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Der Lesekreis von heute als Buchclub von morgen

Lesekreise sind eine altbewährte Form der Buch-Kommunikation. Durch neue Online-Plattformen und Video-Tools gewinnt sie an Aktualität. Im Buchhandel setzen inzwischen auch große Marktteilnehmer auf ihren Effekt.

Basis für den persönlichen Austausch: Diskussionen über Lesestoff von Angesicht zu Angesicht, wie hier im Januar 2020 beim Kölner Leseclubfestival, wünschen sich viele Lesekreis-Mitglieder wieder zurück. Im September wagt das ‧Leseclubfestival einen neuen analogen Anlauf. (Fotos: Marco Piecuch)

Kerstin Hämke hat ihr Hobby zum Beruf gemacht. Alles fing an mit einem privaten Lesekreis, den sie vor rund 20 Jahren mit einer Kollegin gründete. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie schon viele Jahre in verschiedenen Führungspositionen in internationalen Konzernen gearbeitet, in der Waschmittelbranche und Telekommunikation. „Als Marketing-Expertin wollte ich Erfahrung im Online-Marketing sammeln und habe die Plattform mein-literaturkreis.de gestartet – zunächst als Hobby-Projekt“, erzählt sie. Das Interesse bei Lesekreismitgliedern sei bald sehr groß gewesen, ebenso bei Verlagen: „Mein zeitlicher Input nahm zu.“

Inzwischen bietet die Website Werbemöglichkeiten, Hämke veranstaltet Webinare und hat den Lesekreis-Ratgeber „Ein gutes Buch kommt selten allein“ bei Kiepenheuer & Witsch veröffentlicht. Sie hat eine feste Rubrik im „Büchermagazin“ und betreibt mit dem fast 2000 Mitglieder zählenden „Der Leseclub“ auf Facebook eine der größten Lesekreis-Gruppen der Social-Media-Plattform. Jeden Monat wird dort seit 3 Jahren ein Buch vorgestellt, über das in Umfragen abgestimmt wurde. Hämke entwickelt passende Fragen und in den Kommentaren wird darüber diskutiert. Kurzum: Kerstin Hämke ist die Expertin, wenn es ums Lesen in Gemeinschaft geht.

 

Wandel eines Formats

Lesekreis, das klingt immer noch ein bisschen nach einem Salontreffen älterer Bildungsbürger oder nach Bilderbuchstunde am unteren Ende der Altersskala. Tatsächlich bezeichnen Lesekreise ein immer breiteres und vielfältigeres Spektrum des gemeinsamen Lesens und Sprechens über Bücher. Buchhandlungen können damit vor allem viellesenden Stammkunden eine zusätzliche Buch-Erfahrung bieten und sie noch enger an sich binden. Auch die Filialisten entdecken das Potenzial und denken das Thema zum Teil größer und strategisch als Kunden-Community.

Mit den jüngsten Erfahrungen der Coronakrise haben sich weitere Möglichkeiten und Formate eröffnet. Weil viele Literaturkreise zuletzt nicht mehr in physischer Form stattfinden konnten, wurden neue, digitale Varianten entwickelt.

Digitale Ersatzformate

Viele ursprünglich physische, öffentliche Lesekreise von Volkshochschulen oder Vereinen haben während der Pandemie pausiert, berichtet Kerstin Hämke.

Private Lesekreise aus dem analogen Bereich, die die Mehrheit aller Clubs stellen, haben Hämke zufolge ihre Aktivitäten spontan ins Digitale verlegt und sich über Video-Tools wie Zoom getroffen. Das bestätigen auch die Ergebnisse von Joanna-Lisa David, die in ihrer Mainzer Buchwissenschaft-Masterarbeit „Lesekreise im Umbruch – Wie das Corona-Virus Literatur­kreise herausfordert“ 59 Lesekreisteilnehmer aus über 30 Lesekreisen zur aktuellen Lage befragt hat.

