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Der stationäre Buchhandel unterschätzt seine mächtige Rolle für das Hörbuch

Das jugendlich-dynamische Image des Hörbuch-Marktes nach dem unbeschwerten Wachstum der 90er- und frühen Nuller-Jahre hat sich gewandelt: Er wird zunehmend als reifer Markt wahrgenommen. Im stationären Buchhandel, dem wichtigsten Vertriebsweg, waren zuletzt sogar Umsatzrückgänge zu beklagen. In einer buchreport-Umfrage unter Verlagen Anfang der Woche legen aber viele Branchenvertreter Wert darauf, dass nach Marktforschungsdaten von Media Control noch nie so viele Hörbücher (14 Mio Exemplare) verkauft wurden wie 2010 und von Kundenmüdigkeit keine Rede sein könne. buchreport.de hat die Antworten zusammengefasst.

Was hat das Hörbuch zuletzt gebremst und wie kommt es jetzt wieder in Schwung?

  • Niedrigpreisangebote: „Von einem ‚Ausbremsen’ haben wir nichts gespürt“, erklären Ines Wallraff, stellvertretende Verlagschefin, und Produktmanagerin Susanne Bestler von Random House Audio. Im Gegenteil: Die Absatzmenge sei gestiegen. Rückläufe ließen sich lediglich im Umsatz feststellen, da die empfohlenen Verkaufspreise weiter gesunken seien. „Die Verlage neigen dazu, alles auf die Preisgestaltung zu setzen und sich in Niedrigpreisangeboten gegenseitig zu unterbieten“, ergänzt Johannes Stricker, Geschäftsführer bei Hörbuch Hamburg. In der Folge orientiere sich auch der Kunde nur noch am Preis.
  • Stellenwert im Sortiment: Die Vertriebswege hätten sich zugunsten der Internetportale verschoben, erklärt Stricker. Dabei hätte das Hörbuch im Sortiment aufgrund der erforderlichen Beratungsintensität erhebliches Potential: „Ein Hörbuch ist nicht so leicht erklärt wie ein Buch, neben Autor und Titel muss auch die Umsetzung erklärt werden. Und genau darin liegt auch ein wesentlicher Grund, warum der Markt im stationären Buchhandel kein Wachstum mehr aufweist: Einsparungen beim Personal  führen zu weniger Beratungskompetenz im Handel und Orientierungslosigkeit beim Kunden.“
  • Bestsellermangel: „Das Fehlen absoluter Topseller macht sicherlich einen gewissen Teil aus“, erläutert Andreas Maaß, Label Head von Universal Music Family Entertainment. Eine seltene Ausnahmesituation sei zudem, dass der Bestseller des Jahres („Deutschland schafft sich ab“ von Thilo Sarrazin) nicht als Hörbuch erschienen sei, ergänzt Audiobuch-Programmleiterin Corinna Zimber.
  • Marktentwicklung: Der statistische Abschwung im Hörbuchmarkt sei keine krisenhafte „Bremse“, sondern eine „normale Entwicklung nach anfänglichem Boom“, erklärt Andreas Lehmann, Programm-Manager von auditorium maximum. Der hohe Gesamtumsatz, den das Hörbuch inzwischen erreicht hat, führt nach Aussage von Hörverlag-Sprecherin Heike Völker-Sieber dazu, dass Umsatzsprünge schwerer zu erreichen sind.
  • Wirtschaftslage: Auch die Konsumzurückhaltung der Kunden durch die allgemeine Wirtschaftslage ist laut Völker-Sieber ein Grund dafür, dass die Umsatzentwicklung gebremst wurde.
  • Zurückhaltung im Sortiment: Insbesondere im Buchhandel sei die Entwicklung des Hörbuchs im letzten Jahr etwas gebremst worden, erläutert Argon-Marketingleiter Kilian Kissling. Das Hörbuch sei hier eng an das Buch gekoppelt. „Das Hörbuch könnte im Sortiment an Schwung gewinnen, wenn auch spezifische Hörbucherfolge stärker gesehen und mitgemacht werden.“
  • Qualität: Größter Garant für neues Wachstum ist nach Aussage von Völker-Sieber eine gute Qualität. Vielversprechend seien besondere Produktionen, die entsprechend in der Presse aufgegriffen würden und durch Marketingmaßnahmen begleitet werden könnten. „Mehr Schwung erhalten Hörbücher durch interessante Themen, gute künstlerische Qualität und kundige Beratung in den Medien und vor allem im Handel“, stimmt ihr Jumbo-Geschäftsführerin Gabriele Swiderski zu.

