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Wege über »Word« hinaus: Online-Editoren fürs Lektorat

Michael Lemster ist buchreport-Autor und betreut als Fachredakteur auch die buchreport.de-Channel. © Fotostudio-Wessely

An der Zusammenarbeit zwischen Autoren und ihren Verlagen hat sich in den vergangenen 30 Jahren wenig geändert. E-Mails, Exposés und Manuskripte im Word-Format, Pressemappen und Honorarabrechnungen als PDFs markieren eine Schmalspur-Digitalisierung, mit der Briefe und Papierstapel ersetzt wurden. Aber es wimmelt nach wie vor von Medienbrüchen, die Zeit rauben und Qualitätsrisiken bringen.

Autoren und Lektorate: Gutenberg 1.1

Das Autorenmanuskript darf als der edelste „Rohstoff“ im Verlag gelten. Bis in die 90er- Jahre lieferten Autoren und Übersetzer Papier, und selbst wenn heute die Manuskripte am Computer entstehen, wird oft auf Papier redigiert, Rückläufe und Freigaben erfolgen auf Papier. Der Redakteur arbeitet akzeptierte Korrekturen für den Satz ins digitale Word-Manuskript ein. Diese Korrekturen werden in der nächsten Bearbeitungsstufe zusammen mit eventuellen Schreibfehlern kontrolliert, gleichzeitig weitere inhaltliche Korrekturwünsche angebracht – eine fehlerträchtige, zeitaufwendige und bisweilen nervenaufreibende Prozedur.
Parallel läuft neben dem eigentlichen Text eine Qualitätssicherung. Der Autor erklärt, welche Überlegungen hinter der Gliederung stehen, warum der Text an dieser oder jener Stelle genau so lauten muss und warum er ein bestimmtes Faktum exakt so bewertet. Diese Diskussion generiert zusätzliche Dokumente, Gesprächs- und Telefonprotokolle und E-Mails. Bei der Textbearbeitung muss sie immer mitbeachtet werden – eine weitere, reichhaltige Fehlerquelle.
Dieser sich hinziehende Ablauf scheint nicht weiter schlimm für einen Verlag, der schon aus Marketinggründen in Halbjahresprogrammen denkt. Aber er ist zu langsam für Themen, die heute schneller durch die Öffentlichkeit gejagt werden und auch zu langsam für manchen Autor, wie die Selfpublishing-Szene zeigt.

Digitalisierung in der Nische

Selfpublishing und Communitys ermöglichen das, was viele Autoren sich seit jeher wünschen: sofortige Veröffentlichung ihrer Werke und massenhaftes Leser-Feedback.Verlagsferne Autorenplattformen gehen darauf ein, die Digitalisierung ihrer Schnittstellen zu den Autoren ist durchgängig. Manuskripte werden hochgeladen, über Datenqualität, Bearbeitungsstand, Verfügbarkeit im Handel, Absatz und Leser-Feedback wird automatisiert informiert.
Verlage, etwa Droemers Ableger Neobooks, sind auf diesen Zug aufgesprungen. In der Nische hat die Digitalisierung der klassischen Lektoratsarbeit demnach begonnen, aber ist das nicht zu kurz gesprungen? Erwarten nicht auch etablierte, verlagsaffine Autoren heute mehr als endlos hin- und hergemailte Word-Dokumente und handschriftliche Notizen?

Online gemeinsam Dokumente schreiben, überarbeiten und produzieren ist mit Tools wie Smashdocs möglich ©Smashdocs

Der »interaktive« Autor

Wenn Verlage auf die herkömmliche Arbeitsweise ihrer Autoren verweisen, unterschätzen sie vermutlich die „Digitalität“ vieler Autoren. Die jüngeren kennen ohnehin Komfort und Transparenz digitaler Zusammenarbeit und nutzen die vorhandenen Tools.
Aber auch für Verlagsprofis ist offensichtlich, dass simple Textverarbeitung allein unzureichend ist – zumal dann, wenn digitale Vermarktungsformen neben das klassische Vorstufenprodukt treten. Besonders in der Fachinformation versuchen Verlage, ihre Autoren über vorgegebene Formatvorlagen zum strukturierten Arbeiten mit Word zu „erziehen“, um die Erstellung saubere XMLs zu erleichtern. Die wenigsten Verlage machen damit uneingeschränkt gute Erfahrungen, denn Formatvorlagen überfordern viele Autoren.
Wäre da eine kollaborative Alternative nicht besser? Die Software-Industrie bietet solche Lösungen an, von „Word online“ über Google Docs bis zu Anwendungen wie Smashdocs oder Flowbooks. An der Technik fehlt es nicht, aber vielleicht an der Erkenntnis, dass sich Verlage im allseitigen Interesse von Manufakturen zu Industriebetrieben entwickeln müssen. Dass sich etwas ändern muss an der Art, wie Texte verarbeitet werden. Dass Medienbrüche Zeit, Qualität und Nerven kosten.

