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»Karriere verkehrt«: Vom Manager zum Mitarbeiter

Karriere-Downshifting: riskant für Führungskraft und Organisation. Foto: Unsplash.

Karriere-Downshifting: Wenn Manager zu Mitarbeitern werden. Foto: Unsplash.

Die Beförderung von der Fach- zur Führungskraft ist der einzige Weg, mehr Einfluss, Prestige und Gehalt zu gewinnen. Er hat seinen Preis – aber was ist, wenn Sie zu spät feststellen, dass dieser Preis zu hoch war?

Auch viele erfahrene Führungskräfte kennen diesen Wunsch: kürzertreten, wieder mehr das machen, weswegen man vor Jahrzehnten seinen Beruf gewählt hat, keine Politik mehr, keine Hahnenkämpfe in hochkarätig besetzten Gremien. In unserer ausgeprägten „Up or out“-Arbeitskultur ist Karriere-Downshifting ein Tabu. Zu tief eingeprägt ist das Bild von der Managerpersönlichkeit, die mit Leib und Seele führt und grenzenlos belastbar ist. Ein Imageverlust erscheint da als Großrisiko. Der Führungs- und Fachkräftemangel erhöht den Druck, „einfach“ weiterzumachen und -zuleiden.

Zwei Partner der Organisationsberatung Raum Für Führung mit fünf Standorten in Deutschland, machten selbst die Erfahrung des Karriere-Downshifting. In einer zweiteiligen Serie im HR-Channel von buchreport.de schildern sie sie – Bernd Domrowe aus der persönlichen Perspektive des „Downshifters“, Klaus Leeder aus der Sicht der Organisation. Denn auch die Organisation muss sich anpassen und den Wandel begleiten und kommunizieren.


Organisationsberater Bernd Domrowe. Foto: Raum Für Führung.

Organisationsberater Bernd Domrowe. Foto: Raum Für Führung.

Zum Ende 2016 wurde er vollzogen: mein Wechsel vom geschäftsführenden Gesellschafter der Raum Für Führung GmbH in den neuen Status „mitarbeitender Gesellschafter“ und Senior Partner. Dieser Veränderungsprozess vollzog sich in vier Etappen. Die ganze Geschichte möchte ich Ihnen aus persönlicher Sicht in diesem Blogbeitrag schildern. Was diese Veränderung für unser Unternehmen bedeutet hat und wie die Kollegen damit umgegangen sind, erfahren Sie im nächsten Blogpost von Klaus Leeder. 

Was mir in meiner beratenden Rolle in vielen Situationen bisher begegnete, waren letztendlich auch die Auslöser und Katalysatoren für meinen eigenen Veränderungsprozess. Es kam alles zusammen: die Vielzahl der Themen, die Komplexität, echte oder selbstgemachte Anforderungen und Erwartungen, eigene Glaubenssätze und Antreiber mit einer (scheinbar) nicht mehr übersehbaren Menge an Arbeit.

Viele kennen die Situation: Berufliches Engagement absorbiert alle Lebenszeit – Unterbrechungen und Erholungen sind (selbst verordnet) nicht mehr zulässig. Die mir so wichtige Autonomie und Selbstführung wird ersetzt durch das Motto „Augen zu und durch“.

Etappe 1: Das Bewusstsein musste reifen

Aufhören und Verändern schien bislang unmöglich zu sein. Der Gedanke „dann ist Arbeiten bis zur Selbstaufgabe halt die Bestimmung“ schloss Alternativen aus.

Daraus entstand eine sich zuspitzende Belastung, in der ich zu selten die Fragen gestellt habe: Wo führt das eigentlich hin und: Tue ich eigentlich die richtigen Dinge – oder tue ich die Dinge richtig? Auch die Frage nach der eigenen Belastbarkeit mit zunehmendem Alter sowie dem sich unvermeidlich einstellenden Blick auf die letzte Wegstrecke des beruflichen Lebens war unvermeidlich.

Zufall oder nicht: In dieser Phase zunehmender, bedrückender Belastung begann ich eine Fortbildung, die sich intensiv mit Fragen der achtsamen Selbstführung auseinandersetzte und ich fand Gesprächspartner, mit denen ich in aller Offenheit meine Betroffenheit besprechen konnte.

