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Das Buch verliert in der digitalen Multitasking-Gesellschaft

Die Studie Buchkäufer – quo vadis?“ hat bereits branchenintern einige Wellen geschlagen, jetzt ist der Börsenverein damit an die Öffentlichkeit gegangen. Der massive Verlust an Buchkäufern und -lesern stand im Mittelpunkt seiner traditionellen Wirtschaftspressekonferenz.

Das sind die Kernbefunde:

  • Buchkäufer sind nicht mehr in der Mehrheit: Die alte Daumenpeilung, dass etwa gut die Hälfte der Bevölkerung Buchkäufer sind, gilt nicht mehr: 2017 kauften nur noch 29,6 Mio Menschen mindestens ein Buch, das entspricht 44% der deutschen Privatpersonen ab 10 Jahren.
  • Die Zahl der Buchkunden ist zuletzt dramatisch zurückgegangen: Zwischen 2013 und 2017 ist die Zahl der Käufer auf dem Publikumsbuchmarkt (also ohne Schul- und Fachbücher) um 6,4 Mio zurückgegangen, das ist ein Rückgang um 17,8%.

Die stärksten Rückgänge gibt ein den Altersgruppen 20 bis 50 Jahre. Das ist die Entwicklung in den Altersgruppen aufgeschlüsselt jeweils für den Zeitraum 2013 bis 2017:

  • 60–69 Jahre: –10%
  • 50–59 Jahre. –13%
  • 40­–49 Jahre: –37%
  • 30–39 Jahre: –26%
  • 20–29 Jahre: –24%
  • bis 19 Jahre: –9%

In den besonders kritischen Altersgruppen sanken in diesem Zeitraum auch die Ausgaben für Bücher zweistellig, während die Menschen bis 19 Jahre sowie ab 50 Jahren weiterhin stabile oder steigende Ausgaben verzeichnen.

Die Absatzzahlen gehen zurück

Der Rückgang bei den Buchkäufern führt dazu, dass weniger Bücher gekauft werden:

  • 2017 wurden auf dem Publikumsmarkt 367 Mio Bücher verkauft, das sind 7,8% weniger als 2013 (398 Mio Exemplare).

Dass die verkauften Stückzahlen nicht so stark zurückgehen wie die Zahl der Buchkäufer (siehe oben: –17,8%) hängt damit zusammen, dass die verbliebenen Buchkäufer im Schnitt mehr Titel kaufen und dafür auch mehr ausgeben:

  • 2017 lag das durchschnittliche Kaufpensum bei 12,4 Exemplaren, 2013 waren es noch 11,0, ein Plus von 13%.
  • Die durchschnittlichen Ausgaben für den privaten Bedarf pro Käufer stiegen von 116,70 Euro 2013 auf 137,40 Euro 2017, ein Plus um fast 18%.

All diese Zahlen stammen aus Hochrechnungen von Zahlen, die mit Publikumsbefragungen gewonnen wurden und zwar mit dem GfK Consumer Panel, das 25.000 Personen umfasst.

Ursachenforschung: Das Buch passt nicht mehr so gut zum Lebensrhythmus

Stressiger Alltag: Da bleibt vielfach weder Zeit noch Ruhe fürs Buch (Foto: 123rf.com/antonioguillem)

Als Hauptursache für das geringere Interesse an Büchern gilt die Medienkonkurrenz, vor allem der Charakter der Nutzung von Mobil-/Onlinemedien. Das wurde in Fokusgruppen-Diskussionen mit „Buch-Abwanderern“ (8 Gruppendiskussionen mit je 7 bis 8 Teilnehmern) herausgearbeitet. Börsenvereins-Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis beschreibt das so: Die Abwanderer „leiden unter der Hektik und dem Stress in der digitalen Multitasking-Gesellschaft.“ Es wachse der soziale Druck, ständig reagieren und dranbleiben zu müssen, um nicht abgehängt zu werden.

Als Kernergebnisse der Fokusgruppen-Diskussion hat der Börsenverein zusammengefasst:

  • Die Menschen fühlen sich von den Verpflichtungen, Erwartungen und der Schnelllebigkeit des modernen Alltags gestresst und unter Druck gesetzt.
  • Die Befragten fühlen sich in der Multitasking-Gesellschaft überfordert und entwickeln eine tiefe Sehnsucht nach Entschleunigung, Selbstbestimmung und „echtem“ Genuss und zuverlässiger Information.
  • Ein Mangel an Zeit und Energie führt dazu, dass das Bücherlesen schleichend weniger wird.
  • Die Stellung von Büchern haben häufig Serien übernommen: Hier gibt es einen Diskurs, Empfehlungen, Hypes und „Binge-Watching“ (von engl. Binge = Exzess, das Schauen von mehreren Folgen einer Fernsehserie am Stück).
  • Aber: Lesen wird in allen Zielgruppen als sehr positive und intensive Form der Beschäftigung erlebt: Es dient der Entspannung, dem Ausgleich, dem emotionalen Erleben, der Erweiterung des Horizonts und dem Eintauchen in andere Welten. Alle Befragten bedauern, dass sie weniger Zeit zum Lesen finden.
  • Bücher sind jedoch häufig aus dem öffentlichen Diskurs und persönlichen Umfeld verschwunden. Der Austausch über Bücher fehlt, Menschen sind weniger involviert in Buch-Themen und fühlen sich überfordert vom großen Titelangebot.
  • Die Folge: Die Menschen finden am Buchmarkt keine ausreichende Orientierung mehr.

Die Lebenswelten der Menschen hätten sich grundlegend geändert, so Verbandsgeschäftsführer Skipis: „Es genügt längst nicht mehr zu warten, bis der Kunde zum Buch kommt. Das Buch muss zum Kunden kommen – und dafür muss die Branche neue Strategien finden.“

Auf Bücher müsse besser aufmerksam gemacht werden und die Sicherheit müsse erhöht werden, auf dass der Kunde das „richtige“ Buch finde.

Die Buchmarktforscher des Verbands um Jana Lippmann haben auch Ansatzpunkte fürs Buchmarketing identifiziert.

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