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Britta Blottner: Rückzahlungen an die Verwertungsgesellschaften – Guerilla-Maßnahmen der Verlage?

Britta Blottner (Foto: privat)

Kennen Sie diese weißen Briefumschläge mit dem schwarzen Rand? Wenn man sie aus dem Briefkasten geholt hat, sitzt man davor und möchte sie gar nicht öffnen. Kürzlich flatterte der Rückzahlungsbescheid der VG BildKunst ins Haus. Der Briefumschlag hatte zwar keinen schwarzen Rand, inhaltlich – obwohl bekannt – aber gleichzusetzen mit einer Traueranzeige. Und der der VG Wort ist bereits angekündigt!

Was würde eigentlich passieren, wenn alle Verlage auf die Rückzahlungs-Bescheide nicht reagieren? Nach dem Motto: „Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin!“

Es ist kein Geheimnis, die Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften waren immer ein willkommener finanzieller Beitrag für neue Buchprojekte und wurden meistens sofort re-investiert. Also unsere „Ausschüttungen“ findet man unter anderem in unserer Auslieferung wieder. Texte und Bilder von Autoren und Verlag aufwendig geschrieben, fotografiert, layoutet und bearbeitet, in Deutschland gedruckt, zwischen zwei Buchdeckeln liegen sie da, die Projekte, die wir gewagt haben.

Bücher – die Rückzahlungswährung

Wäre es im Gegenzug nicht fair, wenn Verlage ihre Rückzahlungssummen an die Verwertungsgesellschaften in bereits produzierte Bücher umrechnen und diese Buchpaletten Herrn Vogel & Co. vor die Tür schieben?

Nach der Rückzahlung, die die Liquidität stark beeinflusst, werden insbesondere kleinere Verlage kaum noch wirtschaftlich arbeiten und existieren können. Sie müssen zukünftig auf Projekte verzichten. Also das, was man diesen Verlagen nachsagt, nämlich „mutige Entdecker“ zu sein, wird zukünftiger immer schwieriger werden. Wird es dann nur noch Mainstream geben?

Die Aussage: „Die Rückzahlungen an die Verwertungsgesellschaften bringen Verlage nicht in „Schieflage“, wenn vorher solide gewirtschaftet wurde.“ Richtig, aber immer Realität? Und ein innerhalb von drei Jahren erhaltener Betrag mit einer Frist von vier Wochen zu begleichen ist ein herber Schlag – für viele. Wie es um eine zukünftige Beteiligung am Ausschüttungsverfahren steht, ist dank der Politik auch noch völlig offen. Unser Justizminister möchte gerne etwas Eigenes machen (da fällt mir nur noch Loriot zu ein). Außerdem wartet der hörige deutsche Politiker geduldig auf Ergebnisse aus Brüssel. Ach ja, Bundestagswahl ist nächstes Jahr auch noch. Vor 2018, eher 2019, passiert hier mal gar nichts.

Bibliotheken dürfen jetzt auch kopieren

Hinzu kommt, dass der Bundesgerichtshof es Bibliotheken erlaubt, ihren Bestand uneingeschränkt zu digitalisieren, um es ihren Nutzern zu ermöglichen, Bücher auf USB-Sticks zu kopieren und/oder auszudrucken. Bedeutet, sie müssen nur noch ein Exemplar kaufen. Auch diese Art von Rechtsprechung trägt nicht zur Verbesserung der Lage bei, im Übrigen auch nicht der von Autoren.

Kultur- und Bildungsland – ein Fest für Politiker

Lohnt sich das Verlegen eigentlich noch? Stelle mir gerade vor, wie sich Firmen wie goo… und ama… ins Fäustchen lachen und das auch noch ohne Steuerzahlungen in Deutschland.

