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Das Ringen des Benedict Wells mit dem E-Book

Das neue Buch von Benedict Wells, die Anthologie „Die Wahrheiten über das Lügen“ (Diogenes, 22 Euro) steht auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Es erscheint wie seine bisherigen Bücher nicht im E-Book-Format. Der Autor (Jahrgang 1984) fremdelt mit dem Digitalformat, nennt aber vor allem seine Verbundenheit mit dem unabhängigen stationären Buchhandel als Motiv, seine Werke bisher nur in gedruckter Form zu publizieren. „Die Plattenläden aus meiner Teenagerzeit waren damals fast alle verschwunden, falls den Buchhandlungen irgendwann das gleiche Schicksal bevorstand, wollte ich wenigstens nicht selbst ,mitmachen‘“, blickt Wells gut 10 Jahre auf die Zeit des E-Book-Hypes zurück.

Während Benedict Wells für neue Bücher am exklusiven Druckformat festhält, hat er das Digital-Embargo für ältere Titel jetzt aufgehoben. Ab dem 26. September kommt die Taschenbuch-Ausgabe seines Bestseller-Romans „Vom Ende der Einsamkeit“ (13 Euro) in den Handel und parallel auch in elektronischer Form (10,99 Euro). Seine älteren Titel werden also als E-Book erhältlich.

Sein Verlag Diogenes hat zu den Publikationsüberlegungen und dem Sinneswandel ein Interview mit dem Autor geführt:

 

Benedict Wells (Foto: Bogenberger / autorenfotos)

Benedict Wells, auch „Die Wahrheit über das Lügen“ wird, wie all Ihre Titel zuvor, nur als Hardcoverausgabe bzw. als Hörbuch, nicht aber als E-Book, erhältlich sein. Was sind hierfür Ihre Beweggründe?

Benedict Wells: Es ist ein Statement für den stationären, unabhängigen Buchhandel. Man kauft ein E-Book einfach so gut wie nie dort, sondern bequem im Netz. Aber das hat eben auch Auswirkungen. Ich habe auf Lesereise so viele enthusiastische und kompetent geführte Buchhandlungen kennengelernt, und doch mussten immer wieder einige von ihnen schließen. Die Vielfalt, die wir momentan noch haben, ist bedroht, überspitzt gesagt gibt es vielleicht irgendwann nur noch riesige, konzerngesteuerte Ketten und Online-Algorithmen. Es bringt aber nichts, darüber zu jammern und dann trotzdem seine Bücher im Netz zu kaufen.

Bisher kamen Ihre Bücher deshalb gar nicht als E-Book, doch nun gibt es eine kleine Neuerung: Ab dem Erscheinen der Taschenbuchausgabe „Vom Ende der Einsamkeit“ am 26.9.2018 sind nun rückwirkend alle Ihre Taschen- und Hörbücher auch elektronisch erhältlich. Wieso haben Sie hier Ihre Haltung gelockert?

Benedict Wells: Dazu muss ich ausholen. Als ich 2007 zum Verlag kam, bestand ich auf dieser Anti-E-Book-Klausel. Die Plattenläden aus meiner Teenagerzeit waren damals fast alle verschwunden, falls den Buchhandlungen irgendwann das gleiche Schicksal bevorstand, wollte ich wenigstens nicht selbst „mitmachen“. So die grobe Grundidee meines jüngeren Ichs. Mal ganz davon abgesehen, dass ein gedrucktes Buch oft etwas Persönliches und Einzigartiges ist, mit einer im besten Fall eigenen Geschichte und dazu unzensierbar. Ein E-Book dagegen ist immer nur eine Datei.

Der Verlag sagte mir, ich würde auf einen Haufen Geld verzichten, wenn ich nicht parallel zum Hardcover zusätzlich auch die E-Book-Version anbieten würde. Doch das war es mir wert.

Als ich damals also entschied, dass es nur gedruckte Bücher geben soll, war ich 23 und dachte, ich reihe mich damit in eine große Schar störrischer und zumeist älterer Autoren ein, vielleicht irgendwo hinten in der Ecke. Dann stellte ich fest, dass ich quasi allein war. Ich war umso entschlossener, diese Haltung komplett durchzuziehen. Auch dann noch, als vor zwei Jahren „Vom Ende der Einsamkeit“ unerwartet gut lief und der Verlag mir sagte, ich würde auf einen Haufen Geld verzichten, wenn ich nicht parallel zum Hardcover zusätzlich auch die E-Book-Version anbieten würde. Doch das war es mir wert, und deshalb blieb es bei der gedruckten Variante.

Andererseits kamen später auf den Lesereisen immer wieder Leute zu mir und sagten, dass ihre Eltern oder Großeltern das Buch nicht lesen könnten, da die Schrift zu klein sei oder dass sie es gern mit in den Urlaub nehmen würden, es aber in der gedruckten Form zu schwer wäre. Auch auf meiner Facebook-Seite schrieben mir viele aus diesem Grund. Und anders als befürchtet, haben die E-Books in all den Jahren nicht den Markt erobert, sondern stagnieren friedlich bei rund 8% – wobei einige Menschen jedoch nur elektronisch lesen.

Das jeweils aktuelle Hardcover, an dem alle am meisten verdienen und das am wichtigsten ist, gibt es weiterhin nur gedruckt.

Und so stand ich vor der Frage, wie ich niemanden mehr ausschließen und trotzdem auch in Zukunft das Statement für den Buchhandel setzen kann. Deshalb nun dieser Kompromiss: Das jeweils aktuelle Hardcover, an dem alle am meisten verdienen und das am wichtigsten ist, gibt es weiterhin nur gedruckt. Doch wenn dann ein, zwei Jahre später das Taschenbuch kommt, erscheint nun nebenher immer auch das E-Book, so dass niemand mehr ausgeschlossen ist.

 

Benedict Wells wurde 1984 in München geboren. Nach dem Abitur zog er nach Berlin und widmete sich dem Schreiben, seinen Lebensunterhalt bestritt er mit diversen Nebenjobs. Sein vierter Roman „Vom Ende der Einsamkeit“ stand mehr als eineinhalb Jahre auf der SPIEGEL-Bestsellerliste, er wurde u.a. mit dem European Union Prize for Literature 2016 ausgezeichnet und bislang in 27 Sprachen übersetzt. Benedict Wells lebt in Berlin und Bayern.

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