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Björn Bedey: »Das physische Hörbuch lebt und wird bleiben«

Björn Bedey ist mit Steinbach Sprechende Bücher ins Hörbuch eingestiegen. In einem Gastbeitrag macht er sich stark für das physische Audiobuch.

Björn Bedey (Foto: Chris-Emil Janssen)

Ganz persönlich bin ich ein großer Hörbuchfan und zelebriere diese Leidenschaft seit den 90ern. Angefangen hat wohl alles mit dem WDR Hörspiel von „Der Herr der Ringe“ 1992 auf vielen, vielen Kassetten und ging dann 1999 mit „Harry Potter“ auf das Medium CD über. Die Umstellung auf MP3 verlief dann schleichend, als mein CD-Player im neueren Auto auch MP3 konnte. Aber: es bleibt bei mir physisch! Weit über 1000 gehörte Titel stehen in meinem Regal – ja, sie stehen da – und ich erfreue mich an ihrem Anblick! Sie repräsentieren für mich ein Stück wertvoller Lebenszeit, die ich mit ihnen verbringen durfte. Sorry, aber eine Playlist kann dies für mich nicht ersetzen.

Björn Bedey

ist seit mehr als 30 Jahren verlegerisch tätig. Er ist Gründer und Geschäftsführer der heutigen Bedey & Thoms Media GmbH. Der 54-Jährige ist gelernter Verlagskaufmann und hat Politik, Wirtschaftswissenschaften und Pädagogik studiert.

Ja – der Marktanteil der physischen Hörbücher ist in den letzten Jahren massiv zu gunsten der gestreamten Hörbücher gesunken. Aber insgesamt ist die Nachfrage nach Hörbüchern stark gestiegen. Ein wenig erinnert dieses Szenario an die Marktverschiebungen in der Musikindustrie, die mit der Umstellung von Vinyl auf CD und dann Streaming einen schmerzhaften, aber am Ende dann erfolgreichen Weg gehen musste. In diesem Kontext möchte ich natürlich auf den vollkommen unerwarteten Hype um die nun wieder nachgefragte Vinyl-Schallplatte verweisen. Totgesagte leben eben länger …

 

Mehrwert durch physisches Hörbuch

Aber schauen wir uns doch mal an, wer eigentlich noch physische Hörbücher kauft: An erster Stelle sind hier weniger technikaffine Hörerinnen und Hörer zu nennen, die einfach grundsätzlich nicht streamen wollen. Diese Gruppe wird stetig kleiner, existiert aber gleichwohl noch in erheblicher Anzahl. Der Genuss eines physischen Hörbuchs ist eben auch ohne Internet und Strom (durch Batterie) möglich. Außerdem gibt es eine Gruppe von älteren Hörern, die einfach nicht über die technischen Möglichkeiten verfügen oder diese nicht beherrschen. Diese Gruppe hat gar keine Alternative zum physischen Hörbuch. Und schließlich gibt es eine Gruppe, die zwar streamen könnte und dies auch manchmal tut, deren Präferenz aber beim physischen Hörbuch liegt, weil es zum Hörgenuss auch eine haptische Befriedigung liefert und durch das Booklet einen echten Mehrwert bietet. Darüber hinaus ist die Positionierung des „Lesezeichens“ beim Streaming häufig nicht oder nur umständlich möglich – bei der CD reicht ein Stopp und das Hörbuch spielt beim nächsten Mal dort weiter, wo man aufgehört hat. Die Verfügbarkeit des Streamings setzt zudem immer einen guten Empfang voraus, der gerade auf Autobahnen in deutschen Landen nicht wirklich immer gegeben ist.

Der Besitz eines Hörbuches ist auch deutlich „ergreifbarer“, wenn dieses auch physisch vorliegt und nicht körperlos bei einem virtuellen Anbieter in der Cloud liegt. Das Sammeln von Hörbüchern und die Verbundenheit und Erinnerung sind physisch viel fassbarer als im Digitalen. So ein physisches Hörbuch kann man weiterverkaufen, verschenken oder vererben – im digitalen Bereich ist dies nicht so einfach möglich. Hier spielt sicher auch die Wertschätzung gegenüber dem Hörbuch eine Rolle – die Beliebigkeit und Flüchtigkeit des Digitalen wird durch das physische Hörbuch durchbrochen und holt ein Stück „guter alter Zeit“ zurück. Auch wenn diese Punkte vermeintlich nur die älteren Hörerinnen und Hörer betrifft, gibt es doch auch viele jüngere, die hier eine Entwicklung durchmachen und schließlich das physische Hörbuch für sich entdecken. Hier sei wieder kurz auf die Entwicklung bei Vinyl-Schallplatten hingewiesen.

Der Rückgang des physischen Hör­buches wird obendrein durch die Vertriebssituation und die Produktionsformate wesentlich beeinflusst. Leider findet das physische Hörbuch immer weniger Platz in den Regalen der Sortimenter – viele Sortimente führen es gar nicht mehr. Hier bricht Absatz nachhaltig weg, obwohl eine Nachfrage besteht. Dieser Absatzverlust kann nicht vom digitalen Geschäft aufgefangen werden, weil dieses eben für viele keine Alternative ist. Mittlerweile werden fast nur noch Komplettlesungen produziert – die gute alte Hörbuchfassung gibt es kaum noch. Dies mag in vielen Fällen durchaus positiv für den Inhalt sein – aber sicher nicht immer. Durch die Komplettlesungen sehen wir uns aber Laufzeiten gegenüber, die eine Veröffentlichung als Audio-CD oder auf Vinyl nicht mehr sinnvoll erscheinen lassen – es bleibt nur das MP3-Format, welches wiederum viele Hörerinnen und Hörer ausschließt, die über keine entsprechenden Abspielgeräte verfügen.

Das physische Hörbuch wird fortbestehen – eine Nachfrage existiert und wird auch bleiben. Inwiefern die Hörbuchverlage diese Nachfrage wirtschaftlich befriedigen können, ist zurzeit offen. Auch, ob physische Hörbücher auf Audio-CD, MP3-CD, Vinyl oder als Kassette ihren Schwerpunkt finden werden – vielleicht auch auf einem physischen Medium, das wir heute noch gar nicht kennen.

Aus meiner persönlichen Affinität heraus hat es mich sehr gefreut, dass die Bedey & Thoms Media zum Januar 2022 den Verlagsservice für Steinbach Sprechende Bücher von Peter Bosnic übernehmen konnten. Die Zusammenarbeit mit der Pionierin des deutschen Hörbuches, Johanna Steinbach, ist für mich persönlich eine große Freude und Ehre. Gemeinsam werden wir nicht müde, dem physischen Hörbuch die Treue zu halten und erfolgreich in unsere neue Zeit zu begleiten.

Björn Bedey

Bedey & Thoms Media

Bedey & Thoms Media GmbH

Hermannstal 119K, 22119 Hamburg

Tel. 0221 | 6 55 99 20 

www.bedey-media.de

Programm-Schwerpunkte: Fachbuch und Belletristik (Krimi und Phantastik)

insgesamt 19 Imprints

GeschäftsführungBjörn Bedey Sandra Thoms
Umsatz 20211,3 Mio €
Novitäten80 (2020: 120)
Mitarbeiter25
AuslieferungBelletristik: Prolit (digital: Bookwire) Fachbuch: BroCom (digital: inhouse)
Quelle: buchreport

 

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Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im buchreport.spezial Hörbuch 2022.

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