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Prozess-Workshops richtig planen und vorbereiten

Rupert Hierzer. Foto: Privat

Rupert Hierzer ist selbstständiger Unternehmer, Strategieberater und Trainer. Er ist Mitbegründer der Desertec Stiftung und Geschäftsführer der Gemsensprung GmbH. Foto: privat.

Prozessanalyse ist Teamwork. Dennoch muss einer die Zügel in der Hand behalten. Die richtige Planung entscheidet mit über den Erfolg des Workshops und damit über den Erfolg der Prozessanalyse.

Aber oft müssen Prozessanalysen ohne externe, erfahrene Begleitung mit „Bordmitteln“ bewältigt werden. Der Unternehmensberater Rupert Hierzer gibt im Prozesschannel von buchreport.de Tipps, wie Workshops auch solchen Mitarbeitern gelingen, die keine Moderationserfahrung besitzen.

 

Die Zusammenarbeit zwischen Menschen findet zunehmend „virtuell“ statt. Skype und ähnliche Programme haben für manche schon das Telefon oder die E-Mail als wichtigstes Medium im Berufsalltag abgelöst. Virtuelle Teams sitzen auf allen Kontinenten verstreut. Doch immer noch gilt: Wenn es wichtig ist, sollte man sich persönlich treffen. Ganz besonders am Anfang.

Die Rolle des Prozess-Workshops

Im Mittelpunkt der Prozessanalyse steht die Erhebung des Ist-Prozesses mit all seinen Stärken und Schwächen. Das macht in der Regel eine Zusammenkunft aus Prozessverantwortlichen, Führungskräften und Schlüsselressourcen erforderlich. In dieser Runde wird der aktuelle Prozesszustand gemeinsam erarbeitet und visualisiert. Dieses Format bildet regelmäßig den Auftakt der Prozessanalyse und wird landläufig als „Prozess-Workshop“ bezeichnet. Es kommt nicht selten vor, dass die Analyse eines einzigen Prozesses die Durchführung mehrerer Workshops (Aufnahme Ist-Prozess, Identifikation von Verbesserungen, Erarbeitung Soll-Prozess, Feinabstimmung, Abschlussdokumentation) notwendig macht. Deshalb kommt diesem Format auch eine besondere Bedeutung in der Optimierung von Prozessen (digital oder analog) zu und verdient besondere Aufmerksamkeit.

Philosophie: Workshop ist nicht gleich Workshop

Jeder hat sicherlich seine eigene Herangehensweise an einen Workshop. Mit meiner bin ich über die Jahre gut gefahren. Meine Erfahrungen haben mich gelehrt, einige, das Workshop-Format begünstigende Prinzipien einzuhalten. Diese Philosophie möchte ich gerne mit Ihnen teilen (siehe Abbildung 1).

Hierzer_Abb.1

Abb. 1: Workshop-Prinzipien

 

Workshop ist Change Management

Schon weiter oben im Buch habe ich den Gedanken ausgeführt, dass bereits mit der Einladung zum Workshop das eigentliche Change Management beginnt. Umso mehr gilt dies für den Workshop selbst. Teilnehmer gehen nie unvoreingenommen in einen Analyse-Workshop, welcher letztendlich das Ziel verfolgt, den bestehenden Zustand in irgendeiner Form zu verändern (auch wenn es eine Verbesserung für die tägliche Arbeit der Teilnehmer darstellt). Neben ihrem Fachwissen und ihrer Führungskompetenz bringen Teilnehmer stets auch unterschwellige Ängste und Bedenken mit und tragen Mutmaßungen über den zukünftigen Prozess in den Workshop hinein. Klarheit, Transparenz und Aufrichtigkeit sind daher das oberste Gebot. Wenn Sie eine versteckte Agenda verfolgen oder auch nur etwas – ohne böse Absicht – zurückhalten, spüren Teilnehmer das und nehmen Sie als unaufrichtig war.

Den Teilnehmern vermittelt das zusehends ein Gefühl, dass ihr Input keinerlei Bedeutung hat und am Ende keinen Unterschied machen wird. Das wertet den Workshop von vornherein ab, beeinträchtigt die Mitarbeit der Teilnehmer und gefährdet die Erreichung der gesteckten Workshop-Ziele. Vor allem aber werden die Teilnehmer keinen positiven Bezug zur Veränderung herstellen und in den meisten Fällen die Ergebnisse sogar ablehnen. Die Gelegenheit, den Teilnehmern die Veränderungen schmackhaft zu machen, wäre damit verschenkt, der Grundstein für Ablehnung und Widerstand jedoch gelegt.

