buchreport

Mehr Wertschätzung für den Nachwuchs

Am kommenden Wochenende tauschen sich die Mitglieder des Nachwuchsnetzwerks Junge Verlagsmenschen im Rahmen ihres Jahrestreffens über ihre beruflichen Sorgen und Perspektiven aus. Anknüpfend an die aktuelle Mitgliederumfrage von buchreport sprechen die Vereinsmitglieder Paul Gilius, Katharina Herzberger und Lisa Ebelt im Interview über den Reiz der Verlagsbranche, die Arbeitsbedingungen von Berufseinsteigern und den Leserschwund.

Die drei schildern ihre Branchenerfahrungen dabei nicht nur aus der Einsteigerperspektive, sondern auch mit unterschiedlichem Hintergrund: Gilius ist Cross-Media-Hersteller bei Pagina, Herzberger arbeitet als Author Relations Managerin im Selfpublishing-Team von Tolino Media und Ebelt ist Lektoratsassistentin bei Edel Books.

 

Was macht die Buchbranche für Berufseinsteiger so spannend?

Gilius: Die Buchbranche ist vermutlich ebenso vielseitig wie die meisten anderen Branchen auch. Bei uns ist das Besondere, dass wir tolle Produkte und Inhalte vertreiben, die eine Relevanz für die Kultur und Gesellschaft haben. Wir vertreiben keine 1-Euro-Waren für den schnellen Gebrauch, sondern Produkte, die auch einen ideellen Gewinn bringen.

Lisa Ebelt (Foto: Maximilian von Lachner)

Ebelt: Diese Sinnhaftigkeit unserer Produkte sorgt für das große Engagement und die Zufriedenheit der Mitarbeiter. Alle, die ich in der Verlagsbranche kennenlerne, sind begeistert von der Branche und ihren Jobs, weil nun einmal am Ende das tolle Produkt Buch und seine Verwertung stehen. Dafür ziehen alle an einem Strang.

Wie attraktiv sind Buchverlage als Arbeitgeber?

Herzberger: Es sind meist idealistische Gründe, die einen in die Verlagsbranche ziehen. Man weiß vorher, dass man nicht so viel Geld verdienen wird, dass es stressig wird und man viel zu tun hat, aber das nimmt man in Kauf, weil die Arbeit Spaß macht. Das liegt auch am Arbeitsklima. In der Buchbranche habe ich es bisher in allen Unternehmen als sehr angenehm empfunden, weil man in einer Abteilung mit Leuten arbeitet, die von dem begeistert sind, was sie tun, was sie herstellen, was sie vermarkten. Das macht die Verlagswelt so attraktiv.

Gilius: Trotzdem hängt natürlich viel vom einzelnen Betrieb ab. Die Verlage sind ja nicht alle gleich. Ich habe zum Beispiel schon ein paar Lektoren getroffen, die bewusst von einem großen zu einem kleinen Verlag gewechselt sind, weil ihnen die Buchproduktion im großen Verlag sozusagen zu „industriell“ war. Das Schöne an der Branche ist, dass es für jeden etwas gibt: die kleinen Verlage, in denen mit Leidenschaft tolle Bücher gemacht werden, und die großen Betriebe, in denen es wie in einem Konzern läuft und wo man auch als motivierter Controller einsteigen und seinen Beitrag an relevanten Produkten leisten kann.

„Eine Branche, deren Geschäftsmodell darauf beruht, dass man Nachwuchskräfte findet, die schon alles können, aber schlecht bezahlt werden, finde ich suspekt. Die Verlage sollten aufpassen, nicht in dieser Schublade zu landen.”
Paul Gilius

Kann der Branchennachwuchs mit den Arbeitsbedingungen zufrieden sein?

Ebelt: Was die Themen Gehalt und Festanstellung angeht, müssen sich noch einige Standards durchsetzen. Die JVM setzen sich beispielsweise mit unserem Gütesiegel für Volontariate für eine bessere Bezahlung und höhere Qualität von Volontariaten ein. Wir sind der Meinung, dass man dem begeisterten Nachwuchs auch die entsprechende Wertschätzung zeigen muss.

Gilius: Man kann nicht zu seinen Angestellten sagen: Wir können Ihnen leider nicht mehr zahlen, weil wir schlecht kalkulieren. Eine Branche, deren Geschäftsmodell darauf beruht, dass man Nachwuchskräfte findet, die schon alles können, aber schlecht bezahlt werden, finde ich suspekt. Die Verlage sollten aufpassen, nicht in dieser Schublade zu landen.

Wie IT-kundig müssen Brancheneinsteiger heute sein?

Herzberger: Viele Unternehmen wünschen sich mehr digitale Kompetenz im eigenen Haus. Das kann eine gute Möglichkeit für den Branchennachwuchs sein, ohne gleich Experte in diesen Bereichen sein zu müssen. Allein durch ihre alltägliche Mediennutzung sind die heutigen Berufseinsteiger meist schon in der Lage, beispielsweise einen Instagram-Channel zu bespielen.