Zudem stellt Hämke eine deutliche Zunahme rein digitaler Kreise ganz ohne analoges Vorbild fest. Hinzugekommen sind auch einige Communitys, auf denen sich die Lesenden nur schriftlich austauschen. Eine Plattform dafür bieten hierzulande vor allem Instagram und Facebook, während man in den USA auch auf MeetUp und Discord setzt.

Expertin für Literaturdiskussionen: Kerstin Hämke betreibt die Website mein-literaturkreis.de, auf der sie Lesekreise mit allen notwendigen Informationen versorgt. Sie hat außerdem den Ratgeber „Ein gutes Buch kommt selten allein – Das große Lesekreis-Handbuch“ für Kiepenheuer & Witsch geschrieben und leitet unter facebook.com/groups/derleseclub eine 2000 Mitglieder zählende Community. (Foto: 123rf.com/dolgachov)

Die Grenzen lösen sich auf

Die verschiedenen Formate zeigen, dass die Grenze zwischen Lesekreis und Online-Community zusehends verschwimmen. „Aber das macht nichts. Es mangelt an Freizeitmöglichkeiten, es wird mehr gelesen und man will sich austauschen“, sieht Kerstin Hämke die Entwicklung pragmatisch. Die Digitalformate bieten aus ihrer Sicht einige Vorteile:

  • Oft wird eine jüngere Zielgruppe erreicht.
  • Das Online-Format ermöglicht mehr zeitliche Flexibilität, spart die Anreise und ist nicht mehr ortsgebunden.
  • Es können größere und heterogenere Gruppen mit mehr Teilnehmern entstehen und damit auch vermehrt unterschied­licher Input eingebracht werden
  • Die Diskussionen sind fokussierter und können zugleich schneller und einfacher durch Links mit Zusatzmaterial angereichert werden.

Positive Erfahrungen mit der Digitalisierung ihrer Lesekreise haben beispielsweise die Buchhandlungen Nimmerland in Mainz und Christiansen in Hamburg gemacht (s. die Statements in den Praxiskästen).

Das Hauptmanko bleibt dennoch die feh­lende persönliche Begegnung. Veranstaltern digitaler Lesekreise, die sich bereits gut kennen, empfiehlt Hämke deshalb, den Nachteil teilweise auszugleichen und bei Video-Konferenzen auch Zeit für den informellen Austausch einzuplanen, beispielsweise mit einer halben Stunde Smalltalk am Anfang.

 

Tipps für die Unabhängigen

Die Vorteile „echter“ Lesekreis-Treffen bleiben unterdessen bestehen. Zu diesen wollen viele Mitglieder auch sobald wie möglich zurückkehren: die persönliche Beziehung, der dadurch manchmal offenere Austausch, Gesten, Mimik, das gesellige Beieinandersein.

Dabei sollte generell der Standortvorteil der eigenen Buchhandlung als Treffpunkt ausgeschöpft werden, meint die Expertin: „Ein rein digitaler Lesekreis hilft einer Buchhandlung nicht unbedingt. Wenn ich in Mainz sitze und jemand aus Hamburg teilnimmt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er auch bei mir kauft, nicht so hoch.“

Der Trend gehe aber zur „Zweitgruppe“, wie Kerstin Hämke in ihrer eigenen Umfrage unter Lesekreisteilnehmern festgestellt hat. Daher ist ein weiterer ihrer Tipps, eine Gruppe mit einem spezifischeren Schwerpunkt anzubieten, zum Beispiel einen Krimi-, einen Sachbuch- oder auch einen Taschenbuch-Lesekreis. Auch Fremdsprachen-Titel oder Kreise für verschiedene Altersstufen sind Varianten: „Es geht also nicht darum, ein möglichst breites Publikum, sondern gezielt ein bestimmtes Interesse anzusprechen, um eine motivierte Gruppe zusammenzubekommen.“

Buchhandlung Christiansen (Hamburg)

Verena Carl (Foto: Sadora Test)

