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Ein geglückter Rücktritt will zeitig geplant sein

Mittelständische Unternehmer müssen ihre Nachfolge regeln. Davon hängen das Fortbestehen und die Entwicklung der eigenen Firma ab. Die Beschäftigung damit kann nicht früh genug beginnen, sagt Joachim Merzbach.

Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn schätzt, dass zwischen 2018 bis 2022 ca. 150.000 Familienunternehmen übergeben werden. Den Rahmen dafür bildet das Dreieck Unternehmer – Familie – Unternehmen, in dem sich nicht nur die rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte der Nachfolgeregelung abspielen, sondern vor allem die menschlichen und psychologischen Dynamiken, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Schätzungen zufolge misslingt jede zweite Nachfolge und bringt damit nicht nur das Unternehmen, die Arbeitsplätze und das Vermögen in Gefahr, sondern auch das Lebenswerk des Unternehmers und den Zusammenhalt seiner Familie.

Branchenexperte: Joachim Merzbach ist seit 44 Jahren im Buchhandel tätig, in den vergangenen 25 Jahren als selbstständiger Unternehmensberater für den Buchhandel mit betriebswirtschaftlichem Schwerpunkt. Zuvor war er 11 Jahre Dozent an der Buchhändlerschule, Redaktionsleiter Berufliche Bildung bei Klett sowie Geschäftsführer des Gehlen Verlags. Neben der Betreuung seiner Erfa-Gruppen sind Nachfolgeregelungen sein aktuelles, hauptsächliches Aufgabengebiet. (Foto: privat)

Die volkswirtschaftliche Bedeutung von Familienunternehmen ist immens. Von 3,2 Mio Unternehmen in Deutschland, deren Jahresumsatz über 50.000 Euro liegt, sind rund 90% Familienunternehmen. Die Gründe für Übergaben liegen vor allem in dem Erreichen des Ruhestands­alters (86% aller Übergaben), wegen Todes sind es 10%, wegen Krankheit 4%. Fast die Hälfte aller Unternehmen werden an Familienmitglieder übergeben, 10% gehen an Mitarbeiter, ca. 10% werden mangels Nachfolge stillgelegt, der Rest geht an externe Übernehmer.

 

Eine der wichtigsten Entscheidungen

Die Erfahrung zeigt: Nur eine Minderheit der klein- und mittelständischen Buchhändler und Verleger plant den Wechsel in der Betriebsführung oder an der Unternehmensspitze rechtzeitig. Notwendige Überlegungen zur Nachfolgeregelung werden aus persönlichen, wenn auch aus falsch verstandenen Gründen oft verdrängt. Der Generationswechsel muss sorgfältig vorbereitet werden. Fachleute, Berater helfen mit Sachkunde, Rat und Tat. Meistens ist die Frage des Wechsels an der Spitze schlecht vorbereitet oder ungeklärt. Nur rechtzeitiges Handeln kann helfen, dass die betriebliche Existenz nach dem „Regierungswechsel“ gesichert ist.

Geordneter Rückzug als Erfolgsfaktor

Die Frage des Generationenwechsels und der Unternehmensnachfolge stellt sich nicht nur beim Tod des Inhabers. Sie sollte langfristig und planmäßig vorbereitet werden, damit der Inhaber sich ruhig in den Ruhestand (aufs Altenteil) zurückziehen kann. Die Übergabe des Betriebs führt zu Turbulenzen, wenn die Nachfolger bis zum Schluss vom betrieblichen Entscheidungsprozess ausgeschlossen waren.

Unternehmensnachfolge ist Chance und Risiko zugleich. Daher ist es besonders wichtig, auch in der Familie frühzeitig über diese Frage ins Gespräch zu kommen.

Sind unsere Familienunternehmer sich der Bedeutung dieser Problematik bewusst? Behandeln sie die Nachfolge mit dem erforderlichen Verantwortungsgefühl? Diese Frage muss sicherlich in vielen Fällen mit „Nein“ beantwortet werden.