Gilius: Die Branche ist so strukturiert, dass man im technisch-digitalen Bereich sehr vieles neu machen und verbessern kann. Das ist für den Nachwuchs reizvoll und ein großer Pluspunkt. Wer bei einem richtigen Digital-Start-up anfangen will, muss dagegen in diesem Bereich enorm viel spezialisiertes Wissen mitbringen. Das ist in Verlagen anders – da kann man schon mit wenig digitalem Know-how viel bewirken. Natürlich freuen sich die Verlage aber über alle Kenntnisse, die man über das digitale Standard-Rüstzeug hinaus mitbringt, vor allem in der Herstellung. Denn wenn die Verlage keine digitalaffinen Leute ins Unternehmen holen, werden sie viele Leistungen auf lange Sicht einkaufen müssen. Das ist ein Problem, denn die Dienstleister haben zwar die besseren Programmierer, Setzer und weitere Spezialisten, aber es entsteht ein großer Kommunikationsaufwand: Wenn man einen Programmierer und einen Lektor zusammensetzt, sprechen die zwei verschiedene Sprachen – der eine redet über Inhalte, der andere über Strukturen. Als Verlagsnachwuchs muss man in beide Richtungen denken können. Und wenn man selbst irgendwo Lücken hat, muss man wissen, wen man um Rat oder Hilfe bittet. Das ist einer unserer großen Vorteile als Junge Verlagsmenschen, denn wir bringen, wenn wir uns früh genug ins unserer Ausbildung darum kümmern, das nötige Spezialisten-Netzwerk mit.

„Viele Verlage ruhen sich darauf aus, dass sie E-Books herausgeben. Damit ist das Thema Digitalisierung für sie abgeschlossen.”
Lisa Ebelt 

Seid Ihr zufrieden damit, wie die Verlage mit dem E-Book umgehen?

Katharina Herzberger (Foto: privat)

Herzberger: Nur vereinzelt. Das ist die Kehrseite von unserer idealistischen Branche und dem Kreisen um schöne Bücher, tolle Themen und wichtige Inhalte – das hat alles einen fast nostalgischen Charme. Ich habe den Eindruck, daran wollen viele einfach festhalten und sind Änderungen gegenüber nicht aufgeschlossen. In ein bis zwei Generationen mag sich das ändern, aber noch ist man mit seinem Status quo soweit zufrieden, zumal sich die Bücher ja immer noch ganz ordentlich verkaufen und auch jüngere Leute immer noch in die Branche drängen.

Ebelt: Viele Verlage ruhen sich darauf aus, dass sie E-Books herausgeben. Damit ist das Thema Digitalisierung für sie abgeschlossen. Dabei gibt es so viele Möglichkeiten, denen sich diese Verlage einfach verschließen.

Gilius: Es wäre so viel mehr möglich, wenn die allgemeinen technischen Standards verbessert würden. Leider werden diese Standards meiner Meinung nach wenig von der Branche selbst mitgetragen. Bisher muss noch viel händisch umgesetzt und auf die verschiedenen Ausgabemedien angepasst werden. Aber selbst bei den gegebenen Möglichkeiten sind Verlage leider nur im Einzelfall wirklich innovativ. Der wichtigste Schritt ist, die eigenen Daten erst einmal medienneutral aufzubereiten. Dieses Thema sind Verlage zum Glück schon aktiv und stark angegangen. Darauf kann die Branche aufbauen und sich verbessern.

Ist die Digitalisierung des Lesens die Kernherausforderung für die Verlage?

Ebelt: Ich denke schon. Wenn sich das ganze gesellschaftliche Leben immer mehr digitalisiert, sollten die Verlage mit dabei sein. Viele Menschen wollen ja offenbar noch lesen, aber wir erreichen sie nicht mit unseren Büchern, weil sie von digitalen Medien abgelenkt sind. Folglich müssen wir das Buch auf anderem Wege als dem rein physischen Produkt zu ihnen bringen.

Herzberger: Wenn es die physische Version gerade nicht mehr schafft, die Leser zu erreichen, wie müssen wir das Produkt dann womöglich umdenken? Viele Leute, auch junge, lesen immer noch gerne Print-Bücher. Kann man ihnen denn gar keine neuen Services, keine Innovation bieten? Ich habe den Eindruck, den Verlagen fehlt es an Ideen, wie man Leser zusammenbringen und zum Lesen motivieren kann.

„Einer der Gründe für den Leserschwund ist die Einsamkeit des Lesens.”
Katharina Herzberger

Wie beobachtet Ihr das eigene Leseverhalten und das in eurem Umfeld? Schauen auch die Jungen Verlagsmenschen lieber Netflix als Bücher zu lesen?

