur, falls sie mit Google einen Vertrag abschließen.
  • Hinzu komme, dass die Interessen vieler Betroffener des Settlements unzureichend durch die Parteien am Verhandlungstisch (US-Autoren- sowie Verlegerverband) vertreten worden seien.
  • Das Settlement würde das herkömmliche US-Urheberrecht umdrehen: Normalerweise könne sich der Rechteinhaber eines Textes zurücklehnen und bei Verstößen diese ahnden; im Google-Fall verliere er dieses Recht, wenn er nicht handele (wegen der Opt-out-Klausel).
  • Durch die Auswertung der Nutzerdaten (welche Bücher online gelesen und gekauft werden, nach welchen Begriffen darin gesucht wird, etc.) werde gegen das Datenschutzgesetz verstoßen.
  • Das Settlement hätte gegen internationales Urheberrecht verstoßen.

Abschließend rät Chin den Parteien, den Vergleich von einem „opt-out“-Modell zu einem „opt-in“-Modell umzustrukturieren. Procedere: Für den 25. April ist eine „Status-Konferenz“ mit den Parteien des Settlements angesetzt.

Mit der Entscheidung schwenkt das Gericht auf die Linie des US-Justizministeriums ein, das vor rund einem Jahr sein Veto gegen das Settlement formuliert hatte. Kritikpunkt: Google wäre weiterhin der einzige Akteur auf dem digitalen Marktplatz mit dem Recht, die Bücher zu vertreiben und auf sonstigem Weg in verschiedenen Formaten zu vermarkten. Außerdem hätte Google das exklusive Recht, die verwaisten Werke ohne Haftungsrisiken zu vermarkten.

Besonders am Hirschgraben dürfte die Entscheidung von Chin für Applaus sorgen. Im Frühsommer 2009 hatte die Fachgruppe Verlage im Börsenverein den Entschluss gefasst, der „Erst nutzen, dann fragen“-Politik von Google eine Absage zu erteilen und gemeinsam mit Verbänden wie der VG Wort gegen das Settlement vorzugehen: Google hätte weiterhin als vergriffen eingestufte Bücher in den USA ohne Zustimmung von Autor bzw. Verlag nutzen dürfen – wodurch ein Grundsatz des internationalen Urheberrechts verkehrt werde, nach dem kommerzielle Anbieter vor der Nutzung eines geschützten Werks zunächst den Urheber um Genehmigung bitten müssen.

Zwar wäre ein großer Teil der deutschsprachigen Autoren und Verlage nicht mehr oder deutlich weniger stark von dem modifizierten Settlement betroffen, erklärte der Börsenverein; gleichwohl blieben viele ältere deutsche Bücher, die im US-Copyrightregister eingetragen wurden, vom Vergleich erfasst (Hintergrund: Bis 1978 war Urheberrechtsschutz in den USA nur für Bücher erreichbar, die dort registriert worden waren).

Für Verärgerung sorgt Chin vermutlich besonders bei der American Association of Publishers und der Authors’ Guild, die sich jetzt fragen müssen, wie sie den Rückfall des Gerichtsverfahrens in das ursprüngliche Klagestadium finanziell verkraften können – im Falle einer positiven Entscheidung durch das Gericht hätte Google nämlich ihre Anwalts- und Gerichtskosten übernommen.

Das jetzt abgelehnte modifizierte Google Settlement im Überblick

  • Google hätte weiterhin als vergriffen eingestufte Bücher in den USA ohne Zustimmung von Autor bzw. Verlag nutzen dürfen, darunter viele ältere deutsche Bücher.
  • Nutzungsmodelle, Zugangsformen: Unverändert wollte Google Endkunden ermöglichen, gegen Bezahlung Bücher einsehen zu können; institutionelle Einrichtungen sollen Zugänge zur Datenbank erhalten; die weiteren Nutzungsarten wurden auf Print-on-Demand, Download von Dateien und Abomodelle beschränkt.
  • Zuschnitt: Der Vergleich wird bezüglich der urheberrechtlich geschützten Bücher, die außerhalb der USA verlegt wurden, nur diejenigen mitabdecken, die entweder beim U.S. Copyright Office (das die Urheberrechte in den USA verwaltet) registriert oder in Großbritannien, Australien oder Kanada veröffentlicht wurden.
  • Ergo sollten die meisten Bücher aus Deutschland oder sonstigen europäischen Ländern (außer GB) nicht mehr vom Vergleich abgedeckt werden. Internationale Bücher, die noch von den Verlagen vertrieben werden und also noch verfügbar sind, sollten zunächst nicht von Google in Auszügen dargestellt, es sei denn auf Wunsch der Rechteinhaber/Verlage.
  • Verwaiste Werke: Zusätzlich zum Book Rights Registry, so der Plan, soll eine „Unclaimed Works Fiduciary“ eingerichtet werden, eine Art Treuhänder, der die Rechte der Autoren verwaister Werke vertreten soll.
  • Zahlungen von Google an das Book Rights Registry, die von den Rechteinhabern nicht beansprucht werden, sollen fünf Jahre lang aufbewahrt werden; im Anschluss soll ein Teil des Geldes für die Suche nach den Rechteinhabern verwendet und schließlich für literarische Einrichtungen oder gemeinnützige Stiftungen verwendet werden.
  • Erlösverteilung: Rechteinhaber sollen unverändert 63 Prozent der Einnahmen erhalten, Google 37 Prozent.
  • Wettbewerber: Jeder Buchhändler, darunter kleinere sowie die großen Onliner Amazon und Barnes & Noble sollen den Kunden Online-Zugänge zu den gemeinfreien und verwaisten Titeln verkaufen können; die Rechteinhaber erhalten 63%, während die Händler den Großteil der restlichen 37% der Einnahmen von Google behalten dürften.

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