„Ich habe den Lesekreis vor 2 Jahren übernommen, obwohl ich gar nicht für Christiansen arbeite – nur aus Verbundenheit mit meiner Lieblingsbuchhandlung und aus Liebe zur Literatur, ich bin ja selbst auch Autorin. Natürlich war Zoom eine große Umstellung und ich war erst skeptisch, wie meine Gruppe mitzieht, es sind ja, wie in einigen Lesekreisen, auch einige ältere Menschen dabei, von denen ich nicht wusste, wie selbstverständlich sie digitale Medien nutzen. Weit gefehlt: Keine und keiner hat sich dem verschlossen, alle, die vorher dabei waren, sind auch digital noch dabei, wir haben sogar eine ganze Reihe neue Mitglieder gewonnen, die es aus verschiedenen Gründen vorher schwierig fanden, regelmäßig in Präsenz dabei zu sein – etwa Mütter junger Kinder, für die das sonst oft schwer planbar ist.Mein Eindruck ist auch, dass die Sensibilität füreinander in dieser Form gewachsen ist – die Teilnehmerinnen und Teilnehmer fallen sich (noch) weniger ins Wort oder haben den Eindruck, zu kurz zu kommen, und ich habe den Eindruck, ich habe das auch im Wortsinn besser im Blick, wenn ich alle auf dem Bildschirm sehe. Dafür fehlt manchmal ein wenig Spontaneität und klar, wir freuen uns alle, wenn es wieder in gewohnter Form möglich ist.

Einziger Wermutstropfen ist, dass es doch für mich deutlich mehr an Mailkommunikation, an Schreibarbeit ist; die Abstimmungen über den jeweils nächsten Titel erfolgen jetzt auch per Mail, es ist ein Hin- und Hergeschreibe, während wir bei den Präsenzveranstaltungen einfach die vorgeschlagenen Titel fürs nächste Mal herumgehen lassen und vor Ort abstimmen mit allen, die da sind. Und: Aufseiten der Teilnehmer ist die Hardware und die Netzverbindung manchmal ein Problem, das kennt man ja – ruckelnde Bilder, schlechte Sprachqualität … aber alles in allem wirklich eine positive Erfahrung.“

Verena Carl

Buchhändler sollten die Möglichkeiten des eigenen Ladengeschäfts bei jedem Termin einsetzen und das Angebot auch auf weitere Kunden abstrahlen lassen: „Man spricht mit einem Lesekreis nicht nur die 15 Teilnehmer an. Deshalb sollte man das besprochene Buch unbedingt auch in der Buchhandlung bewerben, mit Aufstellern und Plakaten. Die Erfahrung aus Buchhandlungen: Ein Drittel der Käufer sind Lesekreis-Teilnehmer, weitere zwei Drittel kaufen, weil es das ‚Gütesiegel‘ hat, in einem Lesekreis besprochen zu werden“, empfiehlt sie und erklärt: „Nicht jedes Buch eignet sich für eine Diskussion im Lesekreis, aber jedes Lesekreis-Buch eignet sich für die private Lektüre, weil es einen interessanten Stil oder spezielle Charaktere hat.“

Wer keine personellen Kapazitäten für einen eigenen Lesekreis in der Buchhandlung habe, der könne auch einfach seinen Ort für existierende Lesekreise zur Verfügung stellen, etwa wie die Buchhandlung Hartlieb in Wien, einen Abend für Lesekreise veranstalten oder ein Regal-Fach einrichten. Weitere Praxis-Tipps gibt Kerstin Hämke in einem pubiz-Webinar am 5. August (Details siehe im Kasten auf der rechten Seite).

Das Potenzial von Lesekreisen und der organisierten Kommunikation unter den Kunden haben zuletzt auch die großen Marktteilnehmer erkannt.

