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»Chatbots werden den E-Commerce revolutionieren«

Balázs Turán, Creative Data Engineers

Nicht nur Facebook und Google stellen sich so die Zukunft des Messaging vor: Der User chattet mit einem virtuellen Assistenten, der ihm bei täglichen Verrichtungen hilft. Auch Internetshops stellen sich auf den Trend ein, den aktuell Amazon mit „Alexa“ besonders stark vorantreibt. Mit welchen Perspektiven? Ein Gastbeitrag von Balázs Turán, Creative Data Engineers.

Noch stehen wir am Anfang. Das Potenzial ist bisher nur „spürbar“ noch lange nicht sichtbar. Bisher chatten wir über Texteingabe, doch gibt es bereits Experimente mit Bilderkennung und Sprache – und mit Alexa einen quasi etablierten Sprachroboter (wenn man über acht Mio verkaufte Lautsprecher in den USA als Beweis sehen möchte). Bisher ist wenig beziehungsweise keine künstliche Intelligenz integriert. Teilweise muss diese künstliche Intelligenz ja auch entwickelt werden; die gibt es heute noch nicht.

Dass diese Technologie ihre Herausforderungen hat, ist selbstverständlich. Ganz nach Einsteins Motto: „Jeder ist ein Genie! Aber wenn Du einen Fisch danach beurteilst, ob er auf einen Baum klettern kann, wird er sein ganzes Leben glauben, dass er dumm ist.“ Ebenso verhält es sich mit Chatbots. Vieles steckt in Kinderschuhen oder ist bislang Vision. Erfahrungen müssen erst noch gesammelt werden. Es wird Einiges an Schweiß, Tränen und Blut fließen müssen, bis Chatbots voll im Alltag integriert und akzeptiert sind. Nutzer werden lernen, dass ein Chatbot nicht Google ist und man den Bot zwar alles fragen kann, er aber nicht auf alles die passende Antwort hat – oder schlicht nicht versteht. Zumindest in den Anfängen.

Blanvalet hat einen Chatbot eingesetzt, um den Krimi „Schwesterherz“ auf Facebook zu präsentieren (hier mehr).

In der Presse war groß zu lesen, dass Facebook Chatbots für die Öffentlichkeit freischaltet, was dazu führte, dass bisher über 34.000 Bots entwickelt wurden. Und ebenso groß war in der Presse nach nur wenigen Monaten zu lesen, wie enttäuschend die bisherigen Bots ausfielen. Doch die Erwartungen des Marktes waren zu groß, um schnelle und funktionierende Resultate zu erzielen. Leider rückte dadurch das Potenzial von Chatbots ein wenig aus dem Fokus. Stattdessen wurde weiter über wenig erfreuliche Bots berichtet.

Unsere Vision eines Bots, wie wir ihn gerade bauen, sieht folgendermaßen aus: Stellen Sie sich vor, Sie stehen in einem Geschäft und probieren ein Kleidungsstück an. Leider gibt es das nicht mehr in der passenden Größe. Man könnte Ihnen ein Exemplar aus einer anderen Filiale besorgen, dafür müssten Sie aber am nächsten Tag wiederkommen.  Stattdessen greifen Sie zu Ihrem Handy, rufen den ohnehin installierten Facebook Messenger auf, suchen den Chatbot der Modefiliale, in der Sie stehen, und fragen den Bot: Hast Du das Kleidungsstück – versehen mit einer zuvor zugeordneten Nummer – auch in Größe 38 oder vielleicht in der Farbe Rot? Sie bekommen das Produkt angezeigt, legen es in den Warenkorb, kaufen und lassen es sich nach Hause liefern, im Idealfall kostenlos.

Oder Sie sitzen am Sonntag zusammen mit Ihrer Familie auf dem Sofa und kommen plötzlich darauf zu sprechen, dass ihr Teppich schon mal bessere Zeiten gesehen hat. Sie zücken ihr Smartphone, rufen im Facebook Messenger den Chatbot eines großen Möbelhauses auf und fragen, welche Teppiche in den von Ihnen gewünschten Maßen, Hochfloor aus Baumwolle in der Farbe Braun bis maximal 300 Euro angeboten werden.

