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Autoren suchen Aufmerksamkeit, Reichweite und Erlöse

Auf dem digitalen Buchmarkt haben viele Verlage erstmals direkten Kontakt zu ihrem Kunden. Die Herausforderung besteht darin, Daten zum Nutzungsverhalten effizient zu sammeln und daraus Rückschlüsse auf die eigenen Inhalte zu ziehen. Harald Henzler (Smart Digits) beschreibt im Interview den Druck, unter dem Verlage stehen – und ihre Chancen.
Mit dem Thema „Big Data“ beschäftigt sich eine große Analyse im aktuellen buchreport.magazin 10/2012 (hier zu bestellen). Passend zum Thema auch das Interview mit der US-Verlegerin Dominique Raccah.
Wie hat sich die Entscheidungsgrundlage der Verlage in den vergangenen Jahren verändert, etwa durch Social Media, Auswertung des Direktvertriebs, App Store-Daten und andere „Big Data“-Quellen?
Die Grundlage hat sich vor allem durch die Aufgabe verändert, selbst den Kontakt zum Kunden herzustellen und Daten zum Nutzungsverhalten zu sammeln. Digitale Produkte ermöglichen das in viel umfangreicheren Maße. Die Herausforderung für Verlage besteht ja darin, nicht zu sehr in Abhängigkeit zu geraten von Amazon, Apple oder Google. Die Preisdiktate von Amazon sind in der Buchbranche ja allen bekannt und niemand will sich eine Zukunft vorstellen, in der er nur von diesem Dienstleister abhängt. Zudem fordern die Autoren von den Verlagen, dass ihre Werke auch gut vermarktet werden. Sie wollen Aufmerksamkeit, Reichweite und Erlöse sehen. Wenn Verlage das nur über andere Dienstleister anbieten, werden die Autoren zu den Selfpublishing-Diensten der Großen gehen. 
Welche Verlagsbereiche profitieren besonders von „Big Data“?
Es profitieren alle Bereiche, wenn die Daten richtig ausgewertet und die Folgerungen auch nachgehalten werden. Big Data ist Teamwork: von der Konzeption bis zur Auswertung und Umsetzung der Ergebnisse. Und es funktioniert nur, wenn die Prozesse im Haus auch darauf abgestimmt sind. Das ist eigentlich die größte Herausforderung. An Daten zu kommen ist nicht so schwer. Sie richtig zu interpretieren und vor allem, danach handeln zu wollen, das ist nicht so leicht. Ich kenne kein Unternehmen, das keinen Datenmüllberg hat, und ich bezweifle, dass es einen Geschäftsführer, Verlagsleiter oder Produktmanager gibt, der nicht umfangreiche Datenblätter sein eigen nennt, die nie richtig ausgewertet wurden. 
Welche Daten werden in der Regel von Verlagen gesammelt und ausgewertet?
Es gibt große Unterschiede zwischen Fachverlagen, die schon lange einen eigenen Kundenstamm bedienen, Distributoren wie z.B. Weltbild, die immer schon exakte Kundendaten vorliegen hatten und den Publikumsverlagen, die über die großen Handelspartner vertreiben. 
Welche Werkzeuge werden eingesetzt?
Mächtige CRM-Tools sind hier genauso im Einsatz wie Google Analytics oder eine exakte Erfassung der Cost Per Order oder Cost Per Sales. Bei digitalen Produkten liegt das Problem eher darin, dass sehr viele Daten vorliegen und die Analyse zielgerichtet erfolgen muss. Facebook allein liefert ja schon genügend Daten über das Verhalten auf der jeweiligen Seite. Aber welche davon für was relevant sind, das ist die eigentliche Aufgabe. 
Die Buchverlage sind, verglichen mit anderen Branchen, bei der Auswertung von Big Data noch rückständig. Warum?
Durch den oben erwähnten Schwerpunkt im Vertrieb über den Handel. Die Kennzahlen aus dem Handel wurden immer schon ausgewertet. GFK war dann die erste große Neuerung in der Branche vor einigen Jahren, als plötzlich Vergleichszahlen für alle zugänglich vorlagen. Das hat die Programmplanung in einigen Publikumsverlagen stark geprägt und war ein nächster Schritt. Aber trotzdem fehlte eine direkte Beziehung zum Kunden. Deshalb sind die Unternehmen im Vorteil, die dies schon immer praktiziert haben, bei denen es sozusagen in der DNA steckt, wie Verlage mit Loseblattwerken oder Fachzeitschriften. Auch Weltbild ist hierfür ein gutes Beispiel: Der Kern ist die Distribution und dem folgend liegen hier exakte Daten vor zur Steuerung des gesamten Unternehmens. Hier wurde Big Date immer schon gefördert. Viele Verlage sehen sich jedoch auch zu Recht als Innovatoren. Und geben zu bedenken, dass die Innovation im Wesentlichen nicht vorher abfragbar ist. Der Kern der Tätigkeit liegt im Schaffen von Neuem. Und deshalb tun sie sich besonders schwer, wenn sie jetzt ihre Kunden im Netz direkt erreichen, pflegen und betreuen sollen. Das Verständnis ist noch nicht so stark entwickelt dafür, dass dies eine wichtige Form der PR ist und durch die Kundenpflege auch innovative Ideen geboren werden können.
Die Fragen stellte Daniel Lenz
Zur Person: Harald Henzler
  • Gründer der Smart Digits GmbH (www.smart-digits.com)
  • Mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle als Produktmanager, Verlagsleiter und Geschäftsführer bei Carl Hanser und Haufe-Lexware
  • Dabei über zehn Jahre Erfahrung in der Entwicklung zielgruppenspezifischer Buchreihen, Portale, Datenbanken, Anwendersoftware, eBooks, Apps
  • Dozent an der Akademie des Deutschen Buchhandels und der LMU München
  • Schwerpunkte der Beratung: Geschäftsmodelle für das digitale Portfolio, Change Management und Workflowgestaltung, Zielgruppenanalyse, Portfolioentwicklung

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