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Die Dienstleistungsorientierung der Verlage hat deutlich zugenommen

Die Verlagsarbeit ist inmitten der Digitalisierung komplexer geworden. Strategieentwicklung ist Teamarbeit und Trial and Error, das zeigt das Beispiel der Verlagsgruppe Random House. In einem großen Interview (buchreport.magazin 6/2013, hier zu bestellen) suchen CEO Frank Sambeth (Foto), E-Book-Chefin Anne Stirnweis, Unternehmensentwickler Matthias Aichele und Werbeleiter Detlef Horn Antworten u.a. zu folgenden Fragen:

  • Verändert die Digitalisierung die Strukturen, die traditionelle Dezentralität?
  • Wie stellt sich das Marketing auf einen atomisierten Markt ein?
  • Welche Big Data sind interessant?
  • Wie positioniert sich die Verlagsgruppe im verschärften Wettbewerb?
  • Mit welchen neuen digitalen Inhalten experimentieren die Verlage?
  • Macht das E-Book die Preise kaputt?
Im folgenden Auszug aus dem achtseitigen Interview äußern sich Sambeth & Co. zum neuen Wettbewerb auf dem E-Book-Markt, in dem neben Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen verstärkt auch Selfpublisher Fuß fassen.
Auf dem E-Book-Markt herrscht aktuell ein großer Andrang. In den USA und hierzulande stoßen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage mit kürzeren E-Books auf den Markt. Wie schätzen Sie den neuen Wettbewerb ein?
Frank Sambeth: Die bisher relativ getrennten Märkte fangen an, sich zu überlappen. Wir kommen von der long form und die anderen eher vom Leitartikel. Beides hat seine Berechtigung. Im Endeffekt kommt es bei der Frage, wer am Markt erfolgreich ist, auf die Autoren und Inhalte sowie ihre bestmögliche Vermarktung und Verbreitung an.
Wer hat dabei die Nase vorn?
Sambeth: Die Erstellung und Vermarktung von Buchinhalten ist schon immer unser Kerngeschäft, in dem wir gut sind.
Geht es überhaupt noch ums Buch?
Anne Stirnweis: Sie haben recht, es geht in diesem Marktsegment auch um kurze Inhalte, aber dabei ist die Frage entscheidend, wo diese gekauft werden. Wir sind mit Kurzformaten am Point of Sale von E-Books unterwegs, und den können wir gut bespielen.
Detlef Horn: Bei der Mediennutzung kristallisiert sich tatsächlich eine neue Konkurrenz heraus. Wir buhlen um die gleiche Zielgruppe, die aber unterschiedliche Bedürfnisse hat. Aber wir stellen uns dem Wettbewerb selbstbewusst, denn wir sind stark darin, Geschichten zu erzählen. 
Nicht nur Zeitungs- und Zeitschriftenverlage drängen auf den Markt. Amazon wird auf absehbare Zeit hierzulande eigene Verlage gründen. Die Selfpublisher feiern Erfolge. Und Agenten schieben eigene E-Book-Verlage an den Start. Sorgt Sie dieses Szenario?
Sambeth: Man muss fragen, was ist die Wertschöpfung dieser Marktteilnehmer? Und man muss unterscheiden zwischen digital verfügbar machen auf der einen Seite sowie kuratieren und vermarkten auf der anderen Seite. Wenn ein Selfpublishing-Autor Texte bei einer Plattform hochlädt, sind sie noch nicht vermarktet. Verlage wie wir können die bestmöglichen Inhalte und Autoren finden und diese dann plattformübergreifend vermarkten. Das ist eine Leistung, die man in der Vergangenheit nicht ganz so explizit herausstellen musste. Inzwischen hat die Dienstleistungsorientierung der Buchverlage deutlich zugenommen. Ich bin optimistisch, dass Verlagsmarken als Qualitätsleuchttürme in dieser Flut von Selfpublishing bestehen können, denn Leser wollen Orientierung. 
Matthias Aichele: Inzwischen wird sogar das Wort Spam benutzt, wenn es um Buchinhalte geht: Es gibt Autoren und Verlage, die mehrere Versionen eines Buchs bei Shops einstellen, um z.B. unterschiedliche Cover bei der Zielgruppe zu testen. Das ist aus unserer Sicht keine optimale Vermarktung.
Dienstleistungen können sich Selfpublisher einkaufen. Amazon übernimmt ganze Verlagsprogramme und baut eigene Teams auf. Wie heben Sie sich konkret ab?
Sambeth: Unser Dienstleistungsspektrum, von der Referentenagentur bis zur persönlichen Betreuung und zum Autorenportal, das dem Autor auf einen Blick die wichtigsten Infos zu seinen Büchern anzeigt – solch ein Portfolio hat heute kein Onliner, kein Agent und kein Selfpublishing-Dienstleister. Wenn ein großer Mitspieler auch als Verlag aktiv wird, Verleger und Lektoren einstellt und den gesamten Kuratierungs- und Vermarktungsprozess abdeckt, dann entsteht ohne Frage ein neuer Wettbewerber. Aber in diesem Wettbewerb stehen wir seit Jahrzehnten und behaupten uns.
Horn: Wenn ein Händler Verlagsstrukturen aufbaut, wird dies Auswirkungen auf seine Kostenstruktur haben. Ein Beispiel: Wenn Sie, wie klassische Verlage, durch gezielte PR- und Marketing­arbeit die wichtigen Multiplikatoren ansteuern wollen, reichen Maschinen und Algorithmen nicht aus; das Verlagsgeschäft hat mit Menschen und Inhalten zu tun. Beides will individuell und angemessen betreut und vermarktet werden. Das ist nicht zu unterschätzen. 
Online-Anbieter haben den Nachteil, dass die Discoverability, die Auffindbarkeit, nur ansatzweise funktioniert; bei der Entdeckung von neuen Büchern spielt der stationäre Handel weiterhin die wichtigste Rolle. Wie schätzen Sie vor diesem Hintergrund die Krise im Handel ein?
Horn: Der stationäre Buchhandel schrumpft, aber wir gehen nicht davon aus, dass der eigentliche Kauf ähnlich stark von der Verlagerung ins Internet betroffen sein wird wie andere Einzelhandelsbranchen. Das liegt unter anderem an der Preisbindung.