Welche Suchmaschine kommt denn damit klar? Stellen Sie Google mal solch eine Frage!

Ebenso ergeht es Ihnen, wenn Sie sich die Mühe machen, den Shop eines Anbieters Ihrer Wahl aufzurufen und die Suche mit einem solchen Satz konfrontieren.

Das enorme Potenzial von Chatbots liegt darin, dass sie unsere Kommunikation und unser Suchverhalten vereinfachen und ändern werden. Wir werden lernen müssen, dass unser „angegoogletes“ Suchverhalten „antiquiert“ ist. Wir werden lernen, mit Chatbots so zu sprechen wie mit einem Verkäufer im Ladengeschäft – Sie gehen ja auch nicht zum Verkäufer und sagen „Teppich, braun, Wolle“. Wir werden eine echte „One-2-One-Echtzeit-Kommunikation“ erleben.

Wir sind viel schneller und direkter am Produkt. Wir müssen keine „Online-Umwege“ über Suchmaschinen, Banner, Shops und dergleichen gehen. Wir navigieren direkt zu dem Unternehmen und fragen dort proaktiv nach den gewünschten Produkten. Das bedeutet für das Unternehmen, dass ich ein starkes Involvement mit der Marke oder dem Produkt habe und ein qualitativer, ein wertvoller potenzieller Kunde bin. Die Marketer werden sichtlich begeistert sein. Der Chatbot als eigener Marketingkanal wird sich etablieren und mit Konversionsraten glänzen, die wir bisher nur aus dem B2B-Geschäft kennen.

Shops und Apps werden hierdurch ein wenig an Bedeutung verlieren und vielleicht eher als reiner „Abschlusskanal“ dienen. Inwieweit sich Bezahlsysteme innerhalb eines Chatbots durchsetzen, was einen weiteren Verlust für Shop und App bedeuten würde, wird sich noch zeigen. Natürlich werden sowohl Shops als auch Apps ihre weitere Daseinsberechtigung haben, ganz klar. Aber die Betreiber sollten sich frühzeitig darauf einstellen, dass hier ein technologischer Wandel begonnen hat, der sie voll treffen wird. Beste Beispiele aus der Vergangenheit: Katalog, Zeitung, Schallplatte. Diese sind alle noch da beziehungsweise wieder erstarkt, haben aber einen deutlichen und auch schmerzhaften Wandel in der Nutzung und Bedeutung erfahren.

Abb. 2: Der AuthorBot

Der AuthorBot bietet Buchkunden nicht nur Informationen zu Handlung und Autor, sondern erschließt die Welt der Romanfiguren auch auf spielerische Art und Weise. Quelle: Bam Mobile/Fastbot.io

 

Folgende Vorteile bringen Chatbots für Unternehmen:

  • Das Unternehmen muss nicht mehr eine eigene Plattform (App) etablieren und teuer bewerben. Die Messenger sind ohnehin schon auf „fast“ allen Smartphones installiert. Der Facebook Messenger wurde weltweit über eine Milliarde Mal heruntergeladen. WhatsApp hat angekündigt, sich für Unternehmen öffnen zu wollen, alle anderen relevanten Messenger werden nachziehen – falls sie es noch nicht getan haben. Das bedeutet also, dass Sie all Ihre Kunden und Ihre Zielgruppe in einem Messenger antreffen können. Sie müssen einfach nur dorthingehen.
  • Ihr Messenger kennt keine Pause, er ist 24/7 verfügbar, stets freundlich und gut gelaunt. Außerdem lässt es sich im Messenger deutlich anders kommunizieren als am Telefon oder im „Service-Onsite-Chat“. Oder wann haben Sie mal ein Herz oder ein lachendes Smiley vom Service bekommen? Dem Chatbot sieht man das nach – und er darf Sachen machen, die man einem Menschen vielleicht krumm nehmen würde.
  • Der Chatbot ist interaktiv, spielerisch und explorativ. Es macht einfach Spaß, mit ihm zu chatten. Natürlich kann man Komponenten in den Bot einbauen, dass er den Nutzer ab einer bestimmten „Erfahrung“ an den Service weiterleitet. Wenn der Bot es schafft, 10 bis 20 Prozent der üblichen Anfragen vom Service fernzuhalten, was wäre das denn für eine sensationelle Entlastung für einen meist kostspieligen Kundenservice?

