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Ehrhardt F. Heinold: Sechs Verlagstrends 2013

Ehrhardt F. Heinold: Sechs Verlagstrends 2013

Herausforderung Innovation: Unter diesem schlichten Motto lassen sich alle Trends zusammenfassen, die ich für 2013 gesammelt habe. Stammleser wissen: Wie in jedem Jahr möchte ich hier ein paar Trends skizzieren, die das neue Jahr bestimmten werden.

Ich verweise dabei wie stets auf meine Trendanalysen aus den Vorjahren: Viele dort genannten Trends sind noch immer aktuell und werden deshalb nicht erneut genannt. Für dieses Mal habe ich mir eine Neuerung ausgedacht: Zu jedem Trend nenne ich die Kernanforderung und die Kernfrage.

1. Geschwindigkeit als Kernkompetenz

Verlage sind es gewohnt, in langen Zyklen zu planen, in manchen Buchverlagen teilweise mit Fünfjahresplänen. Planung wird immer noch gebraucht, Programmstrukturen müssen sinnvoll gefüllt, Autoren mit langfristiger Auslastung frühzeitg gebucht werden. Dennoch werden sich die Planungszeiten weiter verkürzen. Trendthemen mit immer kürzeren Laufzeiten bestimmen immer stärker den Medienmarkt, die Zeitfenster werden kleiner. Auch Technologietrends kommen und gehen in engen Zyklen. Dabei benötigt Geschwindigkeit auch eine neue Ausprobierkultur, wie sie z.B. durch E-Books möglich wird. Zukünftig brauchen Verlage Formate, mit denen sie ohne großen Aufwand Innovationen testen können – mit schneller Lernkurve und möglichst niedrigen Investitionen.

Die Kernherausforderung: Es muss eine Balance gefunden werden zwischen langfristiger Planung und kurzfristigen Trendthemen.

Die Kernfrage: Wie kann in einer langfristig denkenden Organisation eine Schnellstraße etabliert werden?

2. Gemeinsame Kundenlösungen: Kooperationen gewinnen an Bedeutung

Die digitalen Vermarktungssysteme werden immer größer und mächtiger. Wer als Verlag nicht gänzlich dazu in Abhängigkeit geraten möchte, ist gut beraten zu kooperieren – sogar mit Wettbewerbern. Denn für den Kunden zählt nur noch eins: Die Bequemlichkeit, die er von den Onlineshops und Appstores gewohnt ist. Die Anfänge der Verlagskooperationen liegen mehr als zehn Jahre zurück, doch fast alle Versuche (wie z.B. Bildung Online oder Legios), sind bisher gescheitert. Doch im Lichte der übermächtigen Digital-Konkurrenz suchen immer mehr Verlage wieder nach gemeinschaftlichen angeboten für ihre Kunden. Prominente Beispiele sind digitale Schulbücher, Jurion oder auch das E-Book-Leihportal Skoobe.

Die Kernanforderungen: Möglichst umfassende Abdeckung eines Themengebietes und bestmögliche Userexperience bei der Nutzung.

Die Kernfrage: Werden die Verlage dieses Mal ihre Egoismen zugunsten einer kundenorientierten Lpösung zurückstellen können?

3. Smart Content: Inhalte werden intelligent

Die wissenschaftlichen Grundlagen sind geklärt, die technische Umsetzung ist in zahlreichen Projekten gelungen – jetzt sind die Verlage dran: Sie können ihre Produkte, aber auch ihr Marketing (Metadaten) durch semantische Contentaufbereitung intelligent machen. Erste Verlagsangebote wie das Radiologenportal Radbase von Thieme zeigen das Potential semantisch aufbereiteter Inhalte: Kontextualisierung, Personalisierung, Microcontent – all dies wird durch semantischen Content erst möglich.

Die Kernanforderungen: Die technische Umsetzung stellt keine echte Herausforderung dar, ist aber aufwändig. Die Kernanforderung lautet deshalb, Produkte und Geschäftsmodelle zu entwickeln, die Semantik bezahlbar machen.

Die Kernfrage: Werden Verlage nach all den Investments in das „klassische“ Content Management erneut in ihren Content investieren, auch wenn die Erlösmodelle noch nicht klar sind?