Personalkonzepte für die Zukunft

Mehr zum Thema Personalmanagement und -führung lesen Sie im HR-Channel von buchreport und Channel-Partner Bommersheim Consulting. Hier mehr…

Mir wurde bewusst, dass der vor mir liegende Weg in zwei Richtungen führen kann: Einer davon würde direkt in die Sackgasse führen, an deren Ende ein fremdbestimmtes STOPP mit Ausrufezeichen steht.

Durch Erfahrungen, auch im eigenen Unternehmen, habe ich eine konkrete Vorstellung, was es heißt, wenn der Organismus der Arbeitsbelastung ein Ende setzt. Mir wurde deutlich, dass das nicht mein Weg sein kann.

In dieser Phase zunehmender Selbst-Sensibilisierung waren mir drei Dinge sehr hilfreich:

  • das bewusste Wahrnehmen und Akzeptieren der eigenen Intuition
  • Zeit und Raum für Innehalten und Sortieren
  • Reflektion und Austausch mit mir vertrauten Menschen.

Etappe 2: Die Entscheidung treffen

Der andere Weg hatte eine attraktive Perspektive: das „Einfach-weiter-so“ wird beendet. Doch das erforderte zunächst  m e i n e  Entscheidung. Nicht mehr und nicht weniger.

Die Alternative bedeutet mehr Fokussierung auf mich selbst und die Konzentration auf Themen, die mir Freude bereiten. Im Umkehrschluss heißt das jedoch auch Priorisieren („ich muss nicht mehr alles machen“) und damit Loslassen und Themen aufgeben. Die Auseinandersetzung mit dieser Frage brachte einige Erkenntnisse zu Tage.

Zunehmend stellte ich mir die Frage nach der eigenen Glaubwürdigkeit. Bei aller Wahrheit des Spruches vom Schuster mit den schlechtesten Leisten: da spreche ich mit Menschen über deren Balance, Grenzen der Belastbarkeit und den ausgewogenen Umgang mit den eigenen Ressourcen, freue mich über deren Fortschritte und verliere völlig den Blick auf die eigene Balance aus den Augen.

Umgekehrt wird eher ein Schuh draus. Gerade aus der eigenen Betroffenheit und dem entschiedenen Umgang damit entsteht Glaubwürdigkeit in der Beratung in diesen Themen.

Eine zweite zentrale Erkenntnis stellte sich ein. Ich beantwortete mir (endlich) die Frage, was mir in meinen beruflichen Aktivitäten wirklich bedeutsam ist und worauf ich auch getrost verzichten kann.

Ich stellte zunächst selbst und dann im engen, vertrauensvollen Austausch mit meinen Geschäftsführerkollegen Aufgabenpakete zur Diskussion und Disposition. Themen im Rahmen der eigentlichen Aufgabe der Unternehmens- und Geschäftssteuerung haben mich gut 8 Jahre bewegt; sie waren jedoch nie meine Herzblutthemen.

Mir wurde deutlich, dass ich wenig von unternehmerischen, gestalterischen, steuernden Motiven und vielleicht auch von der Möglichkeit der Macht-Ausübung angetrieben war. Meine berufliche Zufriedenheit entsteht aus der Arbeit mit Menschen, in der bilateralen Beratungssituation wie auch im Team oder in der Organisation.

Und damit war klar, wohin die Kompassnadel zeigt.

In dieser Phase der Entscheidungsfindung war für mich besonders wichtig:

  • Die Reflexion (in diesem Entscheidungsprozess) zu beenden und die Entscheidung zu treffen
  • Die Auseinandersetzung mit den eigenen Motiven, die zu beruflicher Zufriedenheit führen
  • Das gute und sorgfältige Austauschen mit den betroffenen Kollegen im Geschäftsführerkreis sowie unserem Supervisor
  • Die Bereitschaft, loszulassen.

 Etappe 3: Den neuen Weg einschlagen

Der Klarheit folgte Erleichterung und auch ein gewisser Stolz. Ich habe die Weggabelung gesehen und die Abzweigung genommen. Nun gilt es, die ersten Schritte auf dem neuen Weg zu gehen.