1. Hugendubels Community

Strategisch und ganz groß hat der bundesweit aktive Filialist Hugendubel das Thema durchdacht und Anfang des Jahres das von der Holtzbrinck-Gruppe aufgebaute soziale Lesenetzwerk Lovelybooks übernommen. Das Ziel der Buchkette ist eine engere Bindung an Vielleser. Während der Pandemie konnte die mit monatlich 1,9 Mio Usern nach eigenen Angaben größte Buchcommunity Deutschlands weiter zulegen. „Lovelybooks verzeichnet allein im Januar 2021 im Vergleich zum Vorjahr ein Traffic-Wachstum von über 30%“, hat das Unternehmen gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland erklärt.

Beliebt bei jungen Genre-Leserinnen: Im digitalen Leseclub von Weltbild stellt monatlich eine andere Influencerin ein Buch vor. Im April war Nina von @averylittlebook mit der „San Francisco Hearts“-Reihe von Autorin Piper Rayne an der Reihe. (Fotos: @averylittlebook)

2. Weltbilds Imagepflege

Seit Februar dieses Jahres lädt Weltbild, nach vielen Filialschließungen vor allem auf katalog- und onlineinitiiertes Versandgeschäft ausgerichtet, einmal monatlich zu Leserunden auf Instagram ein. Dabei stellt jeweils eine Influencerin ein Buch vor, von dem vorab 10 Exemplare unter den Followern verlost werden. Weitere Bücher müssen käuflich erworben werden. Es gibt keine Teilnehmerbegrenzung, in der Regel nähmen aber um die 20 Leserinnen teil. Der Titel wird dann von den Teilnehmerinnen zu einem festen Termin diskutiert. Eine vorherige Registrierung ist nicht nötig.

Das Feedback sei durchweg positiv, die Nachfrage nach Wiederholung groß. „Entsprechend planen wir, den Leseclub fortzuführen und haben auch schon verschiedene spannende Ideen für eine Weiterentwicklung.“, berichtet Christian Sailer, CEO der Weltbild D2C Group. Die kürzlich eingefügte Namensergänzung steht für Direct-to-Consumer.

Während das Unternehmen zu Beginn auf Buchblogger mit junger Followerschaft gesetzt hat, ging es im Juni mit @venividiwander um Wandern und Reisen. Der Leseclub-Ansatz biete die Möglichkeit, neue Zielgruppen zu erschließen und einen echten Mehrwert zu schaffen. Die Auswahl der Bücher liege in den Händen der Influencer, um Authentizität zu gewährleisten. Für Sailer geht es vor allem um Imagepolitur des immer noch etwas traditionell bieder auftretenden Versenders: „Vorrangig hat der Leseclub einen schönen Brandingeffekt und zahlt auf Weltbild als sympathische Marke ein. Die Freude am Austausch sowie die Förderung der Lesebereitschaft wird authentisch mit Weltbild in Verbindung gebracht. Zudem können wir über diesen Weg unsere neuesten Top-Titel einer lesebegeisterten Community präsentieren.“

 

3. Orell Füsslis Kundenbindung

Mit dem „Book Circle“ hat die Schweizer Buchhandelskette Orell Füssli eine eigene Community initiiert, deren Mitglieder Buchbewertungen verfassen und kommentieren, Diskussionen eröffnen oder an diesen teilnehmen können.

Community-Managerin Fanny Lewis setzt Impulse, indem sie wöchentliche Leserunden ausschreibt, bei denen Bücher schriftlich in einem Diskussions-Post in offenen oder geschlossenen Runden behandelt werden. Die geschlossenen Leserunden finden mit maximal 20 Personen statt, die zufällig aus allen Bewerbern ausgelost werden und das besprochene Buch kostenlos zugeschickt bekommen. Bei den offenen Runden entscheidet teilweise ein Voting, welches Buch als Nächstes gelesen wird. Weitere audio-visuelle Formate sind für die Zukunft geplant. Außerdem sollen Lesungen und Veranstaltungen in den Buchhandlungen folgen. „So sollen die Mitglieder die Möglichkeit bekommen, sich auch physisch zu treffen und auszutauschen“, erklären die Schweizer, an deren Geschäft die deutschen Ketten Thalia und Hugendubel beteiligt sind.