Die Anfragen ähneln sich ja zum Teil. Wo ist meine Bestellung? Wie lange noch? Was kosten der Versand? Habt Ihr das Trikot auch in Rot? Wann gibt es wieder Tickets für das Auswärtsspiel? …

Warum soll ein Mensch darauf antworten, wenn ein Bot sofort zurückchattet? Wie oft haben Sie schon einen Onsite-Chat abgebrochen, weil Ihnen die Antwortzeit zu lange dauerte? Gehen Sie mal auf den Shop eines großen schwedischen Fashion Anbieters und öffnen den Onsite-Chat. Da sehen Sie dann erstmal, wie lange Sie warten müssen. Nichts gegen Onsite Chats, ich finde die super und kundenorientiert, sofern man es richtigmacht. Aber so viele Menschen können Sie gar nicht in den Service setzen, damit ein „Chaterlebnis“ für jeden Kunden aufkommt. Also werden Chatbots natürlich gerade Onsite ihren Einsatz finden (unseren Bot können Sie sowohl im Messenger als auch Onsite einsetzen).

Der Chatbot wird außerdem in der Lage sein, die Konversation am Laufen zu halten, selbst wenn er das von Ihnen angefragte Produkt so nicht vorliegen hat. Wenn der Bot für unser selbstgewähltes Teppich-Beispiel kein Produkt hat, welches alle gesuchten Ausprägungen hat, wird er Ihnen Alternativen nennen und sagen, dass er zwar Teppiche gefunden hat, allerdings nicht zu dem gewünschten Preis. Und er wird fragen, ob Sie neu suchen oder die gefundenen ähnlichen Produkte anschauen möchten. So bleibt der Bot mit Ihnen im „Gespräch“, er lässt Sie nicht gegen eine Wand laufen und wartet dann geduldig auf Ihre Reaktion. Der Bot als aktiver Gesprächsgestalter.

Er wird zudem Ihr Suchverhalten dahingehend unterstützen, dass er ihre Suchanfragen zwischenspeichert und darauf zurückgreifen kann, wenn Sie eine Option ändern. Teppich-Beispiel: Bot findet Produkte mit allen Ausprägungen, Sie schauen sich diese an und tippen dann: „und jetzt in grün“. Das ist Chatten! Wenn der Bot jetzt erwarten würde, dass Sie den ganzen Satz erneut eintippen, ist der Kunde wohl schnell weg. Ebenso können Sie in späteren Sessions auf bereits getätigte Formularinformationen zurückgreifen. Wie in der KFZ-Ersatzteile-Suche, wo Sie ebenfalls nicht jedes Mal von vorne ihre gesamten Daten eintippen möchten. Und wenn Sie eine Werkstatt sind oder mehrere Autos haben, werden Sie aus bereits getätigten Konfigurationen ihr Auto auswählen können und so schneller starten.

Also abschließend kurz zusammengefasst: Bots erleichtern die Kommunikation, erlauben es uns intelligent zu kommunizieren, sind 24/7 verfügbar und freundlich. Sie werden nicht nur den E-Commerce revolutionieren, sondern überall dort zu finden sein, wo ein potenzieller Kunde mit einem Unternehmen kommunizieren möchte.

 

Balázs Turán ist als Spezialist für Webanalyse und Personalisierung Co-Inhaber der neu gegründeten Agentur Creative Data Engineers (CDE) mit Sitz in Karlsruhe. Zu den Spezialitäten der Agentur gehören künstliche Bot-Intelligenzen, die unter anderem Kunden von Online-Shops eigenständig per Chat beraten.

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