Hier begannen zunächst im vertraulichen Kreis mit den Kollegen Überlegungen und Fragestellungen in unterschiedlichste Richtungen:

  1. Soll es beim Titel Geschäftsführer bleiben und regelt man die Aufgaben über einen Geschäftsverteilungsplan neu?
  2. Wie soll die Rolle des Gründers, der nun nicht mehr Geschäftsführer ist, beschrieben werden?
  3. Welche Wirkungen hat die Veränderung auf die RF/F Unternehmenskultur und die Mitarbeiter/innen?
  4. Wie erfolgt die Kommunikation in das Kundensystem – mit welchen Konsequenzen?

Wir haben in einem gut überlegten Prozess die Kommunikation von „innen nach außen“ gestaltet. In einem internen Offsite habe ich zunächst den Kreis der festangestellten Kolleginnen und Kollegen informiert. Es war ein für mich besonderer und bewegender Moment, meine Entscheidung nun auch tatsächlich zu veröffentlichen. Und es gab Raum und Zeit für uns als Menschen in der Organisation Raum Für Führung, uns mit dieser neuen Situation auseinanderzusetzen.

Im nächsten Kreis waren es die uns verbundenen Kooperationspartner/innen, die ich auch im Original-Ton per Videokonferenz erreichen konnte. Und im dritten Schritt im Dezember 2016 habe ich dann mit einem persönlichen Anschreiben weitere mir verbundene Kunden, Kollegen und Netzwerkpartner von meiner Veränderung in Kenntnis gesetzt.

Die Überschrift in jeder Kommunikation war unser Unternehmens-Leitsatz: „Entwicklung bestimmen“ – die wesentlichen Inhalte habe ich in den obenstehenden Absätzen beschrieben.

In dieser Phase der Kommunikation habe ich verstanden, dass

  • die aktive Steuerung der Kommunikation in Sorgfalt und Ruhe am besten vom Betroffenen direkt ausgeht / ich das Zepter des Handelns in der Hand behalte
  • Authentizität und Ehrlichkeit die allerbeste Wirkung erzielen
  • Veränderung in der Leitung des Unternehmens Raum für die Auseinandersetzung damit benötigt
  • auch in dieser Veränderung nicht alles „vorherdenkbar“ ist …

Etappe 4: Und nun? Veränderung bitte!

Ich habe auf meine Entscheidung zum Rollenwechsel eine Vielzahl von Reaktionen erhalten. Die Menge hat mich überrascht und auch gefreut. Bis auf eine Ausnahme (eine nachvollziehbare Irritation) gab es interessierte Nachfragen, Anerkennung bis hin zu Glückwünschen. Damit haben wir früher oder später gerechnet – das war eine Reaktion von Menschen, die mich sehr gut kennen.

Sehr häufig habe ich den letzten Wochen die Frage gehört: „Wie sind Sie denn in der neuen Rolle angekommen?“  Ich wiederhole meine aktuelle Antwort mit zwei Blickwinkeln auch gern in diesem schriftlichen Beitrag.

Ja, ich bin gut angekommen hinsichtlich der Themen Loslassen, Reduktion der Aufgaben und Verlust der offiziellen Funktion des geschäftsführenden Gesellschafters. Auch im Umgang und Kontakt mit Kunden und neuen / alten Kollegen ist das gar kein Thema. Eine Anekdote dazu am Rande: Im Gespräch beim Kunden sagte ein Kollege mit augenzwinkerndem Blick auf mich: „Der hat mir jetzt nichts mehr zu sagen“. Und das stimmt.

Anders verhält es sich mit den höchstpersönlichen Veränderungsvorhaben – insbesondere hinsichtlich des Themas Balance und mehr Freiraum für Aktivitäten außerhalb des Berufs. Hier ist noch reichlich Raum für Entwicklung. Ich denke an all die Menschen, mit denen ich schon Phasen der Veränderung zu tun hatte.

Und es ist gut, es auch mal wieder selbst zu spüren: die Schwierigkeiten mit der Umsetzung, die wieder aufkommenden Zweifel, die fehlende Disziplin, das Verständnis und die Reflektion im Kopf, mit der allein aber noch nichts anders wird. Ich sage mir: Willkommen im Selbstversuch Veränderung.

Es mangelt mir nicht an Unterstützung und Ermutigung aus meinem Umfeld – ganz im Gegenteil. Aber ich muss den Weg schlussendlich allein gehen, damit aus meinem Vorhaben ein Erfolg wird. Ich werde mich aufmerksam und achtsam weiter dabei beobachten.

 

Fotos: Raum Für Führung, Unsplash.

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