Wie unterscheidet sich die Online-Community von einem organisierten Lesekreis vor Ort? Orell Füssli erklärt das so: „Der Book Circle ist offen für alle. Jede und jeder kann eine Diskussion starten oder seine Ideen einbringen. So entstehen auch Räume für Bücherfans, die für Genres und Bücher schwärmen, die an anderen Ort nicht oder nur selten besprochen werden.“

Die Community sei äußerst aktiv, die positiven Reaktionen nach den ersten Wochen hätten die Erwartungen übertroffen. „Der Book Circle hat für Orell Füssli große Relevanz und zeigt unsere Innovationskraft. In diesem Sinn wird die Community die Marke Orell Füssli stärken – stationär und online.“

 

Buchhandlung Nimmerland (Mainz)

Karin Wolfgang (auf dem Foto rechts) mit Mitorganisatorin Anja Brauers (Foto: privat)

„Wir treffen uns mittlerweile seit über 10 Jahren einmal monatlich, normalerweise im Ladengeschäft und zurzeit eben digital. Wir sind sehr glücklich darüber, dass uns viele Teilnehmer die Treue gehalten haben. Einige waren aus gesundheitlichen Gründen sehr an Haus oder Wohnung gebunden und waren begeistert, auf diesem Weg doch ein wenig Sozialleben zu haben und alle waren froh, sich an diesem Abend über etwas anderes als die Pandemie zu unterhalten.Wir haben in dieser Zeit sogar neue Teilnehmer dazugewonnen. Unsere Monatslektüre ist bei uns, wie sonst auch, das ‚Buch des Monats‘ und immer für diesen Zeitraum auch präsent an der Kasse. Viele kaufen den Titel, auch wenn sie nicht an unserem Kreis teilnehmen.

Was ist anders als bei einem Präsenz-Literaturkreis? Es muss deutlich stärker moderiert werden. Wir nutzen Zoom als Tool, die Handhebe-Funktion ist sehr nützlich! Es ist hilfreich, ab einer gewissen Anzahl einen zweiten Moderator mit dabeizuhaben, der die Reihenfolge der Wortmeldungen notiert und gegebenenfalls den Chat noch mitbetreut.

Es gibt nichts Negatives zu digitalen Literaturkreisen zu sagen, es ist ein toller Ersatz in Pandemiezeiten und eine gute Möglichkeit, mit dem Kunden weiterhin in Kontakt zu bleiben und auch die Kundenbindung zu erhöhen. Viele sind froh über den Austausch und freuen sich auf das Wiedersehen. Aber es ist eben am Bildschirm und die Nähe, die kleinen vertraulichen Gespräche anbei, der gemeinsame Begrüßungs-Prosecco und auch das Zusammensitzen im Kreis fehlt uns allen schmerzlich.“

Karin Wolfgang

Ein ganzes Lesefestival für Diskussionen

Und es gibt weitere Ideen und Formate. Ein „Leseclubfestival“ will im September 50 Autorinnen und Autoren mit ihren Büchern in 11 Städte bringen. Der eigentlich vorgesehene Termin zum Welttag des Buches im April wurde pandemiebedingt verschoben. Die Idee: Teilnehmer suchen sich vorab einen Titel aus dem Festival­programm aus und kaufen ein Ticket für 25 Euro plus Gebühren. Dafür wird ihnen das Buch zugeschickt und kann bis zum Festivaltag gelesen werden, wo es dann mit 20 Gästen und dem jeweiligen Autor besprochen wird. Getränk und Snack sind inklusive.

Veranstaltet wird das durch „Neustart Kultur“ geförderte Festival vom „Inkubator für erzählende Medien“ Phileas Feste, der nach eigenen Angaben neue Storytelling-Formate kreiert und Autoren fördert. Die Idee zum Lesefestival stammt aus den Niederlanden und wurde bereits in mehreren deutschen Städten einzeln erprobt.