Barrierefreiheit: Bitte nichts voraussetzen!

Ein ebenso großer Sündenfall ist es, Vorkenntnisse über Prozessnotationen oder spezielles Methodenwissen vorauszusetzen. Im Workshop begegnet man Teilnehmern mit unterschiedlichstem Ausbildungshintergrund, welche teilweise grundverschiedene Berufsbilder im Unternehmen ausfüllen. Eine Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Workshop stellt daher die Vermeidung formalistischer (zum Beispiel Prozessnotation) oder fachlicher (zum Beispiel komplexe Prozessanalysemethoden) Hindernisse dar. Ich nenne das „Barrierefreiheit“. Jeder Teilnehmer kann so den Prozess sofort erfassen und an der Gestaltung, Visualisierung und Verbesserung mitarbeiten.

Die Kunst, unterschiedliche Teilnehmer zu aktivieren

Jeder Teilnehmer ist anders. Die Bandbreite reicht vom redseligen Meinungsführer bis zum schüchternen Fachexperten. Keine einfache Aufgabe also, die unterschiedlichen Charaktere gleichermaßen einzubinden und Schieflagen oder Einseitigkeit zu vermeiden. Hierbei spielt die Aktivierung jedes einzelnen Teilnehmers zu Beginn des Workshops eine große Rolle. Wichtig ist, dass jeder Teilnehmer vorab ein paar Worte an die Gruppe richtet. Dies kann durch eine persönliche Vorstellung oder die Formulierung der an den Workshop gerichteten Erwartungen sein. Zum Aufwärmen lasse ich die Teilnehmer fünf Minuten im Zweiergespräch Erwartungshaltungen austauschen, um dann die Erwartungen des jeweils anderen vor der ganzen Gruppe zu präsentieren. Mit diesem einfachen Kniff senke ich bei allen (auch den schüchternsten Teilnehmern) die Hemmschwelle, vor der ganzen Gruppe zu sprechen. Denn es fällt den Allermeisten leichter, über eine andere Person zu sprechen als über sich selbst.

Wird der Austausch im Verlauf des Workshops einseitiger, weil sich immer dieselben zu Wort melden, sollten Sie mit einer erneuten Aktivierung reagieren. Beispielsweise können Sie bei allen Teilnehmern ein kurzes Fazit (in Moderatorensprache ein „Blitzlicht“) einfordern. Die Teilnehmeraktivität lässt sich auch durch Übungen in Teilgruppen, das Einfordern kurzer Fachbeiträge oder auch das Einstreuen spielerischer Elemente, wie beispielsweise die „Simulation“ (das Nachspielen) des bis zu diesem Zeitpunkt beschriebenen Prozesses, steigern.

Alles umgehend visualisieren

Der Mensch ist ein „Augentier“. Wir nehmen 83 % aller Informationen über die Augen (siehe Abbildung 2) auf. Damit drängt sich die prominente Nutzung unseres dominantesten Sinnesorgans auch im Rahmen des Prozess-Workshops auf. Mit anderen Worten: Selbst kleine, im Workshop erzielte Teilergebnisse sollten umgehend visualisiert werden bzw. der Workshop so geplant werden, dass eine Visualisierung bereits methoden-immanent ist.

Hierzer, Abb.2

Abb. 2: Prozentuale Verteilung der Sinneswahrnehmungen

 

Zudem verfolgt die Visualisierung noch einen anderen Zweck. Für jeden von uns besitzt ein Prozess drei Zustände:

  • wie wir glauben, dass er ist
  • wie er aktuell tatsächlich ist und
  • wie wir meinen, dass er sein sollte (siehe Abbildung 3).

Hierzer,Abb.3

Abb. 3: Jeder Prozess besitzt drei vermeintliche Zustände

 

Es ist daher wichtig, schnell ein gemeinsames Verständnis für den aktuellen und zukünftigen Prozess zu finden. Der Weg dazu führt über die konsequente Visualisierung des Prozesses im Workshop. Man sieht buchstäblich, was Sache ist.

