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Ehrhardt F. Heinold: Digital Natives eilen davon

Ehrhardt F. Heinold: Digital Natives eilen davon

Ist das E-Book das Buch der Zukunft? Welche Rahmenbedingungen gilt es sowohl auf Verlags- als auch auf Kundenseite zu beachten? Wie müssen sich verlegerische Geschäfts- und Erlösmodelle verändern, um auch in Zukunft im e- und mBusiness bestehen zu können? Verena Täger hat 18 Experten der Branche befragt.Unter den Befragten sind Verleger, Berater, Online- und App-Spezialisten.

Alle Experten wurden gezielt zum aktuellen und zukünftigen Marktgeschehen innerhalb der Branche, Endgeräten, Zielgruppen, Pricing-Modellen und innovativen Produktformen befragt. Hintergrund dieser Expertenbefragung war eine Diplomarbeit zum Thema „E-Books und digitale Geschäftsmodelle in der Verlagswelt“.

Warum kommt der deutsche E-Book Markt nur sehr schleppend zum Durchbruch?

Schon eines der ersten Ergebnisse der Studie macht deutlich, warum der deutsche E-Book Markt den internationalen Vorbildern aus den USA immer noch hinterher hinkt. Auf der einen Seite fehlt es an einem umfangreichen Angebot an elektronischer Literatur sowie an multimediafähigen Endgeräten (neben iPhone und iPad), auf der anderen Seite ist mit dem Mediennutzungsverhalten der Digital Natives kaum mitzuhalten. Aber auch die Klärung von Lizenzrechten sowie Unklarheiten im Digital Rights Management verhindern derzeit eine schnelle Marktdurchdringung.

Welche Lese-Endgeräte werden sich am Markt etablieren?

Hier prognostizieren die Experten den iPhones und iPads dieser Welt – heutzutage schon beinahe Synonyme für Smartphones und Tablet-PCs – eine überragende Bedeutung im E-Book Markt. „E-Book-Reader für Anspruchsvolle, Smartphones für alle und Tablet-PCs für Wissensarbeiter“, so lautet die Einschätzung eines Befragten. Dennoch ist man sich einig, dass das iPhone seine Alleinstellung verlieren wird, da vor allem Android-Smartphones am Markt aufholen werden. Es gilt also für Verlage schon heute nicht nur Apples App-Store zu fokussieren, sondern auch andere mobile Endgeräte im Auge zu behalten.

Wer ist eigentlich der klassische E-Book Leser?

Studien verweisen häufig auf den jungen, convenience-orientierten, gebildeten und technisch versierten Digital Native, der Inhalte personalisiert, „on demand“ und in allen verfügbaren Medienformaten erwartet. Weitere Details über Nutzeranforderungen und –gewohnheiten sollten Verlage ebenfalls kennen. Das Social Web bietet dabei großartige Chancen, um den Prozess des gegenseitigen Kennenlernens zu forcieren. So könnte beispielsweise schon vor Erscheinungstermin ein kritischer Dialog zu Thema und Inhalt angedacht werden.

Welche E-Book Genres und welche Lese-Endgeräte sich am besten für die verschiedensten Zielgruppen eignen, zeigt ein weiteres Teilergebnis der Expertenbefragung:

– Studenten nutzen verstärkt Fachbücher auf PC und iPhone
– Manager nutzen verstärkt Zeitungen, Zeitschriften und Sachbücher auf iPhone
– Frauen nutzen verstärkt Sachbücher, Belletristik und Ratgeber auf PC und E-Book Reader

    Sach- und Fachbücher sowie Zeitungen und Zeitschriften weisen demnach größte Erfolgschancen für die digitale Distribution auf.

    Wie sieht das E-Book der Zukunft aus?

    Das E-Book der Zukunft wird sich stark vom reinen PDF-Text unterscheiden. Nach Einschätzung der Experten ist das Enriched E-Book das digitale Informationsangebot der Zukunft. Interaktive und multimediale Mehrwerte ergänzen hierbei das klassische E-Book und ermöglichen ein multisensorisches Leseerlebnis. Service und Content verschmelzen somit am Point of Need.

