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E-Book-Herstellung: Wunsch und Wirklichkeit

E-Book-Spezialist und Literaturwissenschaftler Nils Tiemann. Bild: Tiemann

E-Book-Spezialist und Literaturwissenschaftler Nils Tiemann. Bild: Tiemann

Jeder Fachmann weiß, wie die Prozess-Standards bei der E-Book-Herstellung im Publikumsverlag eigentlich auszusehen haben. Jeder Fachmann weiß auch, wie massiv in manchen Verlagen gegen solche Standards verstoßen wird. Literaturwissenschaftler Nils Tiemann hat seine Masterarbeit über den Stand der Technik und des Wissens bei der Herstellung von E-Books veröffentlicht und erinnert im IT-Channel auf buchreport.de kühl und sachlich an die Basics.

Zu den Ursachen für Ablaufstörungen zählt Tiemann ein unerschütterliches Vertrauen in Desktop-Publishing-Anwendungen wie InDesign mit ihrer Transparenz und der vermeintlichen „Stärke“, das Hindengeln kleiner Fehler in letzter Minute zu erlauben. Eine andere mögliche Ursache ist, dass crossmediales Publizieren eine andere Arbeitsteilung zwischen Lektorat und Produktion erfordert, die noch nicht eingeübt ist oder gar von einer der Abteilungen abgelehnt wird. Das Ergebnis InDesign-basierter Workflows ist nicht selten die groteske Situation, dass in gedruckter Form bereits die X-te Auflage ausgeliefert wird, während im E-Book noch die erste Auflage mit all ihren Fehlern verkauft wird.

XML-first-Workflow

Wenngleich sie bisher nicht zu den Kernkompetenzen eines Publikumsverlages gezählt hat, gewinnt die Produkt- beziehungsweise Formatentwicklungskompetenz zunehmend an Bedeutung: Eine effiziente Medienproduktion großen Umfanges, die in verschiedenen Publikationsformaten mündet, gelingt nur in einer medienneutralen Produktion beziehungsweise mit einem XML-first-Workflow. Diese muss von ganzheitlichen Umstrukturierungen der Workflows über alle Abteilungen und Bereiche hinweg begleitet werden; entsprechende Maßnahmen müssen in der Geschäftsführung beschlossen und von dort instruiert werden, schließlich betreffen die Veränderungen im Zuge eines XML-first-Workflows alle in die Medienproduktion involvierten Mitarbeiter.

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Versteht der Verlag die Herstellung medienneutraler Inhalte als Content-Creating-Kompetenz – die Auswirkungen auf den Produktionsprozess legen diesen Schluss nahe – so gehört auch die semantische Markierung zu den Leistungen des Verlags innerhalb des Herstellungsprozesses. Will der Verlag den Autor nicht zu dieser Auszeichnungsarbeit zwingen oder einen Autor ablehnen, der nicht prozessorientiert oder mit den vorgegebenen Programmen arbeitet, so muss sie im Verlag erfolgen. Die prädestinierte, weil inhaltlich-literarisch kompetenteste Abteilung für diese Aufgabe ist das Lektorat.

Lektoren müssen für die medienneutrale Produktion sensibilisiert und in semantischer Markierung geschult werden, insbesondere wenn sie sich in diesem vermeintlich zu technischen Feld nicht kompetent fühlen. Hilfreich ist es, wenn sie und auch Autoren durch die Nutzung bestimmter Texteditoren bereits Text markieren, also die Voraussetzungen einer medienneutralen Produktion grundsätzlich erfüllen, möglicherweise ohne davon zu wissen. Im Idealfall wächst unter Verlagsmitarbeitern langfristig ein Bewusstsein für die Notwendigkeit ausgezeichneten Inhalts sowie die Vorteile eines optimierten XML-first-Workflows.