4. Innovationsmanagement

Das Thema steht schon länger auf der Agenda (siehe HSP-Newsletter 5/2012), doch seine Relevanz nimmt zu: Wenn klassische Geschäftsmodelle zurückgehen, dann müssen neue, tragfähige Ideen entwickelt werden. Doch Verlage tun sich schwer mit echten Innovationen – das jedenfalls sagen Verleger selbst. So erklärte der Springer-Vorstandsvorsitzende Matthias Döpfner im Kress-Interview, dass Springer alle wesentlichen Innovationen nur durch Zukauf erreicht habe. Eine ähnliche Einschätzung verkündete Ebner-GF Gerrit Klein in seinem Vortrag auf dem Zukunftsforum Zeitschriften der Buchakademie : „Echte Innovationen können wir nicht“. Was er mit „echt“ meinte: Produkte und Services, die nicht dem traditionellen Verlagsgeschäft entsprechen. Wenn diese Einschätzungen auch etwas pauschal daherkommen, so ist doch sehr viel Wahres enthalten. Unsere Erfahrung in der Beratung zeigt: Im täglichen Geschäft und mit den gewohnten Denkmustern fällt Innovation schwer. Die Führungsspitze muss sich deshalb fragen, in welchen Strukturen sie Innovation organisieren will: Innerhalb der Fachabteilungen, in einer eigenen Abteilung (Business Development) oder sogar in einer eigenen Firma (zugekauft oder auch selbst aufgebaut)?

Die Kernherausforderung: Schaffung einer Struktur für Innovationen, die zuverlässig neue Ideen generiert und erprobt.

Die Kernfrage: Wie viele Verlage werden schnell genug in der Lage sein, eine echte Innovationskultur zu etablieren?

5. Kundenorientierte Produktentwicklung: Die interne Revolution

Der traditionelle Ablauf bei der Produktentwicklung in Verlagen ging vom Autor über den Lektor / Produktmanager / Redakteur bis zum Hersteller. Die Kunden spielten bei diesem Prozess oft eine untergeordnete Rolle. Durch das elektronische Publizieren ist in manchen Verlagen dann ein Wandel eingetreten: Plötzlich wussten die Kollegen in Marketing und Vertrieb durch ihre Kundennähe besser, welche neuen Angebote die Kunden benötigen. Und so wuchs die Erkenntnis, dass es Sinn machen kann, die Produktentwicklung vom Produktmanagement zu trennen. Nicht alle werden so weit gehen wollen wie Haufe: Dort werden neue Ideen in marktorientierten Business Development-Abteilungen entwickelt und von den Redaktionen umgesetzt. Und natürlich bleiben kreative Autoren nicht nur in Belletristikverlagen ein wichtiger Bestandteil der Produktenwicklung. Aber eben nur ein Bestandteil – ein systematischer, kundennaher Entwicklungsprozess muss dennoch aufgesetzt werden.

Die Kernherausforderung: Liegt nicht nur in der Erkenntnis, sondern vor allem in der Umsetzung – wenn aus Redakteuren Dienstleister für Produktenwickler werden, ist ein echter Change-Prozess gefragt.

Die Kernfrage: Wie viele Verlage werden sich eine solche Revolution trauen?

6. Projektmanagement wird zentrales Handwerkzeug

Die vorstehenden Trends zeigen: Das Aufgabenspektrum in Verlagen wird komplexer und immer. Die wenigsten Aufgaben können noch von einzelnen Personen oder Abteilungen bewältigt werden. Beispiel Produktentwicklung: Hier müssen von Beginn Marketing und Herstellung (Content) einbezogen werden. Mit anderen Worten: Die Zahl und die Komplexität der Projekte nehmen zu. Logische Konsequenz: Jeder Mitarbeiter muss in der Lage sein, in Projekten zu denken und zu arbeiten, immer mehr müssen eine Projektleitung übernehmen können. Projektmanagement wird zum zentralen Handwerkszeug.

Die Kernherausforderung: Die starren Abteilungsstrukturen müssen zugunsten einer agilen Projektkultur aufgeweicht werden.

Die Kernfrage: Wie kann ein Verlag eine Balance finden zwischen Aufgaben, die als Projekt und jenen, die als fester Prozess gemanagt werden (siehe HSP-Newsletter 9/2011)?