Bei welchen Zielgruppen und auf welchen Vertriebswegen gibt es die größten Reserven?

  • Stationäres Sortiment: Laut Kissling vom Argon Verlag unterschätzt der Buchhandel seine mächtige Rolle für das Hörbuch: „Ein großes Publikum ist interessiert an einer guten Auswahl und kenntnisreicher Beratung. Ich kenne kein Beispiel für eine Verkaufsstelle, die eine hochwertige Auswahl gut sortiert präsentiert und damit keinen Erfolg hat.“
  • Hörbuch-Hamburg-Geschäftsführer Stricker empfiehlt den Buchhändlern, rechtzeitig auf Multichanneling zu setzen und sowohl physische CDs als auch digitale Downloads anzubieten: „Gepaart mit klassischer Beratungskompetenz wird das Hörbuch gerade im Buchhandel wieder an Bedeutung gewinnen können.“
  • Große Reserven sehen die Hörbuch-Experten bei jüngeren Zielgruppen zwischen 18 und 30 Jahren. Auch die vielen Ersthörer jeden Alters, die bisher noch nicht mit Hörbüchern in Kontakt gekommen sind, könnten über gezielte Presse- und Marketingmaßnahmen erreicht werden, ergänzt Völker-Sieber vom Hörverlag. „Erst ein winziger Prozentsatz der Deutschen hört (und kauft) Hörbücher“, ergänzt Zimber vom Audiobuch Verlag.
  • Vor allem die Generation 50plus sei für stationäre Händler vielversprechend, erklärt Völker-Sieber vom Hörverlag: „Sie sind empfänglich für eine kompetente Präsentation von Hörbüchern und gute Beratung. Hier hat das Sortiment die Chance, sich als Premium-Anbieter gegenüber dem Online-Vertrieb zu profilieren und mit guter Backlistpflege, Longsellern und hochpreisigen Editionen zu verdienen.“

Wie wichtig ist perspektivisch der mobile Commerce?

Die meisten Befragten glauben, dass der mobile Commerce an Bedeutung gewinnen wird. „Bei allem, dessen man irgendwie digital habhaft werden kann, gibt es früher oder später einen relevanten mobilen Vertriebskanal. Das Hörbuch ist digital und wird gerne mobil genutzt“, erläutert etwa Kilian Kissling vom Argon Verlag. Auch im Hinblick auf Marketing und Neukundengewinnung stecke hier großes Potential, finden Ines Wallraff und Susanne Bestler von Random House Audio.

Dieser Bereich werde in den nächsten Jahren große Zuwächse verzeichnen, ergänzt Corinna Zimber (Audiobuch Verlag): „Ob und wie die Hörbuch-Verlage damit auch Geld verdienen können, ist eine andere Frage.“ Für Hörbuchverlage mache es keinen Sinn, in den digitalen Bereich zu investieren, so lange es – wie im gesamten Medienbereich – kein rentables Geschäftsmodell gebe, ist Völker-Sieber vom Hörverlag skeptisch. Dennoch sei die digitale Omnipräsenz wichtig, um potenziellen Kunden entgegen zu kommen.

Auch wenn der mobile Commerce an Bedeutung gewinne, werde das Hörbuch als „Geschenkprodukt in seiner jetzigen Form (silbern und rund) noch lange an Beliebtheit nichts einbüßen“, erklärt Johannes Stricker von Hörbuch Hamburg.

Geschäftsführerin Gabriele Swiderski von Jumbo: „Für bestimmte Stoffe ist der mobile Commerce sicher wichtig, aber wenn es um kulturelle Lebensmittel geht, hat das seine Grenzen. Hörbuch-Delikatessen finden die Genießer beim Händler ihres Vertrauens.“

„Für einen frischen Wind wird hier natürlich die SPIEGEL-Bestsellerliste Hörbuch sorgen, nicht zuletzt als Ein- und Verkaufshilfe“, freuen sich Ines Wallraff und Susanne Bestler über das neue Angebot von buchreport. Sie könne Orientierung bieten und die Wertigkeit des Mediums im Bewusstsein des Verbrauchers wieder heben, ergänzt Johannes Stricker, Geschäftsführer von Hörbuch Hamburg.

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