Ganz konkret bedeutet die Umstrukturierung auf einen XML-first-Workflow außerdem die Unantastbarkeit eines einmal in XML erstellten und freigegebenen Manuskripts: Es dürfen keine Änderungen am Inhalt während der medienspezifischen Herstellung erfolgen. Höchste Disziplin in diesem Punkt garantiert die späteren Herstellungsprozesse beider Publikationsformen. Autoren müssen zwar nicht um das Recht der Imprimatur beraubt werden, sie sollten dennoch über Hintergrundwissen über den Aufwand einer medienspezifischen Korrekturschleife, die den XML-first- zu einem XML-last-Workflow degradiert, verfügen oder vertraglich von späteren Eingriffen in den Inhalt abgehalten werden: „Es gibt einen gewissen Druck auf Verlage, die teilweise barock anmutenden Korrekturprozesse, die man Autoren gewährt hat, zu überdenken.“

In diesem Zusammenhang ist das bereits erwähnte, verlagseigene Content-Management-System hilfreich und vereinfacht die gesamte Medienproduktion: Es beinhaltet neben einem Texteditor zur semantischen Markierung und einer automatisierten Kontrolle der XML-Strukturgrammatik idealerweise auch eine Verwaltungsfunktion zur Speicherung aller Metadaten. Dadurch ist ein Varianten- und Versionsmanagement möglich, das nicht nur die Qualität der ersten Publikation maßgeblich beeinflusst, sondern auch die Produktionsgeschwindigkeit jeder weiteren Auflage erhöht. Je einfacher dieses CMS in seiner Bedienung ist, desto mehr Mitarbeiter profitieren davon, sogar etablierte Autoren: Sie zeichnen ihren Text im CMS nach den Verlagsvorgaben aus, erstellen selbst einen druckbaren oder digitalen Grobumbruch zur Durchsicht, nehmen Korrekturen eigenständig vor und – die technische Möglichkeit vorausgesetzt – arbeiten mit Lektoren oder Co-Autoren online und kollaborativ am Publikationsprojekt, so wie es junge Autoren teilweise bereits heute tun.

„Nachwachsende Autoren werden nicht einsehen, warum sie ausgerechnet bei der Zusammenarbeit mit einem Verlag auf umständlichere Werkzeuge und Arbeitsweisen setzen sollen als im Alltag.“
(Passig: „Alles handschriftlich und auf Papier“ – Lektoren lieben’s analog.)

Ein solches CMS dämmt auch den Einfluss überwiegend verwendeter Programme ein: Durch die eben beschriebenen Möglichkeiten erfüllt ein verlagseigenes Produktionstool bereits alle Anforderungen, denen Word nicht gerecht wird. Kombiniert mit einem XML-Editor im Hintergrund, der auf den reibungslosen XML-Import in InDesign ausgelegt ist, sinken die Auswirkungen des Programms auf die medienneutrale Produktion, sofern es ausschließlich für die medienspezifische Produktion des Buches eingesetzt wird. Die E-Book-Herstellung funktioniert auf der Grundlage von XML weitgehend automatisiert und kommt ohne den EPUB-Editor Sigil aus. Der einzig verbleibende Unsicherheitsfaktor, der Übergang von XML in InDesign, muss notfalls mit Skripten oder manuellen Eingriffen erfolgen – schließlich hängt die gesamte medienneutrale Produktion an dieser Sollbruchstelle. Ob alternative Softwarelösungen, wie beispielsweise Affinity Publisher, langfristig die Monopolstellung von InDesign torpedieren und eine praktikablere Lösung anbieten können, bleibt abzuwarten.

Von dieser Lösung profitiert auch die Herstellung des gedruckten Buches. Zwar kann der manuelle Feinumbruch nur unter dem Verzicht auf typografische Genauigkeit vernachlässigt werden – die Printherstellung wird also auch in Zukunft viel Zeit in Anspruch nehmen – aber sie kann parallel zur E-Book-Herstellung erfolgen. Beide Prozesse verkürzen sich zudem, weil sie nicht durch nachträgliche Korrekturen unterbrochen werden. Eine medienneutrale Produktion reduziert zwar den Fokus auf die Herstellung des gedruckten Buches, sie fördert gleichzeitig jedoch die Produktion beider medienspezifischen Formate als zentralen Bestandteil innerhalb eines Publikumsverlages – die Produkt- beziehungsweise Formatentwicklungskompetenz gehört in Zukunft zweifelsohne zu dessen Kernkompetenzen und sichert die Qualität verlegerischer Kulturarbeit. (Vgl. Lobo: Allgemeine Feststellungen zur Buchsituation.)