Mit einem Jahresumsatz von ca. 9 Milliarden Euro ist die Buchbranche ein zu kleines Licht. Die Politik wird immer nur dann schnell aktiv, wenn Großkonzerne oder Banken auf dem Spiel stehen. Lässt das neue Gesetz zum Urheberrecht auf sich warten, wird folglich in der Buchbranche eine Marktbereinigung stattfinden. Volkswirtschaftlich gesehen nicht immer das Schlechteste, aber feiert sich nicht gerade die deutsche Politik als vielfältiges Kultur- und Bildungsland?

52.900 Menschen ohne Arbeit

Was würde in den Köpfen unserer Politiker passieren, wenn ca. 2.000* Verlage ihre Arbeit einstellen? Folglich müssten auch ca. 3.000* Buchhandlungen schließen, rund 52.900* Menschen wären arbeitslos, es gibt (fast) keine Bücher mehr und keine Steuereinnahmen. Keine Preisverleihungen und keine Buchmessen – keine Möglichkeit mehr, sich mit Bildung und Kultur schmücken zu können.

Eine traumhafte Vorstellung. Ich bin mir sicher, dass bei einem solchen Szenario auch unser Bundesjustizminister sich dazu bewegen lässt, innerhalb kürzester Zeit ein neues Urheberrechtsgesetz vorzulegen, welches auch die Verlage ausreichend berücksichtigt.

Bleibt wohl nur ein Traum! Sollte aber die Buchbranche nicht langsam mal nach anderen Mitteln greifen, als nach freundlich formulierten Petitionen im Internet?

 

*Zahlenangaben der Mitglieder-Verlage und -Buchhandlungen des Börsenvereins des deutschen Buchhandels

Kommentare

2 Kommentare zu "Britta Blottner: Rückzahlungen an die Verwertungsgesellschaften – Guerilla-Maßnahmen der Verlage?"

  1. Keiner macht sich freiwillig arbeitslos! Lieber auf einem Bein hüpfen, als im Rollstuhl ohne Beine. Aber eine riesengroße Schweinerei ist es allemal!

  2. Argumentiert wird immer gerne mit den kleinen Verlagen. Dass die jede Unterstützung verdienen, steht außer Frage, und da kann man gar nicht pathetisch genug werden. Aber, chez nous, eigentlich sollen doch (seit Jahren ungerechtfertigte Extra-)Profite (auf Kosten der Autoren) von ein paar Großkonzernen aufrechterhalten werden? Da müsste sich doch eine „Zahlschranke“ einführen lassen? Je größer, desto zahl? Wenn klein und kreativ etc. blabla, dann Ausnahmeregelung? (Oje, jetzt werde ich gleich wieder als Kommunist beschimpft.)

    Bibliotheken: Kann sein, dass man noch den Zeiten hinterhertrauern wird, als die immerhin noch EIN Exemplar abgenommen haben. Zumindest im wissenschaftlichen Bereich ist international der Trend nicht ganz zu übersehen, dass die KEINES mehr abnehmen und im Zweifelsfall lieber gleich auf Piraten verlinken (womit sie freilich auch an ihrer Selbstabschaffung arbeiten). „Oh, Herr Bonik, Sie behaupten da immer so ein Zeug!“ – Ich verweise auf das Nationale Institut für Mathematik der Ukraine, die Palestine Polytechnic University, die Bibliothek der Mechanisch-mathematischen Fakultät der Universität Moskau, das Harare Institute of Technology, die Universität für Management und Technologie von Lahore. Und hat nicht neulich – war es Princeton oder Cambridge?, ich kriege die immer durcheinander (hab dort auch nicht studiert) – gesagt, dass deren Bibliothek leider jetzt auch nicht mehr soviel Knete für Großverlage abdrücken will? Weil es ihnen an Geld mangelt??? Was wird die Alternative sein für den dringend benötigten, speziellen Fachaufsatz?

    (PS für die buchreport-Designer: Schaut euch mal an, was passiert, wenn man sich die Kommentarfenster großzieht, um einen längeren Kommentar zu schreiben. Nämlich merkwürdige Dinge.)

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