Mut zur Online-Kollaboration

Einer der Verlage, die auf Online-Textverarbeitung setzen, ist der juristische Fachverlag C.H. Beck. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, Hunderte von Autoren laufend aktualisierter Werke davon zu überzeugen, auf ein Texteingabe-Frontend umzusteigen. Harald Gehring, Leiter des Bereiches elektronische Medien der Druckerei C.H.Beck, hat mit seinem Team viele Autoren, durchweg erfahrene Juristen, zum Umstieg auf Flowbooks bewegt.
Flowbooks ist ein Online-Editor, der mehreren Autoren Zugriff aufs gleiche Dokument gewährt. Ein granulares Rechtemanagement erlaubt, dass alle nachschlagen und lesen, aber nur Berechtigte ihre Einträge auch ändern können. Das System unterstützt bei Zitierung und Verschlagwortung und generiert valides XML.
Auch Gehring hört von Lektoren- und Autorenseite einige Argumente, warum „es nur mit Word geht“:
  • Internet ist nicht überall verfügbar, zugespitzt im Paradebeispiel des Autors auf der Berghütte, der ungestört arbeiten möchte.
  • Der Autor kann nur mit Word schreiben und kreativ sein, anderes kann man ihm nicht zumuten.
  • Dass die Daten im Internet liegen, ist manchem suspekt, für den sich Cloud auf „geklaut“ reimt.
  • Struktur nach der kreativen Phase
Vorbehalte und Gewohnheiten sind gar kein Hinderungsgrund: Der Autor kann gern in Word erfinden und schreiben, stellt Software-Anbieter Christian Marchsreiter von Smashdocs klar. Denn Smashdocs erlaubt wie Flowbooks den verlustfreien Import von Manuskripten aus Word. Nur: Danach sollte es online und kollaborativ weitergehen, um schnell, sauber und kostengünstig zur fertigen Druckvorlage und zu XML zu kommen.
Und dabei entfaltet Online-Kollaboration ihre ganze Macht:
  • Online-Editoren verführen Autoren nicht zu untauglichen Versuchen, ihre Manuskripte „schön“ zu layouten. Die wenigsten Autoren ahnen nämlich, dass ihre eingebrachten Auszeichnungen und Tabellenformatierungen in der Satzvorbereitung mühevoll plattgemacht und anschließend komplett und professionell neu gesetzt werden.
  • Gleichzeitige statt sequenzielle Arbeit am Text macht den Durchlauf schneller und reduziert Fehler.
  • Kommentierungen können eingebracht werden, ohne das Dokument selbst verändern zu müssen. Smashdocs erlaubt es sogar, die Sichtbarkeit von Kommentierungen selektiv zu steuern, also sich auch vertraulich im Dokument auszutauschen. So muss niemand auf E-Mails oder Telefon ausweichen, was einen Medienbruch und parallele Dokumente bedeutet. Die automatische Hervorhebung neuer Vorschläge und Kommentierungen anderer spart Zeit und Nerven.
  • Mehrere Autoren können jeweils das Ganze im Blick behalten und gemeinsam steuern. Das vereinfacht auch Sammelwerke, denn der Herausgeber hat statt X Versionen von X Beiträgen nur noch eine aktuelle Version des gesamten Textes vor sich. Vorversionen sind per Klick aufrufbar.
  • Online-Editoren erlauben es, Berechtigungen an den Ablauf des Projektes anzupassen.
Online-Editoren „stören“ also den kreativen Prozess keineswegs, denn sie müssen erst ins Spiel kommen, wenn der Autor den Bogen bereits geschlagen hat und es darum geht, möglichst effektiv und konzentriert dessen Ideen in eine inhaltlich überzeugende und technisch hochwertige Produktionsvorlage umzusetzen.

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