Akzeptanz schaffen und für Identifikation sorgen

Vieles, was bisher gesagt wurde, soll Akzeptanz für die Veränderungen schaffen und darüber hinaus bei den Workshop-Teilnehmern verstärkt das Gefühl hervorrufen, dass dies „ihr“ Prozess ist und es „ihre“ Änderungen sind. Das erzeugt Identifikation mit den erforderlichen Änderungsmaßnahmen, auch wenn das vielleicht zuerst mal rauen Seegang verspricht, und dem zukünftigen Prozess (Zielbild, Soll-Prozess) selbst. Je weniger Sie also Vorgaben (zum Beispiel diese oder jene Maßnahme vorbereiten) im Workshop machen, und je größer dadurch der Eigenanteil der Teilnehmer wird, umso mehr Akzeptanz und Identität stiften Sie damit. Das beeinflusst nicht nur den Workshop selbst, sondern Sie gewinnen in den Beteiligten auch Multiplikatoren im Unternehmen, die ihre Maßnahmen vertreten und nach außen tragen. Man bezeichnet Mitarbeiter, die sozusagen als „Botschafter“ der Prozessänderungen auftreten, in der Fachsprache auch als „Change Agents“. Nicht zuletzt unterstützt Sie eine offene und positive Workshop-Atmosphäre dabei, die Herzen und Überzeugungen der Teilnehmer zu gewinnen.

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Einfachheit führt direkt ins Ziel

Je einfacher Sie den Workshop halten, desto besser. Doch was bedeutet hier überhaupt „einfach“? Kann die Analyse von im Allgemeinen vielschichtigen, komplexen Prozessen mit unzähligen Beteiligten überhaupt einfach sein? Sie kann es durchaus sein, wenn man bereit ist, an den Erwartungen und Methoden zu arbeiten. Falsche und/oder zu ambitionierte Erwartungen führen oft zu komplizierten Workshop-Situationen und zum Einsatz – für die Erstanalyse – ungeeigneter Methoden und Hilfsmittel. Einige Beispiele sollen dies verdeutlichen:

  • Versuch der vollständigen Analyse des Geschäftsprozesses im ersten oder in einem einzigen Workshop
  • Einrichtung eines zu kleinen Zeitfensters für den Workshop
  • Einsatz komplizierter Analyse- oder Visualisierungstechniken
  • Modellierung direkt im Computer (siehe Abschnitt „Technik“)
  • Einladung zu vieler Teilnehmer
  • Einsatz von Modellierungsnotationen wie BPMN oder ePK bereits im ersten Workshop
  • Auflistung aller Prozessaktivitäten bereits im Detail.

Diese Liste ist sicherlich nicht vollständig und könnte mit Leichtigkeit fortgeführt werden, weist aber die Richtung zu vermeidenden Erwartungshaltungen.

Wenn Sie sich die Zeit einräumen, die Sie für eine Prozessanalyse tatsächlich brauchen (vertrauen Sie beim Schätzen auf Ihr Bauchgefühl), bereit sind, erst einmal auf gewisse Details zugunsten des großen Ganzen zu verzichten und mit Moderationskoffer, Flipchart und Pinnwand auskommen, machen Sie bereits einen großen Schritt in Richtung einer „einfachen“ Workshop-Gestaltung.

Technik bitte nur »homöopathisch« einsetzen

Eigentlich habe ich es ja schon vorweggenommen, aber da der Einsatz von Beamer und Computer für Prozess-Workshops scheinbar „en vogue“ ist, lohnt es sich, noch ein paar Worte darüber zu verlieren. Die direkte Erfassung im Computer führt dazu, dass häufig nur zwei Personen im Workshop tatsächlich aktiv sind. Das ist zum einen derjenige, der den Computer bedient und zum anderen ein Teilnehmer, der gerade den aktuellen Prozessschritt beschreibt. Da bleibt wenig Raum für Kreativität und frische Ideen. Sie wollen ja auch Verbesserungen ableiten. Zudem wird die Computereingabe meist in einer bestehenden Prozessnotation (Flussdiagramm, ePK, BPMN, UML etc.) erfolgen, was alle der jeweiligen Notation Unkundigen zu „Analphabeten“ und damit Workshop-Teilnehmern zweiter Klasse macht. Im Allgemeinen wird das Gros der Teilnehmer sich dann zurücklehnen und sich innerlich ausblenden. Am Ende laufen Sie Gefahr, einen Prozess zu beschreiben, der von den meisten Teilnehmern nicht verstanden oder mitgetragen wird.