Kommunikation

Die Umstrukturierungen bedeuten immer finanziellen und organisatorischen Aufwand, erfolgen aber schließlich unter der Prämisse der Optimierung und Verbesserung der bisherigen Organisationsarchitektur. Die Digitalisierung erzeugt einen so weitreichenden Wandel im Speziellen für die Buchbranche, dass Verunsicherung, Misstrauen und Furcht grundsätzlich berechtigt sind. Gleichzeitig muss es die zentrale Aufgabe aller Mitarbeiter sein, sich dem digitalen Wandel zu stellen, seine Auswirkungen zu antizipieren und das eigene Handeln entsprechend auszurichten. Die Flucht in eine falsche Debatte um den Bestand lang erlernter Strukturen ist wenig hilfreich, geschweige denn zielführend – insbesondere im Lektorat, dessen Tätigkeit auch langfristig ohnehin nicht automatisierbar und demnach wenig gefährdet ist. (Vgl. Radio Bremen 2016: Job-Futuromat).

Die Vermutung liegt nahe, dass es auf oberster Verlagsebene an weitreichenden Digitalkonzepten mangelt. Die Geschäftsleitung muss ihrer Kommunikationspflicht gegenüber ihren Mitarbeitern nachkommen: Ohne ein umfassendes, transparentes Konzept gelingt keine vertrauensvolle Kommunikation auf dem Weg zu einer überzeugenden Antwort auf die Digitalisierung. Jedem Mitarbeiter muss klar sein oder gemacht werden, dass die Maßnahmen nicht als Reaktion auf ein sich wandelndes Hierarchieverhältnis zwischen den Akteuren auf dem Buchmarkt verordnet werden, sondern vor allem aus Gründen der Optimierung der eigenen Produktionsqualität und Konkurrenzfähigkeit. Die nötigen Veränderungen müssen mit den Mitarbeitern hinreichend kommuniziert und diskutiert werden, um die versprochenen Ziele und erhofften Vorteile zu verdeutlichen: Auch wenn die Erträge dieser Veränderungen, beispielsweise im Lektorat, kurzfristig unsichtbar bleiben, so kommen sie dem Verlag mittelfristig in der Vermeidung zusätzlicher Arbeitsschritte oder ablaufbedingter Fehler und langfristig in der Optimierung der Datenqualität und der Verwertungskette auch finanziell zu Gute. Schließlich sind keinem Lektor fehlende Zeilen in einem seiner betreuten Bücher gleichgültig, insbesondere wenn sie durch ein optimiertes Qualitätsmanagement hätten verhindert werden können. (Vgl. Martenstein, Harald 2016: Über böse Fallen beim Büchermachen.)

 

Nils Tiemann studierte in Bielefeld und Berlin Germanistik und Angewandte Literaturwissenschaften. Seine Masterarbeit über die Herstellung von E-Books in deutschsprachigen Publikumsverlagen wurde kürzlich auf www.typo-ne.de veröffentlicht. Dort ist sie auch als E-Book-Download verfügbar.

Kommentare

5 Kommentare zu "E-Book-Herstellung: Wunsch und Wirklichkeit"

  1. Auch ich kann mich in meiner Position dem Kommentar von Frau Geissler nur weitestgehend anschließen – die gesamten Prinzipien und nötigen Entscheidungen sind auf niedrigeren Ebenen weitgehend seit Jahren bekannt und eine konsequente Umsetzung wird hier oft – und auch unter abteilungsinternem Widerstand – von engagierten Köpfen forciert. Knüppel kommen dann leider oft von anderer Seite: Seien es „alleinig“ innovative / edukative Bereiche…alles zu langsam / nur Bremser / niemand versteht die wichtigen Themen … Mit Verlaub: Quatsch. Und Führungsetagen die rein Kosten- und gewinnorientiert jedwedes zukunftssicherndes Umwälzungsprojekt zu einem unnützen Kostentreiber degradieren. Da macht es dann Freude als Mitarbeiter genau da dazwischen zu sitzen und den Ball weiter ins Rollen zu bringen. Von teuren externen Beratern die dann das identische predigen und „neue“ Strategien feiern … gar nicht zu sprechen. Da wundert sich noch jmd. über die Flucht von Talenten und technisch-aufgeschlossenen-Innovativen Köpfen? Wirklich?

    Kurzum – ja es ist noch verdammt viel zu tun und hier ist Ärmel-hochkremnpeln-und-loslegen angesagt. Alle pauschal über einen Kamm zu scheren, ist in einer sonst so treffsicheren Beschreibung der letzten Jahre / bekannten Notwendigkeiten und des Status Quo aber Fehl am Platze. Praktische Lösungsvorschläge sind gefragt!

