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Emanuel Maeß über »Gelenke des Lichts«

In den aktuellen Frühjahrsprogrammen finden sich zahlreiche Romandebüts deutschsprachiger Autoren. buchreport stellt 13 dieser Nachwuchsschriftstellerinnen und -schriftsteller in Steckbriefen vor. Heute: Emanuel Maeß und sein Debüt „Gelenke des Lichts“, erschienen im Februar bei Wallstein und laut Gustav Seibt in der „SZ“ vom 5. März „unwahrscheinlich schön“ geschrieben. 

Emanuel Maeß, geboren 1977 in Jena, hat Politologie und Literaturwissenschaft in Heidelberg, Wien und Oxford studiert. „Gelenke des Lichts“ ist sein literarisches Debüt. Ein Auszug wurde vorveröffentlicht in „Sinn und Form“. (Foto: Anno Dittmer)

Mein Roman in drei Sätzen

Ein Jüngling liebt ein Mädchen, gewinnt es, verliert es, nimmt Anlauf und springt. Die Liebe ist unglücklich, weil einseitig, aber sie wirft den zu bisweilen bestürzender Weltfremdheit neigenden Protagonisten in alle großen Fragen nach Wahrheit, Schönheit und Selbsterkenntnis, auch nach dem Gott im elterlichen Pfarrhaus, der ja nun angeblich ein Gott der Liebe sein soll. Antworten findet er aber weder in der im Schatten des Eisernen Vorhangs liegen gebliebenen Provinz­idylle seiner Heimat noch in den leidenschaftslos postmodernen geisteswissenschaftlichen Fakultäten der Nachwende-Zeit, sondern indem er nebenher immer wieder abrupt in sublime Landschaftsformationen, musikalische Erschütterungen, totgeglaubte Dichtung und erotische Intermezzi in einen Bereich hinein- und hinübertranszendiert, der ihm eine ungeahnte Freiheit, überhaupt erst ein angemessenes Aufgespanntsein verheißt, ein Gelände des Absoluten und Aufenthalt jener Götter und Dämonen, in die er sich am Ende mit großer innerer Konsequenz hineinstürzt (um von ihnen erzählen zu können).

Mein Weg zu Wallstein

Ein Glücksfall. Eine Agentin mit dem richtigen Riecher und ein erfahrener, mutiger Lektor mit einem anspruchsvollen, unabhängigen und ambitionierten Programm. Zwei Jahre später kommt das Buch. Wallstein ist mit seinem sicheren Blick auf die Tradition, seiner sprachlichen und intellektuellen Spannweite ein idealer Hafen für die erste Jungfernfahrt von Werk und Autor.

Das Verdienst meines Lektors

Jedes Debüt ist ein Wagnis und braucht einen Wagenden. Und wer es in diesem Geschäft mit einem wagt, verleiht einem das größte Vertrauen, das er im Rahmen verlegerischer Möglichkeiten zu geben vermag. Im Falle Thorsten Ahrends, der mit einigen der größten deutschen Literatur-Legenden Bücher gemacht hat, wiegt ein solches Vertrauen doppelt. Man sollte mit alten Ehrbegriffen vorsichtig umgehen, aber hier war und ist es eine solche, eine Ehre, dass sich jemand wie er für dieses Werk entschieden hat und sich dahinterklemmt. Dazu kamen weitreichende kosmetische Korrekturen und ein Hinweis auf Wilhelm Raabe, dessen stilistische Leichtigkeit das Ganze am Ende noch harmonisiert und ihm einen spielerischen Spin gegeben hat.

Mein Eindruck vom Literaturbetrieb

Eine große Unübersichtlichkeit, unbegreifliche Maßstäbe bei Kritik und Kommerz und im Ganzen das glatte Gegenteil des aus der Ruhe kommenden Gedankens und schöpferischen Moments. Andererseits auch oft eine überraschend inspirative Notwendigkeit.

Meine Lieblingsbuchhandlung

Die Nicolaische in Berlin-Friedenau. Verlässlich, kompetent, übersichtlich und eher old-school (gegründet 1713).

Meine Lieblingsautoren

Proust, Jean Paul, Pessoa, Rilke, Henscheid u.v.m. Als Leser kommt man um die Polyamourie eigentlich nicht herum.

So lese ich

Indem ich mich darüber wundere, dass die wichtigen Menschen und entscheidenden Bücher alle von selbst auf mich zukommen und ihre Seiten aufschlagen.

Schreiben ist für mich

Die Entzifferung einer „Chiffrenschrift“ (Novalis). Erkennen, wie Leben und Welt eigentlich gemeint waren, also auswählen, ordnen, zurechtrücken und dies dann schriftlich fixieren. Und darüber überhaupt erst in ein halbwegs akzeptables Weltverhältnis kommen.

Wenn ich nicht gerade schreibe

Dann ordne ich, Berufs- bzw. Berufungskrankheit, das Leben im Hinblick auf seine künstlerische Verwertbarkeit schon einmal vor und bahne die eigenen Weltbezüge auf den erzählerischen Mehrwert hin bisweilen sogar konstellativ an.

Warum haben Sie dieses Debüt ins Programm genommen?

Was Emanuel Maeß schon in seinem Debüt draufhat – das ist fulminant; kein Versprechen, sondern unverkennbar die Pranke des Löwen. Von dem Mann werden wir noch viel hören. Sprachlich ein großer Könner, dabei durchtrieben und mit allen erzählerischen und diskurstheoretischen Wassern gewaschen. 

Thorsten Ahrend, Lektor und Leiter des Belletristik-Programms

Debütanten im Frühjahr 2019

– im buchreport.magazin 3/2019

 

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Kommentare

1 Kommentar zu "Emanuel Maeß über »Gelenke des Lichts«"

  1. Gabriele Papanikolaou | 17. Januar 2022 um 18:49 | Antworten

    Ich habe dieses schoene Buch in der Bibliothek des Goethe Institutes von Athen gefunden und lese es gerade mit grosser Freude, will es aber auch demnaechst selber besitzen, um manches Ernsthafte darin mit Bleistift zu markieren!! … Stellenweise scheint es mir etwas zu witzig / barock zu sein, aber mein strenger Blick auf den schoenen Text kann altersbedingt sein : hier schreibt eine alte Tante von 81 Jahren

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