Technische Hilfsmittel, wie Laptop oder Beamer, haben durchaus Berechtigung und können zu Beginn des Workshops für die kurze Schilderung von Sachverhalten oder der Ableitung der Workshop-Motivation herangezogen werden. Sie sollten aber für den weiteren Verlauf des Workshops tunlichst wieder in der Tasche verschwinden (siehe Abbildung 4).

Hierzer, Abb.4

Abb. 4: Medien und Technik im Workshop

Eine starre Agenda ist meistens im Weg

Es ist nicht immer von Vorteil, einem zu strammen Workshop-Fahrplan (Agenda, Zielsetzungen) zu folgen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein zu starres Konzept die Teilnehmer gelegentlich einengt und den Lösungsprozess behindern kann. In solchen Fällen sollten Sie in der Lage sein, flexibel reagieren zu können und Ihre Planung auch mal beiseiteschieben. Die Teilnehmer und Workshop-Ergebnisse werden es Ihnen danken.

Zielarbeit: Mit dem Zielkorridor auf Kurs bleiben

Die Formulierung von Zielen stellt nicht nur für Prozess-Workshops, sondern generell für jede Art Workshop eine Herausforderung dar. Zielformulierungen neigen oft zu einem von zwei Extremen. Ich staune immer wieder über die Bereitschaft von Organisationen, sich mit vage formulierten Zielsetzungen in Workshop-Situationen zu begeben. Einfach mal „ins Blaue“ zu reisen, zeugt zwar von einer gewissen Unternehmungslust, führt aber in den seltensten Fällen zu belastbaren Ergebnissen. Ich nenne diese Gattung von Zielen auch gerne „Nebel-Ziele“, da sie ähnlich wie ein Nebel undurchsichtig und nicht greifbar sind. Das andere Extrem bilden für mich Zielvorgaben, die unrealistisch und nicht erreichbar sind. Diese „Wolken-Ziele“ ziehen majestätisch weit über uns ihre Kreise, wunderschön, doch unerreichbar.

Da ein Workshop auch immer eine gewisse nicht planbare Dynamik entwickelt, ist es von Vorteil, mit einem Zielkorridor zu arbeiten, der die Bandbreite der erzielbaren und akzeptablen Ergebnisse definiert. Dabei fragen Sie zuerst nach den erreichbaren Maximalzielen. Diese definieren die Ideallösung und beschreiben die bei optimalem Workshop-Verlauf zugänglichen Ergebnisse. Gleichermaßen stellen Sie die Frage nach den Minimalzielen, deren Ergebnisse gerade noch die Fortführung der Prozessanalyse gestatten. Minimal- und Maximalziele geben den Zielkorridor vor, der eine gewisse Flexibilität einräumt, auf Unvorhergesehenes (zum Beispiel etwas läuft schief, einige Teilnehmer pflegen Animositäten etc.) und Ungeplantes (zum Beispiel Prozessarbeit nimmt mehr Zeit in Anspruch etc.) zu reagieren.

Für die typische Analysearbeit im Rahmen einer Reihe aufeinander aufbauender Prozess-Workshops liefert Abbildung 5 beispielhaft mögliche Maximal- und Minimalziele, die auch als „Blueprint“ für die meisten Prozess-Workshops gut geeignet sind.

Hierzer, Abb.5

Abb. 5: Prozess-Workshop und Zielkorridor (typische Zielsetzungen)

 

Es empfiehlt sich, in Vorgesprächen mit den Teilnehmern gemeinsam an den Zielsetzungen zu arbeiten. Das verhindert böse Überraschungen im Workshop (wie zum Beispiel „Dass das nicht funktioniert, hätte ich ihnen schon vorher sagen können …“) und bereitet die Teilnehmer auf das vor, was sie im Workshop erwartet. Schließlich sollten die – für einen produktiven Workshop – gesteckten Ziele von allen Teilnehmern akzeptiert werden.

Mit freundlicher Genehmigung der Haufe Group.

 

 

Rupert Hierzer: Prozessoptimierung 4.0. Den digitalen Wandel als Chance nutzen

ISBN 978-3-648-09519-5 (254 Seiten gebunden) / 978-3-648-09521-8 (PDF-E-Book)

EUR 39,95 (gebunden) / 35,99 (E-Book)

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