Aber die Filialisten bauen doch massiv ab. Die neue Zielgröße bei Thalia sind 500 qm, nicht mehr 2000 qmund mehr…
Sambeth: Sicher, dem liegt zum Teil aber auch eine starke Expansion der Flächen in den letzten Jahren zugrunde. Wir haben – im Vergleich mit anderen Ländern – eine vielfältige Handelslandschaft, die für den Buchmarkt auch essenziell ist. Es gibt außerdem viele Tendenzen wie Buy local, die auf die Stärken des Sortiments hinweisen und die wir unterstützen. 
Horn: Perspektivisch wird eine Herausforderung darin bestehen, die Discoverability im Online-Bereich zu verbessern. Es gibt zwar Multiplikatoren wie Blogger in rauen Mengen, wir sind aber nicht ganz so gut versorgt mit Communitys wie Goodreads, die in den USA einen großen Einfluss haben. Wir treffen auf einen stark atomisierten Markt aus wahnsinnig vielen Menschen, die an Büchern interessiert sind. Und all die gilt es irgendwo anzusprechen. Standardtools wie optimierte Keywords oder Search-Engine-Optimization sind da nur ein erster Schritt. 
Aichele: Wir agieren stärker zielgruppenspezifisch als früher und fragen uns kritisch, wie wir die zum Teil neuen Zielgruppen besser verstehen und mit welchen Medien, Maßnahmen und Kampagnen wir diese erreichen können, um die Discoverability auf einem anderen Weg zu gewährleisten.

Weil Sony auszieht, werden die verschiedenen Münchner Standorte von Random House zentralisiert. Die Verlage an der Bayerstraße (Heyne und Südwest), Flüggenstraße (Kösel) und Lindwurmstraße (Hörverlag) ziehen im 1. Halbjahr 2014 zur Neumarkter Straße 28 (Foto).

Fotos (2): Fotos: Marcus Schlaf

Kommentare

1 Kommentar zu "Die Dienstleistungsorientierung der Verlage hat deutlich zugenommen"

  1. Frank Auerbach | 15. Juni 2013 um 13:56 | Antworten

    Oje, so viel heiße Luft, Newspeak, pseudo-englisches Geschwurbel! Verleger?? Was ist das? Und auf welchen Schultern man da in der Neumarkter Straße steht? Wohl keine Ahnung. Jedenfalls nicht Bertelsmann. Hauptsache, die Discoverability der Wichtigtuer stimmt …

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