 

Anglophone Vorbilder

Die jetzt in Deutschland immer kräftiger und vielfältiger aufblühende Kultur des Redens über Bücher ist vor allem durch populäre Aktivitäten in den USA und Großbritannien inspiriert. Auf ca. 500.000 Gruppen mit 5 Mio Mitgliedern wird die anglo-amerikanische Lesekreis-Bewegung geschätzt. Neben lokalen Gruppen gibt es online auch große Communitys mit zum Teil prominenten Paten. Die US-Schauspielerin Reese Witherspoon etwa leitet mit rund 2 Mio Followern einen der weltweit größten Leseclubs auf Instagram. Im Januar hat in Großbritannien Kronprinzen-Gattin Camilla ihren „Reading Room“ auf Instagram gestartet. Und die deutsche Tennisspielerin und Autorin Andrea Petković hat 2020 den (englischsprachigen) Online-Buchclub „Racquet Book Club“ gestartet, in dem die Follower über Literatur diskutieren können.

Auch in Bibliotheken spielten Lesekreise in den USA eine viel größere Rolle, berichtet Kerstin Hämke. So stellt die Organi­sation Book Browse ihnen beispielsweise vorbereitetes Lesekreis-Material zur Ver­fügung, das dann unter dem Schlagwort „Book Club in a Bag“ weitergegeben wird. Lesekreise können sich dabei Taschen mit etwa 10 Buchexemplaren, einer Biografie und Diskussionsanregungen für 2 Monate ausleihen. Für bis zu 100 Titel sind solche Pakete verfügbar und können vorab reserviert werden.

Ein ganz neuer Trend, der gerade nach Deutschland herüberschwappt, sind zudem sogenannte „postal book clubs“. Wie bei einem Kettenbrief kaufen dabei alle Teilnehmer 1 Buch und 1 Notizbuch, in dem sie ihre Leseeindrücke hinterlassen. Anschließend schickt jede Teilnehmerin ihr Paket an die nächste Leserin, die ihre Einlassungen ergänzt. Am Ende gelangen das Buch und das volle Notizbuch zur ursprünglichen Absenderin zurück.

Kerstin Hämke hat dieses Konzept direkt in ihrer Community getestet und ist auf großen Zuspruch gestoßen. 8 Gruppen mit je 6 Leuten haben sich daraufhin in kürzester Zeit zusammengeschlossen. Das sei eine gute Größe für eine Gruppe. Ein Rhythmus von 2 Monaten biete sich an, da viele Teilnehmer den „postalischen Buchclub“ als Zweitgruppe nutzen.

 

Kreise ziehen

Die Lesekreis-Idee zieht also selbst immer weitere Kreise und hat sich zu einem breiten Spektrum von Kommunikationsformaten rund um Bücher entwickelt. Online und in Schulen wird inzwischen häufiger der Begriff „Leseclub“ verwendet oder es gründen sich zum Teil auch von den englischsprachigen „book clubs“ abgeleitete „Buchclubs“, die heute nicht mehr mit Bertelsmanns einstigem Sonderausgaben-Vertrieb assoziiert werden.

Durch die tendenzielle Verjüngung der Lesekreis-Teilnehmer entstehen zudem ganz eigene kreative Namen, die im Web die Auffindbarkeit, Unterscheidbarkeit und Individualität unterstreichen. Der Kanal @maedelsdielesen ist dafür nur ein schönes Beispiel.

Hanna Schönberg schoenberg@buchreport.de

Lesekreise – im buchreport.magazin 07-08/2021

Lesekreis

Webinar:

Mit Lesekreis-Marketing zu mehr Sichtbarkeit und Umsatz

Lesekreise erfahren seit einiger Zeit einen neuen Hype. Wie Sie als Buchhandlung diese interessante Zielgruppe erfolgreich ansprechen und vielleicht sogar einen eigenen Lesekreis gründen, zeigt Expertin Kerstin Hämke praxisnah in diesem Live-Webinar.

  • Termin: 5. August 2021 um 9.00 Uhr
  • Dauer: ca. 60 Minuten

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