Ehrhardt F. Heinold, Unternehmensberater Heinold, Spiller & Partner

 

Kommentare

2 Kommentare zu "Ehrhardt F. Heinold: Sechs Verlagstrends 2013"

  1. Das sind Trends aus Sicht eines Unternehmensberaters. Vielleicht reden wir doch mal über Trends des Marktes, woraus dann die Trends für die Verlage folgen sollten?

    1. Die Anzahl der Leser nimmt (demografisch) nicht zu. Das Buch (Lesen) konkurriert zunehmend mit Computerspielen, Facebookaktivitäten, SMS, Telefonieren… Die (namentlich jüngeren Leser sind zunehmend anderweitig abgelenkt, der Trend geht eher zu kürzeren Texten, lange Bücher zu lesen, das ist definitiv kein anwachsender Zukunftstrend)

    2. Das Verhältnis neuer Bücher (mit aktueller VÖ) und historischer (von Klassikern bis zu Jenen vom letzten Katalog) verschiebt sich Jahr für Jahr zu den Letzteren. Neue Bücher haben es zunehemend schwerer durchzudringen, denn Harry Potter wird auch Jahre nach der VÖ immer noch viel gelesen.

    3. Backlist Titel sind nur im Antiquariat verfügbar, manchmal (selten) als legales Ebook. Die Backkataloge vergammeln einfach (zumindest bei den meisten Verlagen). Die Autoren dieser Bücher macht das bestimmt nicht froh, die Leser auch nicht.

    4. Klare Ansage: Ebooks sind hier auch (verspätet) weiter im Kommen.

    5. Der traditionelle Buchhandel geht zurück bzw. stirbt langsam aus. Buchläden morgen = Plattenläden heute!

    Wie reagieren die (meisten) Verlage bzw. die Branche?

    Kunden wünschen sich z.B. ein umfangreiches ebook Angebot, wie bei Amazon schon vor 2 Jahren in den USA – gibt es nicht! Statt dessen finden technologische Abgrenzungskämpfe statt. Plattformen wie jene der MVB sind technisch noch nicht einmal in der Amateurklasse – Alles kräftig mit hartem DRM versetzt, was die Kunden echt „freut“, wenn sie z.B. mal den Reader wechseln wollen .

    Leser wollen Flatrate Angebote, so wie es sie in der Musik schon gibt (wo sie erfolgreich sind) und im Film, wo sie langsam entstehen. Bei Büchern – Fehlanzeige. Statt dessen regt man sich über das elektronisches Verleihen auf und macht den Bibliotheken das Leben schwer. Amazon ist da schon weiter.

    Fazit: Man arbeitet gegen die Leser, was sich rächen wird.

    Über magere Tantiemen bei den Autoren (kleine, einstellige Prozente) sowie auch bei Übersetzern, freien Lektoren und Korrektoren etc. wurde bei Buchreport schon oft berichtet. Man geizt bei den Produzenten des „Contents“ (der ja „King“ ist, sorry, wir haben ja die Monarchie abgeschafft). Die Devise der Verlage heisst ja wohl: externe Kosten sparen!

    Das Ganze führt zu einigen Reaktionen des Marktes, auf die Sie bei Ihren Trendvorstellungen nicht mit einem Wort eingehen:

    Neue Autoren beginnen ihre Karriere bei Kindle Self Publishing und ältere (siehe auch dazu Artikel bei Buchreport) spielen mit dem Gedanken, es ebenfalls zu tun.

    Leser bedienen sich zunehmend bei den Piraten, was speziell in Deutschland (bei Fachbüchern international) einfacher ist, als manche Bücher (die es nicht als ebook gibt) legal zu erwerben.

    Tja, die Autoren haben Gründe, die Verlage nicht zu lieben. Die Buchhändler sterben langsam aus und die Leser gehen zum Piraten. Echte neue Geschäftsmodelle (a la simfy) gibt es nicht.

    Da wirken doch Aussagen, wie „Kundenorientierte Produktentwicklung: Die interne Revolution“ wie der blanke Hohn.

    Entschuldigung, ich kann Ihre Trends echt nicht ernst nehmen! Diese Probleme in den Verlagen mag es ja AUCH geben, aber die Bedrohungen für die Verlage kommen ja wohl aus einer ganz anderen Richtung.

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