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Der Tod der Midlistautoren?

Sandra Henke (Foto: Ricarda Ohligschläger)

Bienensterben

Ich gehöre zu den MidlistautorInnen. Was bedeutet das? Ich verkaufe genug Bücher, um immer wieder neue Verträge zu erhalten. Für die Verlage gelte ich aus ökonomischer Sicht als „sichere Bank“. Sie umschwärmen mich nicht, arbeiten aber gerne regelmäßig mit mir zusammen. Meine Buchtitel findet man auf keiner Bestsellerliste. Die Verlage stellen mir nur ein sehr kleines Werbebudget zur Verfügung, oft auch gar keins. Ich bin weder erfolglos, noch eine der Topsellerinnen des Buchmarkts. Ich zähle zu den zahlreichen fleißigen Bienchen unter den Geschichtenerzählern, die immer weiter und weiter Manuskripte fertigstellen müssen, um vom Schreiben leben zu können. Ein Buch pro Jahr reicht da nicht aus.

Niedrigpreise als Kettensäge

Doch der Buchmarkt ist im Umschwung. Der Umsatz von E-Books steigt. Als Folge bauen die Buchhandlungen die Regale für Bücher von MidlistautorInnen ab, um Platz für Spielzeug zu machen. Amazon und die Selfpublisher haben für E-Books Niedrigpreise eingeführt, die den Viellesern entgegenkommen, aber uns Vielschreibern ein Stuhlbein absägen.

Während die Leserinnen und Leser bei Bestsellerautoren sogar mitziehen, wenn die Preise für deren Romane erhöht werden, lese ich in den sozialen Netzwerken oft, dass die LeserInnen bei den Preisen für meine Romane streiken. Wir wären ja dumm, lese ich da, wenn wir E-Books für 7,99 bis 9,99 Euro kaufen würden, wenn digitale Romane für 99 Cent bis zu 4,99 Euro angeboten werden. Ganz Unrecht haben sie nicht.

Abgeschrieben?

Außerdem beobachte ich eine Solidarität mit Selfpublishern. Noch vor einigen Jahren straften die LeserInnen Bücher, die Autoren selbst herausbrachten, mit Missachtung. Heutzutage wird ein regelrechter Kult um die Erfolgreichsten gemacht und schreibende Freunde werden unterstützt, denn jeder zweite Leser scheint auch zu schreiben und dank Selfpublishing auch zu veröffentlichen. Wäre ich eine Anfängerin, die das Schreiben als Hobby betreibt, würde ich diesen Weg auch ausprobieren. Regelmäßig lese ich Aufrufe in den sozialen Netzwerken: „Unterstützt Selfpublisher, kauft ihre E-Books!“ Es herrscht offenbar der Irrglaube, wir Verlagsautoren würden alle im Schlaraffenland leben. Indie-Autoren sind in, Verlagsautoren sind out – es sei denn, sie schreiben Bestseller?

Die Luft wird dünner

Entweder man schafft den Sprung in die erste Liga oder, das sehe ich bei vielen KollegInnen, man wird zum Hybridautor und baut sich ein zweites Standbein als Selfpublisher auf, um weiterhin seine Rechnungen bezahlen zu können. Aber vielen tut es weh, plötzlich ins Billigsegment zu wechseln. Man mag jetzt mit Honoraranteilen bis zu 70% argumentieren, darf aber nicht vergessen, dass die wenigsten E-Books bei der Masse an Veröffentlichungen noch herausstechen und daher die Umsätze beim Gros der Autorinnen und Autoren überschaubar sind. Außerdem ist die Gefahr groß, dass die Leser dann erst recht keine Verlagspreise mehr zahlen wollen.

Jeder Jeck ist anders

Am Ende muss jede Berufsautorin ihren eigenen Weg beschreiten und für sich entscheiden, ob sie (oder er) sich weiterhin beharrlich gegen die Entwicklung stemmt oder entspannt abwartet, bis das Verschieben der Kontinentalplatten aufhört, oder ob sie dem Selfpublishing eine Chance gibt – aus Neugier, Freiheitsdrang beziehungsweise aus finanziellen Gründen.

Nicht jedeR von uns kann BestellerautorIn werden. Unter VerlagsautorInnen herrscht Ratlosigkeit und eine düstere Stimmung. Aber wie heißt es so schön? Totgeglaubte leben länger. Außerdem, so sehe ich das, bedeutet ein Wandel noch lange nicht das Ende, sondern birgt immer auch neue Chancen. Dennoch frage ich provokant: Was wird aus den MidlistautorInnen? Sind wir vom Aussterben bedroht?

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in der „Federwelt“.

Sandra Henke lebt in der Nähe von Köln. Sie veröffentlicht regelmäßig bei mehreren großen Verlagshäusern und gehört zu den erfolgreichsten Erotikautorinnen Deutschlands. Unter dem Pseudonym Laura Wulff schreibt sie zudem Krimis und Thriller.

Als Dozentin an der Bastei Lübbe Academy gab Henke Kurse zum Thema „Schreiben erotischer Texte“. Sie nahm an großen Veranstaltungen wie der Loveletter Convention und der Crime Cologne teil und trat beim „West Art Talk“ im WDR-Fernsehen auf. Für den Mira Verlag schreibt sie Erotic Suspense, bei Heyne veröffentlicht sie Soft-SM-Romane, im Dotbooks Verlag Adelsgeschichten, Venusbooks bringt Asia Erotik und Vampirgeschichten von ihr heraus, bei U-Line erscheinen paranormale Liebesromane. Auslandslizenzen ihrer Bücher wurden verkauft nach Litauen, Italien, Österreich und in die Tschechische Republik.

Hier geht es zu Sandra Henkes Website, hier zu ihrer Facebook-Seite.

Kommentare

3 Kommentare zu "Der Tod der Midlistautoren?"

  1. @ PhantaNews: Sandra Henke hat einen sehr ausgewogenen und sachlichen Post zu ihrer Situation geschrieben, sie klagt niemanden an und sie jammert nicht. Ich verstehe deshalb den hämischen Ton nicht. Hier gibt es kein „mimimi“, aber dafür ein vollkommen überflüssiges Ätschibätschi.

  2. Nachtrag:

    Noch ulkiger finde ich diesen Text, wenn man betrachtet, dass Frau Henke selbst soeben Selfpublisherin wurde. Siehe:

    https://www.facebook.com/SandraHenkeLiebesromane/posts/413616365674878

  3. Sind das dieselben Selfpublisher, von denen die großen Verlage und der Börsenverein noch vor Kurzem gesagt haben, sie seien irrelevant und kein Problem für die „Profis“?

    Und dann:

    „Für den Mira Verlag schreibt sie Erotic Suspense, bei Heyne veröffentlicht sie Soft-SM-Romane, im Dotbooks Verlag Adelsgeschichten, Venusbooks bringt Asia Erotik und Vampirgeschichten von ihr heraus, bei U-Line erscheinen paranormale Liebesromane.“

    Ist schon besonders doof, wenn man in genau diesem Segment schreibt, in dem der Selfpublishingmarkt geradezu überschwemmt wird …

    Der Buchmarkt verändert sich. „Mimimi“ wird daran nichts ändern.

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