Das ist umso bedauerlicher, als es inzwischen durchaus ein erprobtes Instrumentarium gibt, um Fehlentwicklungen bei der Nachfolge weitgehend auszuschließen. Entscheidender Ansatzpunkt hierfür ist jedoch nicht das „technische“ Werkzeug; entscheidend ist vielmehr eine genaue Kenntnis der individuellen Ziele, Wertvorstellungen und Persönlichkeitsstrukturen aller am Nachfolgeprozess Beteiligten. Die Erfahrung lehrt: Sich diese hochsensiblen Informationen zu beschaffen ist einem Externen nur dann möglich, wenn es ihm gelingt, das Vertrauen aller Akteure, das heißt der Senioren, Junioren, aber auch das der wichtigsten Leistungsträger des Unternehmens, zu gewinnen.

Unzureichende Führungskenntnisse, mangelhafte Führungsqualitäten, unzureichende Informationen des Nachfolgers über betriebliche Abläufe zählen zu den Hauptursachen des Misserfolgs der neuen Generation bis hin zum völligen Verlust von Firmen- und Privatvermögen.

Den Nachfolgern allein die Schuld dafür zuzuweisen, wäre allerdings ungerecht. Vielmehr muss sich der mittelständische Unternehmer – besonders dann, wenn er Alleininhaber ist – rechtzeitig mit diesen Themen befassen. Er allein trägt die Verantwortung dafür, dass der Generationswechsel rechtzeitig geplant wird und geordnet abläuft. Hängt der Senior zu lange an seinem Betrieb, besteht die Gefahr, die Zukunft des Betriebs zu blockieren. Die Nachfolgeplanung ist Bestandteil der strategischen Unternehmensplanung. Wie jede Planung muss sie auf einer festen Zeitachse beruhen, die insbesondere den Rücktrittszeitpunkt des Seniors genau definiert.

Eine weitere wichtige Erkenntnis: Steuerrecht und Gesellschaftsrecht haben für die Nachfolgeplanung lediglich eine Hilfsfunktion. Sie dürfen niemals zum Selbstzweck werden. Was nützt ein ausgeklügeltes Steuermodell, was nützt die optimale gesellschaftsrechtliche Einbindung des Juniors oder des Externen, wenn diese fachlich und persönlich ungeeignet sind?

 

Nachfolgeplanung muss verfügbar sein

Rechtzeitig vor dem Übergabetermin ist für einen nachfolgewürdigen und nach­folgefähigen Betrieb zu sorgen. Ein überschuldeter Betrieb, der keine Gewinne erzielt, ist eine Zumutung für die neue Generation bzw. die Übernehmenden.

Deshalb gilt: Planen Sie Ihren Erfolg systematisch und steuern Sie Ihre Erfolge. Die beständige Analyse der wirtschaft­lichen Lage, die laufende Kontrolle und ein Planungssystem tragen zu geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen mit Ertragskraft und gesunder Finanzierung bei.

Nachfolgeplanung richtig verstanden heißt: Das gesamte Unternehmen muss auf den Prüfstand gestellt werden. Der Junior bzw. der externe Käufer oder aber die übernehmenden Mitarbeitenden müssen mit neuen, auf sie zugeschnittenen, Führungs- und Kommunikationskonzepten arbeiten können. Die Chance, das Unternehmen anlässlich der Nachfolge einem ganzheitlichen „Check-up“ zu unterwerfen, darf nicht vertan werden.

Die Nachfolgeplanung muss gemeinsam mit den wichtigsten Leistungsträgern des Unternehmens erstellt werden. Vor einsamen Entscheidungen zwischen dem abgebenden Unternehmer und seinen Beratern ist dringend zu warnen. Ein Nachfolger aus der Familie muss mindestens dieselbe fachliche und persönliche Eignung aufweisen wie qualifizierte Dritte auf dem freien Personalmarkt.

 

Die häufigsten Fehler

Eine schlecht vorbereitete Unternehmensnachfolge gefährdet die Existenz des Betriebs. Jede vierte Übergabe mündet nach Ansicht des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung in einer Unternehmenskrise. Das sind die häufigsten Fehler:

  • Planung unter Zeitdruck: Ein Viertel der Unternehmer ignoriert nach Angaben der Deutschen Ausgleichsbank das Problem der ungelösten Nachfolgeregelung. Eine Übergabe unter Zeitdruck ist gefährlich. Spätestens mit 55 Jahren sollte der Unternehmer mit der Planung beginnen.
  • Zu hoher Kaufpreis: Fällt der Kaufpreis zu hoch aus, steht die Finanzierung des Betriebs auf dem Spiel. Daher sollte der Übergebende seine Altersvorsorge nicht vom Verkaufserlös abhängig machen. Die finanzielle Ausgangslage der potenziellen Käuferschaft ist entscheidend dafür, ob ein Kauf überhaupt realisierbar ist und zu welchem Preis dieser zustande kommt. Wer das Pech hat, dass die konkreten Interessenten zu wenig Geld haben, erzielt tiefere Verkaufspreise, auch wenn höhere Werte nicht bestritten werden.
  • Nachlassendes Engagement: Stetige Investitionen und motivierte Mitarbeitende sichern den Bestand. Deshalb darf das Engagement des Seniors kurz vor der Übergabe nicht nachlassen. Notwendige Investitionen dürfen nicht verschoben werden, und Mitarbeitende müssen rechtzeitig über die Zukunft des Unternehmens informiert werden.
  • Fehlende Vorbereitung des Nachfolgers: Der Übernehmende muss Bescheid wissen. Ohne Einblick in Absprachen und Strukturen mit Kunden, Lieferanten und Banken steht der Betrieb auf dem Spiel.
  • Unklare Familienverhältnisse: Bleibt der Betrieb in der Familie, muss sich der Übergebende rechtzeitig entscheiden, wer Chef werden soll. Sonst wollen alle mitreden und es droht die „Zeitbombe“ Erbengemeinschaft.
  • Mangelnde Vorbereitung der Verhandlungen: Der Verkäufer muss unbedingt vorbereitet sein, bei der Unternehmensprüfung transparent und konsistent zu informieren. Kommen dem Käufer im Rahmen seiner Überprüfung hingegen Zweifel daran, ob sein zunächst positives Bild zutrifft, so kann der Verkaufspreis leiden oder der Deal platzt sogar ganz.
  • Zu viel Publizität?: Um zu vermeiden, dass die Verkaufsabsicht publik wird, beschränken sich viele Unternehmensverkäufer auf den Kontakt mit wenigen mög­lichen Interessenten. Das ist falsch. Vielmehr werden erfolgreiche Unternehmensverkäufer möglichst viele Optionen aufbauen, um in eine komfortable Verhandlungsposition zu gelangen. Das heißt, so breit wie möglich zu suchen und möglichst keine Verhandlungsexklusivität zu erteilen.
  • Klammernder Unternehmer: Nicht zuletzt führen unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Geschäftsführung zu Generationskonflikten zwischen Übergeber und Nachfolger. So konsequent wie ein Eigentümer sein Unternehmen führt, so konsequent sollte er sich auch zurückziehen. Das ist ein schmerzhafter Prozess. Das gedankliche „Loslassen“, die positive Auseinandersetzung mit dem letzten eigenen Arbeitstag und die Freude auf „die Zeit danach“ müssen daher am Anfang jeder Verkaufsbemühung stehen.

Joachim Merzbach, Merzbach Consulting

Nachfolgeregelung – im buchreport.magazin 5/2022

pubiz-Webinar: Die Nachfolge im Buchhandel optimal regeln

inkl. Unternehmensbewertung, Testament und Vollmachten

(Foto: 123rf.com_Ijupco)

Donnerstag, 31. Mai, 18:30 Uhr, ca. 60 Minuten

Die Nachfolge regelt ein Unternehmer oder eine Unternehmerin normalerweise nur ein Mal im Leben. Umso wichtiger ist es, diese gut vorzubereiten und als Teil der Unternehmensgeschichte sowie als strategische Aufgabe eines jeden Unternehmers zu sehen. In einem Webinar der Weiterbildungsplattform pubiz zeigt Unternehmens­berater Joachim Merzbach, worauf zu achten ist. Inhalte:

  • Unternehmensübertragungen in Deutschland
  • Gründe von Verkauf und Kauf von Buchhandlungen und Verlagen
  • geordnete Geschäftsübergabe mit sorgfältiger Planung
  • betriebswirtschaftliche Aspekte
  • steuerrechtliche Aspekte
  • rechtliche Aspekte
  • psychologische Aspekte
  • die häufigsten Fehler bei der Nachfolgeregelung
  • die geheimen Ängste bei der Nachfolgeregelung
  • die Unternehmensbewertung
  • die unterschiedlichen Rechenmethoden mit Beispielen
  • die Ermittlung eines „angemessenen“ Kaufpreises
  • Testament und Vollmachten

Infos und Anmeldung: www.pubiz.de/webinar/nachfolge-buchhandel

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