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E-Book-Verleih auf dem Prüfstand

Die Suche nach dem richtigen Modell für den E-Book-Verleih ist für Verlage eine Herausforderung: Einerseits verliert das E-Book nach mehrmaligem Verleih anders als gedruckte Bücher nicht an Wertigkeit; andererseits sind die Auswirkungen auf den Verkauf ungeklärt. Besonders deutlich wird dieses Problem in den USA, wo nun ein Streit um angemessene Konditionen für Bibliotheken entbrannt ist. Anlass ist eine Preiserhöhung der Verlagsgruppe Random House
In der vergangenen Woche hatte die Verlagsgruppe Random House angekündigt, ihre E-Book-Preise für Bibliotheken anzuheben und sich bei der Preisgestaltung künftig am Erscheinungstermin der gedruckten Äquivalente zu orientieren: 
  • Digitale Titel, die erst kürzlich als Hardcover erschienen sind, sollen zwischen 65 Dollar und 85 Dollar kosten,
  • für ältere Titel bzw. Taschenbuch-Äquivalente bezahlen Bibliothekare zwischen 25 Dollar und 50 Dollar
  • Neue Kinderbuch-Titel sollen zwischen 35 Dollar bis 85 Dollar,
  • ältere zwischen 25 Dollar und 45 Dollar kosten.
Dem Bibliotheks-Nachrichtenportal „The Digital Shift“ zufolge wurden die Preise in vielen Fällen verdoppelt oder verdreifacht, die Preise für gedruckte Bibliotheksausgaben seien demnach deutlich niedriger: Für das E-Book „Eisenhower in War and Peace“ von Jean Edward Smith zahle eine Bibliothek beispielsweise 120 Dollar, für die gedruckte Version 20 Dollar, im Handel koste der Titel 40 Dollar.  
Gleichzeitig fordert Random House die Bibliotheken auf, den Verlagen Nutzungsstatistiken zur Verfügung zu stellen, „damit wir im Laufe der Zeit gemeinsam ein praktikables Preisniveau entwickeln können, das dem gesamten E-Book-Ökosystem dienlich ist.“

Auch andere Verlage zögern beim E-Book-Verleih
Bei Random House können Bibliotheken – anders als bei konkurrierenden Verlagen (s.u.) – die komplette Front- und Backlist für den Verleih erwerben. Zudem können die E-Books beliebig oft verliehen werden.

Zum Vergleich: 

  • Konkurrent HarperCollins stellt all seine digitalen Titel für den Verleih zur Verfügung, wird ein E-Book aber öfter als 26-mal verliehen, muss die Bibliothek eine neue Lizenz erwerben.
  • Die Verlagsgruppe Macmillan stellt keine E-Books für den Verleih zur Verfügung – einzige Ausnahme ist der Macmillan-Verlag Palgrave, der etwa 10.000 Schulbücher anbietet.
  • Die Verlagsgruppe Penguin bietet seit kurzem keine E-Books für die bibliothekarische Ausleihe mehr an – eine Entscheidung, die bei den Bibliothekaren für Unmut gesorgt hat (buchreport.de berichtete). 
  • Auch Simon & Schuster kooperiert nicht mit Bibliotheken.
  • Hachette bietet ausschließlich Backlist-Titel (bis April 2010) für den Verleih an. 
Quelle:  „Digital Shift“

Auf einem Treffen mit der American Library Association erklärten auch die Bibliotheksdienstleister, dass die Suche nach dem richtigen Modell für den E-Book-Verleih für Verlage eine Herausforderung darstelle. „Sie haben das Gefühl, die Auswirkungen nicht einschätzen zu können, und wollen nicht den falschen Zug machen“, erklärte etwa der Marketingchef des Bibliotheksdienstleisters 3M, Tom Mercer, gegenüber „Digital Shift“


Bibliotheken reagieren bestürzt
In einer Stellungnahme zeigt sich die American Library Association „schwer enttäuscht“ von Random House und bittet darum, das Preismodell zu überdenken: „In einer Zeit extremer finanzieller Einschränkungen beschneidet eine solche Preiserhöhung den Zugang für viele Bibliotheken, insbesondere Gemeinden sind wirtschaftlich stark betroffen.“ 
Der Verband kündigte außerdem an, in Bezug auf die Nutzungsstatistiken enger mit den Verlagen zusammenzuarbeiten, damit die Verlage auf Grundlage dieser Daten künftig besser in der Lage sind, angemessene Preismodelle zu entwickeln. 

Auch in Deutschland stehen die Lizenzmodelle für Bibliotheken auf dem Prüfstand. Mehr dazu im aktuellen buchreport.experss 10/2012 (erscheint am 8. März).

Kommentare

1 Kommentar zu "E-Book-Verleih auf dem Prüfstand"

  1. Ein notwendiger und mutiger Schritt von Random House, Respekt!

    Wenn Verlage und Autoren angemessen bezahlt werden sollen, muss man sich einfach von dem Gedanken verabschieden, dass eine kostenlose Ausleihe von E-Books möglich ist.

    Warum soll der Nutzer für eine Ausleihe nicht beispielsweise ein Nutzungsentgelt von 25%-30% des normalen Kaufpreises für eine Nutzungsdauer von 14 Tagen ab Lesestart innerhalb von 30 Tagen bezahlen?

    Beim DVD-Onlineverleih ist das ein völlig gängiger Preis, 4-5 Euro für einen neuen Film bei iTunes für 48 Stunden, zu nutzen innerhalb von 30 Tagen. Niemand beschwert sich darüber, dass geliehene Filme Geld kosten. Warum sollen dann geliehene Bücher nochmal umsonst sein?

    Das Problem ist, dass Bibliotheken fast durchweg eine völlig veraltete IT haben und so was natürlich nicht abbilden können. Wer kennt nicht die Bettel-Mails: „Wir haben uns neue Rechner angeschafft und jetzt leider kein Geld mehr für Bücher, bitte spenden Sie!“

    Letztlich wird sich der Deutsche Bibliotheksverband da was einfallen lassen müssen, oder die Ekz. Das ist die einzige rationelle Möglichkeit, bin gespannt, ob die Kollegen das hinkriegen. *Weckruf*

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