Ebelt: Wenn ich mit Freunden und Bekannten darüber rede, stimmen sie alle zu, dass man im Alltag immer weniger Zeit mit Büchern verbringt. Wenn das Smartphone plingt, reagieren wir – ein Buch kann nicht auf diese Art Aufmerksamkeit einfordern. Hinzu kommt, dass Lesen als geistiger Akt anstrengender ist als das Ansehen irgendeiner TV-Serie, wenn abends die Konzentration nachlässt.

Herzberger: Ich habe den Eindruck, dass Lesen mehr zum Lifestyle wird. Man liest zwar weniger, aber dafür wird die Lektüre jetzt zelebriert. Durch Plattformen wie Instagram wird Lesen etwas Gemeinschaftliches. Das ist wichtig, denn ich glaube, einer der Gründe für den Leserschwund ist die Einsamkeit des Lesens. Online lässt sich über die eigene Lektüre kommunizieren, wodurch sie interaktiv wird und noch auf einer anderen Ebene Spaß macht. Ich glaube, aktuell wollen sich weniger Leute durchs Lesen einigeln und stattdessen mehr Leute das Lesen als soziales Hobby erleben.

Gilius: Das glaube ich auch. Viele Leute lesen nicht etwa deshalb weniger, weil sie es nicht mehr mögen, sondern weil sie sich dafür bewusst abgrenzen müssten. Der anschließende Austausch über eine Community könnte ein Anreiz sein, auch mal einen Abend allein mit einem Buch zu verbringen. Wir als Branche müssen vermitteln, dass es nicht uncool ist, auch mal allein zu sein, sondern sinnvoll, weil man durch die einsame Lektüre viel besser Inhalte aufnehmen und sich danach qualifizierter und emotionaler darüber austauschen kann als wenn man Texte nur häppchenweise aufnimmt.

Wie steht es um das Selfpublishing? Hat das seinen besonderen Reiz?

Herzberger: Das Interessante an Selfpublishern ist, dass sie so lesernah sind. Sie müssen alles selbst machen, eine Marketingpräsenz aufbauen und den direkten Kontakt zu den Lesern pflegen. Weil sie selbst für ihre Reichweite sorgen, sind sie nicht darauf angewiesen, dass eine Zeitung über sie berichtet oder der Verlag eine Anzeige schaltet.

Paul Gilius (Foto: privat)

Gilius: Ein Mehrwert für Leser ist, dass sie über Plattformen wie Wattpad am Schreibprozess Anteil haben und auf die Geschichte Einfluss nehmen können. Die Autoren sind von Anfang an näher dran und beziehen ihr Publikum ein.

Welcher Mehrwert bleibt den Verlagen in Zukunft?

Gilius: Verlage haben insbesondere Erfahrung mit Rechtemanagement, verfügen über die besten Vertriebsstrukturen und Marketingkenntnisse in der Branche. Das ist eine gute Basis, um sich zu ganzheitlichen Medienunternehmen zu entwickeln.

Ebelt: Der Verlag vereint schlichtweg alle Kompetenzen, damit das bestmögliche Produkt herauskommt.

Und welche Bedeutung hat der Buchhandel?

Ebelt: Natürlich kann ich mir bei Amazon hunderte von Rezensionen zu irgendwelchen Büchern durchlesen, aber die muss ich mir alle irgendwie selbst heraussuchen. Wenn der belesene Buchhändler auf Anhieb einschätzen kann, was mir womöglich gefällt, dann ist diese persönliche Empfehlung ein großer Mehrwert.

Herzberger: Mir sind die Empfehlungen nicht so wichtig, weil ich über Buchblogger und Booktuber so viele Anregungen bekomme, dass ich keine weiteren Lektüretipps brauche. Viel wichtiger sind mir der Wohlfühlcharakter und vor allem das Veranstaltungsangebot von Buchhandlungen. Wenn ein tolles Programm angeboten wird, gehe ich gern in eine Buchhandlung und kaufe dann auch direkt noch ein paar Bücher.

Zum Abschluss: Wie schätzt Ihr die Bedeutung der Preisbindung ein?

Herzberger: Mich treibt die Sorge um die Buchpreisbindung tatsächlich um, obwohl ich in meinem Berufsalltag kaum etwas damit zu tun habe. Die Preisbindung ist unfassbar wichtig, um diverse Akteure in der Branche zu schützen. Ohne sie würden sicherlich viele Buchhandlungen verschwinden.

Gilius: Die Preisbindung sichert die Diversität. Ohne Preisbindung könnten sich viele Verlage gewisse Projekte gar nicht leisten. Aufwendige, langwierige und teure Produktionen setzt ein Verlag nur um, wenn er weiß, dass das Buch nicht sofort verramscht wird, sondern langfristig auch einen finanziellen Wert hat. Würde die Buchpreisbindung abgeschafft, dann würde für die Verlage gelten: Nur was die Masse kauft, hat einen Wert. Diesen Gedanken bewerte ich sehr kritisch.

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