    Anreichern lassen sich E-Books u.a. durch folgende Features:

    – Zusatzkapitel oder Outtakes (Passagen, welche eigentlich vom Lektor gestrichen wurden)
    – Autoreninterviews
    – Interne und externe Verlinkungen wie eGlossar oder vernetzte Inhaltsverzeichnisse
    – Videos
    – interaktive Elemente wie Übungen, Checklisten und Games
    – Audiosequenzen
    – Web 2.0 Anwendungen wie Facebook oder Twitter
    – iPhone Applikationen

      Die Kreation solcher Mehrwerte sollte allerdings nicht im Nachhinein Aufgabe des Marketings oder des Vertriebs sein, sie sollte stets von Autor und Lektor initiiert werden. Diese können schon bei Entstehung eines Buches wertvolle Zusatzmaterialien erschaffen.

      Des Weiteren verlangt das E-Book der Zukunft nach einer stärkeren Kundenorientierung. „Pick & Choose“ Angebote – hier stellt sich der Kunde seine Informationspakete aus Print, Zeitschrift, Datenbanken und Online selbst zusammen – oder E-Book Bundle können erste Schritte in Richtung Individualisierung 2.0 sein.

      Welche Pricing-Modelle sind in der digitalen Welt sinnvoll?

      Viele Experten betonen die Orientierung an der günstigsten Print-Ausgabe oder empfehlen eine Preisreduktion von bis zu 40%. Dennoch kristallisiert sich die Meinung heraus, dass E-Books – je nach Umfang und Bonusmaterial – durchaus zum gleichen bzw. höheren Preis wie gedruckte Bücher angeboten werden können.

      Das digitale Pricing kann Verlagen ebenfalls umfangreichere Möglichkeiten innerhalb der Preisdifferenzierung bieten. Je nach Umfang der Nutzungsrechte bzw. des Serviceanteils und nach Zielgruppe lassen sich Preise variieren.

      Die vielfältigen Möglichkeiten der digitalen Welt eröffnen Verlagen auch bei der Gestaltung der Abrechnungsmodelle erweiterten Spielraum. Nicht mehr nur vollständige E-Books können heruntergeladen oder online gelesen werden, sondern auch kleine Informationspakete, bestehend aus einzelnen Kapiteln oder Seiten, sowie Pay-per-Use Tarife und Abonnements sind denkbar. Die Darstellung zeigt das jeweilige Zukunftspotenzial nach Einschätzung der Experten.

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      Wie wird sich der E-Book Markt künftig entwickeln und welche Erfolgsfaktoren können für Verlage definiert werden?

      Wie sich der E-Book Markt in Zukunft tatsächlich entwickeln wird, ist heute nur schwer abzuschätzen. Im Rahmen der Umfrage stimmen die Experten überein, dass der E-Book Markt in fünf Jahren einen Anteil von ca. 10-15% am gesamten Büchermarkt einnehmen wird. Das elektronische Buch wird sich als eigenständige Produktform etablieren und eine neue, interessante Verwertungsstufe darstellen. Das gedruckte Buch wird allerdings nicht ersetzt werden. Beide Produktformen werden parallel existieren und je nach Zielgruppe und Informationsbedarf zum Einsatz kommen.

      Einer der wohl wichtigsten Erfolgsfaktoren für Verlage der Zukunft wird die Konzentration auf Kernkompetenzen darstellen. Autoren zu erschließen, Inhalte zu generieren, zu filtern und zu vertreiben und den Verlag als entscheidendes Qualitätsmerkmal bei den Lesern zu etablieren, hat und wird Verlage auch künftig zum Erfolg führen. Denn auch in der digitalen Welt ist der Content entscheidend, egal ob im Print-, Online- oder Mobile-Business.

      Weitere Erfolgsfaktoren aus Sicht der Befragten sind:

      – Wünsche, Nutzungsverhalten und Erwartungen der Kunden kennen
      – Nutzung von Social Media und Networks
      – Konzentration auf Inhalte, Marketing und Presse
      – IT-First: externes Know-How beschaffen
      – Easy Usage und Easy Payment ermöglichen
      – Learning by doing
      – Kontinuierlich Experimente durchführen, da disruptive Märke nicht planbar sind

        Hinweis: Die Expertenumfrage von Verena Täger (taegerverena@aol.com) entstand im Rahmen der Diplomarbeit zum Thema „E-Books und digitale Geschäftsmodelle in der Verlagswelt“ an der FH Würzburg-Schweinfurt im Januar und Februar 2010. Der Text wurde auch im Newsletter von Heinold, Spiller & Partner veröffentlicht.

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