  2. Meiner Vorrednerin möchte ich uneingeschränkt beipflichten!

    Ungeklärt bleibt m.M.n. aber die nicht unwichtige Frage, welches Selbstverständnis die Verlage überhaupt von „Digital“ haben … Also ist es nur eine Flanke für Print oder ist neben dem klassischen Geschäftsmodell, ein digitales Geschäftsmodell – das natürlich auch Experimentieren impliziert – vorstellbar?

    Eine Antwort aus den Geschäftsführungen dazu ist, dass mittelfristig neue digitale Betätigungsfelder gegenwärtig zu vernachlässigen sind. Die aktuelle Print-Produktion soll mit digitalen Angeboten begleitet werden und den Absatz von gedruckten und elektronischen Büchern über das Internet befördern. Auf absehbare Zeit plant man kein digitaler Dienstleister zu werden.

    Der Vertrieb argumentiert, es müssen vor allem online(!) mehr physische(!) Bücher verkauft werden. Darum ginge es. Begründet wird dies mit dem Totschlagargument, dass 95% des Umsatzes eben nicht mit E-Books gemacht werden.

    Beiden Argumentationslinien gemein ist jedoch im Prinzip das reduzierte Verständnis von „online“ als ein bloßer Absatzkanal v.a. für gedruckte Bücher, deren digitale Pendants man lediglich als Zweitverwertung natürlich gerne mitnimmt. Die Hintergründe dafür sind vielschichtig. Vielleicht verkürzt liegen sie m.E. in einem klassischen Generationenkonflikt aufgrund eines bedeutenden gesellschaftlich-technologischen Wandels, dem unbedingten und nicht hinterfragtem Beharren am einst etabliertem Geschäftsmodell nebst aller Formen seines Lobbyismus (Börsenverein/VDZ usw.) sowie unbedingter Aufrechterhaltung des Status quo und schlichtweg der Angst vor digitalen Experimenten aufgrund angeschlagener Gesamtgeschäftslage (Print-Krise usw.).

    Die spannende und vielleicht leicht ketzerische Frage dabei bleibt, ob sich die Verlage (wegen Selfpublishing und Co.) vielleicht überlebt haben oder es eine echte, aber vertane Chance zur Transformation gibt? Denn, im Zeitalter von Flugzeugen, wird das Gros vermutlich keine Weltreise mit einer Pferdekutsche unternehmen wollen. So etwas tut man beispielsweise aus romantischen Motiven. Also gibt es da durchaus eine Nische. Vielleicht ist das ja auch die Zukunft der Verlage: Als Nische zu überleben.

    • Ich kann die Einschätzung weitgehend unterschreiben. Aus dem Generationskonflikt angesichts eines Technologiewandels resultiert meiner Meinung nach eine klarer zu fassende Digitalisierungsangst, der ich ein eigenes Kapitel meiner Masterarbeit gewidmet habe (http://www.typo-ne.de/2-workflow/2-3-kritik/#234) und aus dem ich auch hier der Einfachheit halber einfach zitiere: „Diese Ängste belasten auch die Mitarbeiter deutschsprachiger Publikumsverlage, die sich beispielsweise in der Technikskepsis gegenüber dem E-Book oder der Digitalverdrossenheit hinsichtlich automatisierter Workflows aus „romantischen Gründen“ (Sascha Lobo) kanalisiert: „Das ist keine reine Altersfrage, sondern eher eine Frage der Offenheit gegenüber Veränderungen.“ (Martin Kraetke) Derartige Symptome sind speziell in jener Abteilung präsent, die vermeintlich am stärksten analog funktioniert und am dichtesten am Text arbeitet – im Lektorat. Allgegenwärtig werden dort printversierte Produktionsworkflows aus Gründen der Qualität bevorzugt, die im Bewahren etablierter, buchorientierter Strukturen motiviert sind und die Anpassung an die digitale Realität verhindern, wie es Kathrin Passig formuliert: „Ich wundere mich über dieses fehlende Interesse an den Werkzeugen der Textverarbeitung in einer Branche, in der der Text doch einigermaßen zentral ist.“
      Zur ketzerischen Frage zur Zukunft der Verlage: Solange sich ein Verlag als Hersteller von Büchern versteht, bleibt langfristig sicher eine Nische – und eine spannende dazu, man denke nur an den wieder steigenden Umsatz mit Vinyl in der Musikbranche. Besinnt sich ein Verlag hingegen auf seine klassischen Kernkompetenzen, zu denen die Herstellung interessanterweise übrigens (noch) nicht dazugehört, ist ihm auch in der Welt des digitalen Publizierens weit mehr beschert als nur ein Nischendasein, schließlich funktioniert das Finden (Content-Sourcing-Kompetenz), Verarbeiten (Content-Creating-Kompetenz) und Vermarkten (Promotion-Kompetenz) von Inhalten unabhängig vom späteren Publikationsmedium beziehungsweise der Darreichungsform. Die Chance zur Transformation ist diesbezüglich mitnichten vertan, wenn auch der Zeitpunkt etwas verschlafen wurde.

