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Dirk Schümer über »Die schwarze Rose«

Dirk Schümer wurde 1962 in Soest geboren und studierte Germanistik, Philosophie und mittelalterliche Geschichte in Hamburg und Paris. Er arbeitete ab Anfang der 1990er-Jahre als Redakteur und Kulturkorrespondent der „FAZ“ in Venedig und Wien und arbeitet seit 2014 in gleicher Funktion für die „Welt“-Gruppe. Zuletzt erschienen die Sachbücher „Zu Fuß. Eine kurze Geschichte des Wanderns“, „Schland. Wie der Fußball Deutschland neu erfunden hat“ (beide 2010) und „Touristen sind immer die anderen“ (2014). „Die schwarze Rose“ (Zsolnay) ist sein erster Roman. (Foto: Stephany Fotografie/Zsolnay)

In den aktuellen Frühjahrsprogrammen der Verlage finden sich zahlreiche Romandebüts deutschsprachiger Autorinnen und Autoren. buchreport stellt 12 dieser Newcomer in Steckbriefen vor. Heute: Dirk Schümer.

Mein Roman in drei Sätzen

1) „Die schwarze Rose“ ist für ihre ruppige Zeit recht unblutig (nur neun mit unterschiedlichsten Waffen gemeuchelte Opfer und zwei Schwerverletzte).

2) Der Roman ist kurzweilig und lustig (es geht auf gerade einmal 600 Seiten um die Komik von Papsttum, Theologie und Inquisition).

3) Der Roman ist aktuell (Nerds aus elf Nationen diskutieren über Feminismus, Migranten, Medien, Popmusik, Banken – und das bereits vor 694 Jahren).

Mein Weg zu Zsolnay

Ein kurzer Weg über die Hintertreppe. Als ich in Wien lebte, wohnte ich direkt neben dem Zsolnay-Verlag; und bei netten Nachbarn kommt man sich automatisch näher. Offenbar habe ich mich als Deutscher in Österreich nicht allzu sehr danebenbenommen, sodass ich eine Chance erhielt.

Das Verdienst meines Lektors

Herbert Ohrlinger, dieser großartige Büchermensch aus den Gefilden von Thomas Bernhard, verfügt über alles, was mir leider fehlt: Gelassenheit, Langmut, Menschenkenntnis, Erfahrung mit Romanen wie mit deren Schreibern – und er ist Österreicher.

Debütromane: Von Identitätssuche bis historischer Krimi

Mein Eindruck von Literaturbetrieb und Buchbranche

Wenn es nach dem Erscheinen des Romans so harmonisch, neugierig und zivilisiert im Umgang weiterginge wie vorher (ich fürchte allerdings, das könnte sich ändern), dann wäre es ein wahrhaft paradiesisches Gewerbe. Als kleiner Autor sollte man sich, finde ich, keinesfalls zu wichtig nehmen; es gibt entscheidendere Akteure.

Meine Lieblingsbuchhandlung

Straß in Baden-Baden; ein schönes, nicht zu großes Haus aus dem 19. Jahrhundert. Alle Zweifel an der Zukunft des Buches sind ab der Türklingel wie weggeblasen. Denn hier denken alle (vor allem der Chef persönlich) nur an das eine, arbeiten alle nur für das eine: Gedrucktes.

Meine Lieblingsautoren

Marguerite Porete (Meisterin der Machtkritik), Meister Eckhart (Meister der Mystik), William von Ockham (Meister des Rasiermessers), Francesco Petrarca (Meister der Liebe), Raymond Chandler (Meister des Noir), Niklas Luhmann (Meister der Macht), Um­berto Eco (Meister der Rose).

So lese ich

Daheim stets nachts im Bett (auf dem Kindle), oft auch tagsüber im Bett (analog), unterwegs auf der Autobahn oder im Zug (mit den Ohren), zur Not auch an der Kasse im Supermarkt, im Café oder beim Arzt im Wartezimmer. Aber sonst eigentlich nie, denn beim Essen zu lesen hat mir meine Frau abgewöhnt.

Schreiben ist für mich

Seit über 40 Jahren ein mehr oder weniger himmlischer Broterwerb, aber mit dem ersten Roman nun auch ein teuflisches Vergnügen. Und natürlich ist das Ziel für mich der Traum aller jungen Autoren: Ruhm und Reichtum. Ich fürchte nur, dafür habe ich mindestens dreißig Jahre zu spät losgelegt. Anderseits – auch Theodor Fontane veröffentlichte seinen ersten Roman mit Neunundfünfzig …

Wenn ich nicht gerade schreibe

Mache ich alles, was mich fürs Schreiben in Form und Stimmung bringt: wandern und Rad fahren (für die Fitness), Vokabeln lernen (für die Recherchen), Fußball gucken (für Tabula rasa im Kopf), Hollywood-Schwarzweißfilme (bringen Farbe ins Leben). Und Wein sorgt für die Inspiration.

Warum haben Sie dieses Debüt ins Programm genommen?

Am Tisch mit Dirk Schümer und seiner Frau zu sitzen, bedeutet nicht nur einen kulinarisch anregenden Abend, sondern einen voller Geschichten, quer durch Zeiten, Länder und Kulturen. Nebensächliches wird dann schnell zur Hauptsache und umgekehrt, Grenzen, Tabus gar, gibt es keine. Und schon befinden wir uns bei Bitcoins, bei Wirecard, bei Wokeness usw. 700 Jahre früher, in der päpstlichen Residenz von Avignon, hießen diese Sachen zwar anders, sie waren aber nicht anders. Macht, Gier, Korruption bestimmen das Leben von Groß und Klein – ein Roman, der eine ganze Epoche erschließt, ein Autor, ein gestandener Feuilletonist, der sich darüber hinaus explizit auf eines der berühmtesten Bücher überhaupt bezieht, Umberto Ecos „Der Name der Rose“. Das war so außergewöhnlich und ist zugleich ein solches Risiko, dass ich nicht anders konnte, als mich darauf voll und ganz einzulassen.

Herbert Ohrlinger, Verlagsleiter

Debütanten und Debütantinnen – im buchreport.magazin 1/2022

 

Kommentare

3 Kommentare zu "Dirk Schümer über »Die schwarze Rose«"

  1. Leopold Fiessmann | 22. August 2022 um 11:50 | Antworten

    Das Fehlen von Anführungszeichen macht mir das Lesen extrem schwer und demotviert mich des öfteren weiter zu lesen.
    Ich glaube, dass dieses „Stilmittel“ selbst gutwillige Leser eher abschreckt.

  2. So neugierig auf ein Buch hat mich noch selten eine Buchvorstellung gemacht! Tolle Ideen, gepaart mit vielversprechenden Geschichten und Figuren! Der Weg in die Buchhandlung ist heute ein Muss.

  3. HEINZ-JÜRGEN SEUFERT | 28. März 2022 um 15:11 | Antworten

    Kommentar zu Dirk Schümers „Die schwarze Rose“.
    Sehr geehrter Herr Schümer, warum nur um Himmelswillen fehlen in Ihrem Roman vor und nach der wörtlichen Rede die Anführungszeichen? Das macht das Lesen nicht gerade einfacher. Ungeachtet dessen, Kompliment für ein interessantes Buch.

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