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Es ist fast immer falsch, die Vergangenheit zu verherrlichen

Lange Interviews mit Jeff Bezos sind Mangelware. Doch jetzt hat sich der Amazon-Chef vom „Business Insider“ (an dem Bezos beteiligt ist) interviewen lassen. Darin äußert sich Bezos zu seiner Vision des Lebens auf anderen Planeten, dem Fire Phone-Flopp, seinem Lieblingsbuch – und den Versäumnissen der Buchbranche.

Es sei kein neues Phänomen, mit Lieferanten über Konditionen zu streiten, so Bezos mit Blick auf den (inzwischen beigelegten) Zoff mit Hachette, es sei sogar eine essentielle Aufgabe von jedem Händler, zu Gunsten der eigenen Kunden hart zu verhandeln. Selten sei jedoch, dass ein Streit so öffentlich ausgetragen werde. Der Interviewer hakt nach:
Wenn es keine Verhandlungen gäbe und Sie jedem die Konditionen diktieren könnten, wie sähe die Zukunft für Autoren aus? 
Bezos: Der wichtigste Aspekt ist, dass Bücher nicht nur mit anderen Büchern in Wettbewerb stehen. Bücher konkurrieren mit Menschen, die Blogs und Nachrichtenartikel lesen, Videogames spielen, Fernsehsendungen und Filme im Kino anschauen. (…) Man braucht viele Stunden, um ein Buch zu lesen. Das ist ein großes Bekenntnis. Wenn Du Deine Perspektive verengst und nur darüber nachdenkst, dass Bücher mit anderen Büchern konkurrieren, dann wirst Du schlechte Entscheidungen treffen. Was wir tatsächlich zu Gunsten einer gesunden Kultur des Lesens längerer Texte tun müssen, ist, Bücher besser zugänglich zu machen. 30 Dollar für ein Buch sind zu teuer. (…) Wenn man erkennt, dass man mit „Candy Crush“ und allem anderen im Wettbewerb steht, dann fängt man an zu sagen: Mensch, vielleicht sollten wir wirklich die Widerstände gegen das Lesen längerer Texte reduzieren. Darum ging es beim Kindle von Anfang an. Im Internet-Zeitalter haben sich fast alle Lese-Anwendungen darum bemüht, die Friktionen des Lesens kurzer Texte zu reduzieren. Das Internet ist perfekt dafür, drei Absätze an Dein Smartphone zu liefern. Der Kindle versucht, die Friktion fürs Lesen ganzer Bücher abzubauen. (…)
Das klingt gut, andererseits gibt es den Autor, der ein Buch schreiben möchte, aber seinen Brotjob erst dann aufgeben kann, wenn er einen netten Vorschuss eines großen, reichen Verlags erhält, den Sie gerade zerstören.
Nein, dies stimmt nicht. Die Verlage verfügen über eine einmalige Profitabilität, der Buchindustrie geht es heute besser als jemals zuvor, und das liegt an den Ebooks. Das Kindle-Team verdient dafür eine signifikante Anerkennung, weil sie früh dran waren, sie waren anderen voraus. Es gab sehr wenig Piraterie bei Ebooks, anders als bei anderen digitalen Medien. Das ist eine gute Nachricht für Verlage und Autoren. Doch den Wandel zu akzeptieren, ist für sie schwierig. Es ist sehr leicht, aber fast immer falsch, die Vergangenheit zu verherrlichen. (…) Das Lesen günstiger zu machen, wird nicht dazu führen, dass Autoren weniger verdienen. Das Lesen günstiger zu machen, wird den Autoren mehr Geld bescheren.
Außerdem erklärt Bezos im Interview,
  • dass er nur rund 10% seiner Arbeitszeit verreist,
  • dass sein Sohn der Letzte in der Klasse war, der ein Smartphone bekam,
  • dass Amazons Smartphone zu den mutigen Experimenten gehört, bei denen Amazon bereits Erfolge verzeichnet habe (z.B. Web Services, Kindle, Amazon Prime) und die Dutzende anderer Experimente kompensieren (ob das Fire Phone scheitere, lasse sich erst in einigen Jahren beurteilen),
  • dass seine Vision darin besteht, dass Millionen Menschen im Weltall leben und arbeiten,
  • dass sein Lieblingsbuch „The Remains of Day“ (deutsche Ausgabe: „Was vom Tage übrigblieb“) von Kazuo Ishiguro ist, die traurige Liebesgeschichte rund um einen Butler,
  • dass es bei Amazon sowohl für ihn als auch andere Top-Manager eine Nachfolgeregelung gebe,
  • dass er Brad Stones Buch „The Everything Store“ gelesen habe und den erste Teil (zum Aufstieg Amazons) auch schätze.
Hier das Interview als Video:

Kommentare

1 Kommentar zu "Es ist fast immer falsch, die Vergangenheit zu verherrlichen"

  1. Dagegen stelle ich:
    – Das Verbilligen von Büchern wird nicht zu mehr Geld für Autoren führen, denn der Buchmarkt ist gesättigt. Mit billigeren Preisen nehmen sich Autoren und Verlage nur gegenseitig die Umsätze weg.
    – Bücher stehen zwar in Konkurrenz mit anderen Medien, wenn es um die Aufmerksamkeit der „Nutzer“ geht. Daran ändert meiner Meinung nach die Preisgestaltung aber wenig. Wer Bücher mag, kauft sie auch dann noch, wenn Angry Birds nur € 0,99 kostet
    – Das FirePhone wird bei der Telekom selbst dann nicht gekauft, wenn der Preis drastisch reduziert wird – wie man derzeit sehen kann. In einigen Jahren wird es maximal noch als Randnotiz bekannt sein.

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