  3. Ein hervorragender Artikel, dem ich voll und ganz zustimme, jedoch sind die Erkenntnisse hier keineswegs neu. All diese Fakten waren bereits 2010, als ich in die Digitalherstellung einstieg bekannt, und seit dem predige auch ich die medienneutrale Herstellung in einem großen Chor von Digitalexperten, die sehr wohl umfassende Konzepte für digitale Umstrukturierungen im Angebot haben und diese ständig verbessern und aktualisieren. Aber es fehlt unter den Verlagen schlichtweg an Pioniergeist, eine solche Umstrukturierung vollständig durchzuführen.
    Aktuell ist der Leidensdruck noch nicht gegeben, weil die Verlage sich nicht als Inhaltsproduzenten, sondern als Buchproduzenten sehen und für die Produktion von Büchern haben sie einen erprobten und vor allem wirtschaftlich berechenbaren Prozess. An jedes digitale Konzept wird grundsätzlich die Bedingung gestellt, dass bestehende Prozesse damit kompatibel bleiben müssen, ein Argument dafür sind z.B. umfangreiche Backlisten, die im alten Prozess hergestellt wurden und bearbeitbar bleiben müssen, ohne dass sie im neuen Prozess aktualisiert werden.
    Das ist so, als ob man den Auftrag bekommen würde einen Würfel zu einer Kugel umzubauen, dabei aber die Ecken zu erhalten.
    Die Ergebnisse sind verkrüppelte Hybride, deren Lebensunfähigkeit nicht auf die falschen Voraussetzungen, sondern auf den digitalen Prozess zurückgeführt wird und so nur weiter die Überzeugung stärkt, dass die alten Prozesse besser waren.
    Nach sieben sehr frustrierenden Jahren im Bereich der literarischen Digitalität bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass bestehende Verlage erst dann Umstrukturiert werden können, wenn nativdigitale Verlage entstanden und auf eine gewisse Größe angewachsen sind, dann wird es jedoch für viele Traditionsverlage bereits zuspät sein.
    Denn einen Punkt des Artikels möchte ich besonders hervorheben:
    Die Digitalisierung verlangt nicht, dass Verlage ihr (gedrucktes) Produkt aufgebe, sondern nur, dass sie ihre analogen Prozesse ändern. Die Frage ob es das klassische Buch in Zukunft noch geben wird, kann noch keiner beantworten, dass es mit den aktuellen Methoden aber bald nicht mehr rentabel hergestellt werden kann ist absehbar.

    • Der letzte Punkt ist auch meines Erachtens elementar. Ich zitiere der Einfachheit halber schnell aus der Einleitung meiner Masterarbeit: „Verlage sind (…) keine Papier- oder Buchverkäufer und waren es nie. Ihr Produkt sind Ideen, ihr Gegenstand sind Texte – durch welches Medium diese ihr Ziel erreichen, bleibt dem Wunsch des Rezipienten und nicht etwa den Vorstellungen des Produzenten überlassen“. Verwunderlich ist außerdem, dass eine Umstrukturierung der Workflows aus weitgehend romantischen Gründen abgelehnt wird, und das obwohl die derzeitigen Teilprozesse des Content Creating der Herstellung eines E-Books viel näher sind als der eines Buches – schließlich ist im Desktop Publishing heutzutage jedes Buch zunächst ein E-Book. Meines Erachtens bedarf es zur Lösung der erwähnten, entspannenden Kommunikation auf Augenhöhe – gefolgt von Einsicht und Motivation unter den Verlagsmitarbeitern – und den effizienten und überzeugenden Digitalkonzepten auf ganzer Ebene, die es offenbar unter Digitalexperten, nicht aber in der Geschäftsleitung gibt. Um mal bei der Kugel-Matapher zu bleiben: Vielleicht bekommt man einen Würfel auch mit Raspel und Schmirgelpapier zum Rollen – die restlichen Kanten schleifen sich mit zunehmender Geschwindigkeit von allein ab.

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